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„Always, when the words ‚art’ or ‚artistic’ are applied to my photographic work I am disagreeable affected. I consider myself a photographer, nothing more‚ If my photographs differ from that which is usually done in this filed, it is precisely because I try to produce no art but honest photographs, without distortions or manipulations.“ Tina Modotti, „On Photography”, Mexican Folkways, vol. 5, no. 4, 1929

ArteF Galerie für Kunstfotografie beginnt das neue Jahr mit einer faszinierenden Hommage an acht berühmte Fotoreporterinnen unserer Zeit - von den 20er Jahren bis in die Gegenwart. Unterschiedlich in Themen und Techniken, ist ihnen allen etwas gemeinsam: Es sind engagierte Frauen mit ungewöhnlichen Lebensläufen und einem scharfen Blick für das, was um sie herum geschah. Damit haben sie sich in der traditionell männlichen Domäne der Reportage- Fotografie ihren eigenen Platz erkämpft. Mit rund 50 Werken zeigt „Women Photographers“ einen Überblick über das künstlerische Werk dieser aussergewöhnlichen Frauen.

Berenice Abbott (1898-1991) ist berühmt für ihre schwarzweissen Fotografien von New York City; sie dokumentierte zwischen 1935 und 1939 in mehreren hundert Aufnahmen den Wandel einer Stadt, die - nicht nur damals- als „Metropolis“ Amerikas galt und die ihr Gesicht unter den massiven Einwirkungen von Depression und Spekulantentum in rasantem Tempo veränderte. Abbotts Leitfigur bei der systematischen Erfassung von Strassenzügen, einzelnen Gebäuden und Plätzen war Eugène Atget. „Ich habe eine für die künstlerische Entwicklung heilsame Erfahrung gemacht: Je mehr man tut, umso mehr merkt man, was für ein uferloses Thema die Metropole ist und dass man für alle Ewigkeit fotografieren könnte“.

Tina Modotti (1896-1942), Lola Alvarez Bravo (1903-1993) und Mariana Yampolsky (1925-2002) dokumentieren das Mexiko des künstlerischen und politischen Aufbruchs in den Jahren nach der Revolution. Ihre nur selten zu sehenden Fotografien porträtieren den mexikanischen Alltag der kleinen Leute und markieren gleichzeitig die verschiedenen künstlerischen Sichtweisen und Neuerungen in der bildenden Kunst, die in dieser hoch kreativen Periode entstanden. Margaret Bourke-White (1904-1971) war die erste Kriegsfotografin unserer Zeit. Während des deutschen Überfalls war sie die einzige westliche Fotoreporterin und dokumentierte vor allem die deutschen Luftangriffe auf Moskau. Die Italienerin Letizia Battaglia (1938) sorgte weltweit für Aufsehen mit ihren mutigen und aufrüttelnden Fotos der Mafia-Verbrechen in Sizilien. Sie ist die erste europäische Fotografin, die den renommierten Eugene Smith Preis gewann, den „Nobelpreis“ der Fotografie. Marilyn Bridges (1948) ist eine der weltweit führenden Luft-Fotografen. Die leidenschaftliche Pilotin schiesst ihre Bilder von sakralen und weltlichen Bauwerken und Landschaften im Tiefflug aus einem einmotorigen Flugzeug heraus.

Neben Fotos aus den 50er Jahren sind in der Ausstellung auch noch nie gezeigte Arbeiten der Schweizer Fotografin Monique Jacot (1934) zu sehen. Sie hat sich mit ihren engagierten Reportagen über den Alltag und die Arbeitsbedingungen von Frauen einen Namen gemacht. Immer steht der Mensch im Mittelpunkt ihres Interesses. Monique Jacots Schaffen zeichnet sich durch Entdeckungslust, Offenheit und spielerische Grenzüberschreitungen aus. Als eine der wenigen Frauen hat Monique Jacot die Schweizer Fotografie entscheidend mit geprägt und sich darin einen eigenständigen Platz gesichert. 2005 widmete ihr die Fotostiftung Winterthur eine grosse Retrospektive.

Die Frage nach einer spezifisch weiblichen Sichtweise und ihrem künstlerischen Ausdruck wird immer wieder neu gestellt. Ob eben solches in dieser Ausstellung erkennbar ist, kann nur jeder und jede für sich selbst beantworten. Es wäre einen Versuch wert: Man hänge unterschiedliche Fotografien ohne Namen auf und lasse dann raten, ob das Foto von einer Frau oder einem Mann gemacht wurde. Das Ergebnis sagt womöglich mehr darüber aus, was wir für männlich oder weiblich halten, als wer es tatsächlich kreiert hat. Am Ende bleibt die Frage offen: Hat Kunst ein Geschlecht?

