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„Der Vogel, die Landschaft, das Schwein“ Gedanken zur Malerei Wolfgang Wiedners

Wenn man sich heute der Malerei von Wolfgang Wiedner nähert, ist man mit der Tradition der Malerei genauso konfrontiert, wie mit den neuesten Entwicklungen dieses Mediums. Seine Anfangszeit als Maler hatte Wiedner im Umfeld der „Neuen Malerei“, wie die international sich entwickelnde Bewegung einer gegenständlichen und gestisch-expressiven Malerei in Österreich genannt wurde. Es war eine heterogene Szene von Malern, die unter diesem Begriff subsummiert wurde. Waren es zunächst durchaus enge Verwandtschaften, die Hubert Schmalix, Alfred Kilnkan, Alois Mosbacher, Siegfried Anzinger, Josef Kern, Erwin Bohatsch und Wolfgang Wiedner miteinander verbanden, so sind alle diese Maler rasch eigene und sehr unterschiedliche Wege gegangen. Wolfgang Wiedner konzentrierte sich von Beginn an auf seine unmittelbare Umgebung – das eigene Atelier und das Leben auf dem Land. Beides sind Sphären, die im weiteren Verlauf seiner Entwicklung zwar andere Formulierungen erfahren, jedoch als Motive bestehen bleiben. Die scheinbar beiläufige Realität des Malerateliers mit den bekannten Details – Töpfe, Schalen, Pinsel, Farbtuben, Malfetzen, Stühle etc. – waren in dieser frühen Zeit seiner künstlerischen Entwicklung nahezu ausschließliches Thema. Er gab die Anordnungen von Gegenständen – niemals Menschen – in expressiver Tradition wieder. Man ist in dieser Phase an Max Beckmann erinnert, wenn man die stark farbigen mit kräftigen schwarzen Konturen versehenen Motive Wiedners betrachtet. Das brutale Schwarz kontrastiert mit der leuchtenden Buntheit der Objekte, die farblich vereinheitlicht wirken und auf Lokalfarben weitgehend verzichten. Die Einfachheit des Sujets wird durch die Malweise zum besonderen Geschehen. Stillleben sind seit dem 17. Jahrhundert innerhalb der Malereigeschichte weit verbreitet und zeugen von der Delikatesse des Mediums. Es waren meist höchst virtuose Stücke, die beispielsweise aus den niederländischen, italienischen und spanischen Ateliers kamen. Höchste Meisterschaft in der Wiedergabe von unterschiedlichen Materialien wie Glas, Metall und Textilien sowie von Früchten oder toten Lebewesen war von den Künstlern dabei gefordert und man betrachtete sie formal als höchste Anforderung an den Maler. Inhaltlich waren die Stillleben voller Symbole, die in den religiösen, moralischen und philosophischen Zeitvorstellungen beheimatet waren. Sie waren gleichsam in jeder Hinsicht Lehrstücke. Die Stilllebenmalerei sollte sich bis in die Gegenwart fortsetzen und auch schon vor dem Readymade von Marcel Duchamp enormen Veränderungen ausgesetzt sein. Am Ende jedoch ersetzt der reale Gegenstand in der Ku nst die Repräsentation desselben. Das wäre eigentlich der Endpunkt dieser Entwicklung. Innerhalb der Malerei sollte sich aber beispielsweise mit der Pop-Art und später der „Neuen Malerei“ sowie der medienreflexiven Malerei in den 1990er Jahren einiges an zeitgemäßen Möglichkeiten auftun, um das Objekt, den Gegenstand sowie die Realität im allgemeinen neu zu sehen und wahrzunehmen. In den malerischen Entwicklungen nach der Pop-Art – dabei speziell bei Andy Warhol und Jasper Johns – war es besonders das Interesse am Abbild des Gegenstandes, das bestimmend war. Warhol zielte auf den Aspekt der Warenästhetik und heroisierte gleichsam die Cola-Flaschen und Suppendosen genauso wie er die medialen Helden zum Objekt degradierte. Für beide aber beanspruchte er die gleiche Wertigkeit. Die banalen Dinge werden zu Besonderheiten durch den Kontext der Ware und in der Folge durch die Darstellung innerhalb der Kunst und die Personen (Stars) werden zu Bildern – zu Images. Celebrities werden grundsätzlich erst in zweiter Linie als Menschen wahrgenommen. In erster Linie sind sie, wie der Sprachgebrauch es suggeriert, „Objekte der Begierde“. Das Image der prominenten Person ist das entscheidende. In Jasper Johns Fall sind es meist gewöhnliche Dinge des Alltags – auch Atelierdetails wie Pinsel und Töpfe – die das Publikum faszinieren. Dass sie im Mittelpunkt äußerst theoretischer Erörterungen stehen sollen, erscheint überraschend. Johns geht dabei von der Annahme aus, dass sich der dargestellte Gegenstand durch unterschiedliche Darstellungsmethoden – als Malerei, als Grafik, als Skulptur – in seiner Bedeutung verschieden wahrnehmen lässt und auf differenzierten Ebenen funktioniert, je nachdem wie Kontext und Medien sich verändern. Eine seiner bekanntesten Motive in dem Zusammenhang ist die Kaffeedose mit den darin steckenden Pinseln. Er hat sie unterschiedlich gemalt, in Grafik umgesetzt und als Bronzeskulptur gefertigt. So wird die Kaffeedose zugleich zum Atelier-Stillleben wie zur gegenständlichen Skulptur, die auch den Geist des Readymades in sich trägt. Die unterschiedlichen Manifestierungen innerhalb der Malerei machen die Dose gleichsam zum Vorwand, um das Medium auszuloten bzw. das Verhältnis zwischen realem Gegenstand und dessen Repräsentation im Bild zu diskutieren. Die Tradition der Darstellung der Wirklichkeit findet schon früher – im Impressionismus – eine bedeutende Wende. Auch dort werden die Motive einfacher, gleichsam banaler, während sich die formale Kraft der Malerei rasch weiter entwickelt – weiter in Richtung Auflösung und Tarnsparenz. Die beiläufigen Szenen aus der unmittelbaren Umgebung der Künstler sowie die Alltäglichkeiten – Straßenszenen, Landschaften, Gegenstände und Menschendarstellungen – werden zu Stimmungsträgern, die sich im Atmosphärischen aufzulösen scheinen. Das trifft in geringerem Maße auch schon auf die Maler der Schule von Barbizon zu und ganz allgemein auch auf Aspekte der realistischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Im österreichischen Zusammenhang sei hier auf die MalerInnen des als „Stimmungsimpressionismus“ in die Kunstgeschichte eingegangenen Stils hingewiesen, die sich auf eine gemäßigte Symbiose aus realistischen Traditionen in Verbindung mit den Entwicklungen des französischen Impressionismus konzent rierten. Atmosphärisches und Introspektives liegt in dieser Malerei, genauso wie die formale Ambition, die sich beispielsweise in der Darstellung des Lichtes äußert. Diese KünstlerInnen stehen damit an der Schwelle zur Moderne, die sie aber nicht zu überschreiten bereit waren. Vielmehr verstanden sie es die Stimmung eines Ortes so festzuhalten, dass die emotionale Dimension der dargestellten Situation spürbar wird und zur Authentizität derselben beiträgt. Es ist der sensible bzw. subjektive Blick des Malers, der sich in dieser Malerei auf den Betrachter zu übertragen vermag und so aus dem dargestellten einen gleichsam magischen Ort macht. Die Magie des Ortes bzw. der gewöhnlichen Dinge hat niemand so eindrucksvoll in Szene gesetzt wie der belgische Maler René Magritte. Während die impressionistische Tradition die Gesetze der Physik und der sichtbaren Natur weitestgehend eingehalten hat, ist der Belgier weit in den Bereich des Psychischen und des Theoretischen eingedrungen – Malerei als intellektuelles Spiel. Magritte als Protagonist der Zurückhaltung, der Subtilität und formalen Einfachheit, ist gleichzeitig ein Virtuose der Bildregie und der Verdichtung von visuellen Beiläufigkeiten zu vieldeutigen Bedeutungszusammenhängen. Da die dargestellten Gegenstände als solche erkennbar werden, aber in ihrem Zusammenspiel Mehrdeutigkeiten erzeugen, kann man sagen, dass hier nicht die Objekte verrätselt werden, sondern vielmehr verrätseln diese ihren Kontext. Konkret bedeutet das, dass sich diese Darstellungen den Naturgesetzen entziehen. Durch die Kombination von Gegenständen und anderen Bildelementen entsteht ein visu eller Kosmos, der den viel später einsetzenden Möglichkeiten des technischen Bildes vielfach entsprechen. Die Parallelentwicklung des technischen Bildes von Foto bis Computer hat weiter zu veränderten Bildkonzeptionen geführt, worauf die Malerei bis in unsere Tage reagiert. Das Schlagwort Medienreflexivität trifft hier zu.

Die scheinbar willkürlich ausgewählten Momente der kunstgeschichtlichen Entwicklung sollen eine Folie bieten, vor der sich Wolfgang Wiedners malerisches Werk rezipieren lässt. Wiedner ist durch die „Neue Malerei“ der 1980er Jahre geprägt, die im Sinne der Postmoderne das Vokabular vergangener Entwicklungen wieder aufnahm. Seine Kunst passiert selbstverständlich vor dem Hintergrund der Malereigeschichte, die als Referenz zur Verfügung steht. Auch die bereits erwähnten Maler seines Umfeldes haben bewusst an kunsthistorische Formulierungen angeknüpft, sie gleichsam zitatartig eingesetzt und in der Folge variiert. In seiner jüngsten Präsentation fasst Wiedner wesentliche Momente seiner Kunst zusammen. Er zeigt wiederum Atelierszenen, Gegenstände des Alltags, Landschaften, Blumen, Früchte, Häuser, Tiere aber auch reduzierte geometrische Formen wie Kugeln und Farbflächen. Diese Motive schließen sich zu sensiblen Aufzeichnungen der eigen Umgebung, öffnen sich aber auch zu surreal anmutenden Bildkonzeptionen, in denen die bekannten Gegenstände in streng angeordneten Formationen über der realistisch gemalten Landschaft schweben. Er isoliert dabei bestimmte Bildelemente, multipliziert sie ähnlich wie man es aus der Pop-Art kennt und fügt sie zu neuen Kompositionen zusammen. Dabei entsteht ein enigmatischer Eindruck des Gesehenen, der die gewohnten Dinge zu unerwarteten Kontexten führt. Diese surreal anmutenden Darstellungen lösen sich in anderen Bildern wieder völlig auf, wenn der Künstler beispielsweise in bestechender Virtuosität einfachste Sujets – eine Blüte, einen Vogel, eine scheinbar unbedeutende und unspektakuläre Landschaft oder einen mit Farbe verschmierten Topf aus dem eigenen Atelier – wiedergibt. Das geschieht auf einer höchst sensiblen Ebene, sodass der banale Gegenstand zum besonderen Kleinod wird. Wiedner schafft es dabei den emotionalen Gehalt des Motives zum Ausdruck zu bringen. Wie in der Tradition der Stilllebenmalerei werden die einzelnen Gegenstände gleichsam porträthaft wiedergegeben. Der „Stimmungsimpressionist“ macht aus einem einzelnen Vogel, der am Ast sitzt, aus einer unscheinbaren Blüte oder aus einem unbemerkten Landschaftsauschnitt eine besondere Situation. Oft ist es dabei die eigene Sehnsucht und die subjektive Emotionalität, die diese einfachen Sujets zu außergewöhnlichen Orten macht. Wiedner gelingt es eindrucksvoll diese Stille und Beschaulichkeit ohne jegliches Pathos wiederzugeben. Nichts Heroisches, nichts Idealisierendes und kein Spektakel findet sich hinter Wiedners Bildauffassungen. Wenn man aber Edouard Manets kleine Darstellung eines Spargels denkt, ist man dieser Malerei sehr nahe. Der auf dem Land lebende Künstler ist einer gewissen Realität des Ortes verbunden, schöpft gleichsam aus ihr und erlebt sie in einer emotionalen Visualität. Die Authentizität des Ortes und die Delikatesse der Malerei, die so bezeichnend sind für Wiedners Schaffen, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Künstler in einer Metaebene bildgestalterische Möglichkeiten analysiert, womit er die Realität und deren Repräsentation durch seine Malerei zu hinterfragen scheint. Es ist die ungewöhnliche und dadurch verblüffende Zusammenführung von Bildelementen in Wiedners Malerei, die sich auch als Sinnbild für Veränderungen im ländlichen Raum lesen lässt. Das Zusammenspiel von abstrakten Farbformationen und gegenständlich lesbaren Elementen, wie Häusern und Tieren, geben davon Zeugnis. Ordnung und Chaos, unberührte Natur und zugerichtete Natur, das sind in dem Moment die Gegensätze, die der Maler zu verbinden versucht ohne sie in direkter Drastik zur Darstellung zu bringen. Es ist auch hier wieder ein sehr subtiler Unterton, der diesen Eindruck für den Betrachter spürbar macht, der in ähnlich sensibler Weise zu schauen vermag, wie der Maler es ihm vorschlägt. „Der Vogel, die Landschaft, das Schwein“ nennt Wolfgang Wiedner die jüngste Präsentation seiner Werke. In diesem Titel werden die unterschiedlichen Bedeutungsebenen und Gegensätze angesprochen. Der Vogel als grundsätzlich nicht domestizierbares freies Lebewesen steht dabei dem Schwein als Gegenposition gegenüber. Beide existieren in einer sowohl als idyllisch angepriesenen als auch gleichzeitig vom allgemeinen Fortschritt gestörten Landschaft. Wiedner kritisiert nicht offensichtlich und explizit. Der Künstler transferiert die Kritik in den Bereich des Visuellen und versucht die Geschehnisse innerhalb des Mediums Malerei zu diskutieren. Dabei bleibt er in einer Tradition der gegenständlichen Malerei, die sich nicht um die Erweiterung des Mediums bemüht, sondern um deren bildliche Wirkmöglichkeiten. Damit ist Wiedners Malerei auch bis zu einem gewissen Grad als „Malerei über Malerei“ zu verstehen. Das Medium gerät dabei gleichsam in einen Zustand der Selbstreflexion, was den Kü nstler vom Nimbus der sentimentalen Selbstvergessenheit befreit und ihm in einen Aktualitätszusammenhang stellt, der sein traditionell anmutendes Tun zu einer höchst aktuellen Auseinandersetzung mit Inhalten und malerischen Formvorstellungen macht. Wolfgang Wiedner ist kein Maler von simplen Stillleben und Landschaften, sondern ein reflektierender Künstler, der innerhalb eines Kontexts der Regionalität und des klassischen Mediums verblüffende Möglichkeiten des zeitgenössischen künstlerischen Ausdrucks findet. Die angeführten Momente innerhalb der Malereigeschichte, die sich so unterschiedlich und scheinbar nicht zu einander in Beziehung stehend darstellen, können als Hilfestellung dienen, diesem im Stillen blühenden Werk in seiner Vielschichtigkeit näher zu kommen. Man könnte in Anlehnung an den Titel der aktuellen Ausstellung ganz knapp formulieren „Jasper Johnes, der Stimmungsimpressionismus, René Magritte“.

Günther Holler-Schuster

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Wolfgang Wiedner
der Vogel, die Landschaft, das Schwein

Künstler:
Wolfgang Wiedner

Kuratoren:
Günther Holler-Schuster