Zu den Künstlerinnen Berenice Abbott (1898-1991) studierte zunächst Journalistik, dann Bildhauerei in Paris. Als Assistentin des Surrealisten Man Ray (1923 bis 1925) begann sie zu fotografieren und wurde durch Portraits berühmter Künstler und Schriftsteller wie James Joyce, Jean Cocteau, Maurie Laurencin und Djuna Barnes rasch bekannt. 1929 begann sie mit ihrer berühmten Dokumentation von New York City („Changing New York“). Ihre Arbeiten bieten eine historische Chronik vieler heute zerstörter Gebäude und Gegenden von Manhattan. Abbott war eine Vertreterin der sachlichen Fotografie (“straight photography”) und eines neuen Realismus, der sich durch scharfe und kontrastreiche Bilder auszeichnet, deren Positive auf keine Weise manipuliert wurden und deren Ziel es war, die Wirklichkeit möglichst realistisch abzubilden.

Lola Alvarez Bravo (1903-1993) begann ihre fotografische Karriere mitten in der künstlerischen und politischen Aufbruchsphase, die der mexikanischen Revolution folgte. Sie wurde bekannt als Mexikos erste weibliche Fotografin mit einer Schaffenszeit von mehr als 50 Jahren. Als sie und ihr Mann Manuel Alvarez Bravo (1902-2002) in den späten 20er Jahren zu fotografieren begannen, gab es kaum einen besseren Moment um Künstler zu werden. Mexikos neue sozialistische Regierung setzte sich vehement für mehr intellektuelle Freiheit und eine stärkere Rolle der Kunst ein. Die Künstler waren völlig frei in ihrem künstlerischem Ausdruck und Experimentieren und leisteten auf diese Weise einen grossen Beitrag für die Mexikanische Moderne. Lola Alvarez Bravo war eine enge Freundin Frida Kahlos und die bevorzugte Fotografin der mexikanischen Kulturelite, hauptsächlich für Porträts. Ihr Werk umfasst surrealistische und fantastische Sujets, sowie Szenen aus dem mexikanischen Alltagsleben. Mitte der 90er Jahre wurde sie in Mexiko mit einer grossen Retrospektive geehrt.

Mariana Yampolsky (1925-2002) wurde in den USA als Tochter eines russisch- deutschen Paares geboren und zählt heute zu den bedeutendsten Fotografinnen Mexikos. Sie war Lola Alvarez Bravos berühmteste Schülerin und gehört ebenso wie Tina Modotti zum einflussreichen Kreis der Fotografen, die den damaligen mexikanischen Alltag porträtierten. Ihr war Technik nicht wichtig, für sie zählten Gefühl und Engagement: „Man muss lieben, was man fotografiert!“ Aus diesem Credo entstand ein grosses Oeuvre über die Ursprünge und Traditionen der mexikanischen Kultur, über seine Bevölkerungsgruppen, deren Riten und Fiestas.

Tina Modotti (1896-1942)war Filmschauspielerin, Femme fatale, „Jeanne d`Arc mit Fotoapparat“. Bewundert und geliebt von Künstlern und Intellektuellen (Diego Riviera, Julio Antonio Mella, Pablo Neruda, Frida Kahlo) war Tina Modotti ein Idol der revolutionären Linken und der internationalen Arbeiterbewegung. Mit Edward Weston zog sie 1923 nach Mexiko. Stand ihm nackt Modell und lernte von ihm zu fotografieren. Sie wurde die bekannteste Dokumentarin der Werke Diego Rivieras und der revolutionären Bewegung Mexikos. Manuel Alvarez Bravo teilte Modottis fotografische Arbeit in die zwei Kategorien "romantisch" und "revolutionär." Die erste bezieht sich auf ihre Zeit als Westons Assistentin, Managerin und künstlerischen Partnerin. Gemeinsam eröffneten sie ein Porträtstudio in Mexiko City und wurden beauftragt durch ganz Mexiko zu reisen für Anita Bremmers Buch "Idols Behind Altars." In dieser Zeit wurde sie auch die favorisierte Fotografin für die aufblühende Mexikanische Wandmalerei Bewegung, indem sie die Arbeiten von José Clemente Orozco und Diego Rivera dokumentierte. Im Dezember 1929 wurde eine Ausstellung mit ihren Werken als "erste revolutionäre fotografische Ausstellung in Mexiko" gefeiert.

Letizia Battaglia (1938) wurde berühmt für ihren mutigen Kampf gegen die Mafia. 1974 begann sie als Fotochefin der linksgerichteten Tageszeitung L`Ora in Palermo die Verbrechen der sizilianischen Mafia zu dokumentieren. Sie fotografierte zahllose Verbrechen in den 80er Jahren, als Palermo eine der blutigsten Perioden in seiner Geschichte durchlebte, und wurde dafür immer wieder mit dem Tod bedroht. Battaglias Bilder spielten eine zentrale Rolle in der Antimafia-Kampagne, manche wurden als Beweismittel im Korruptionsprozess gegen Guiliano Andreotti verwendet, dem siebenmaligen Premierminister und mächtigsten Politiker Italiens.

Marilyn Bridges (1948) ist eine der weltweit führenden Luft-Fotografen. Die Arbeiten der Amerikanerin wurden in den Vereinigten Staaten, Europa, und Asien ausgestellt und finden sich in mehr als 50 wichtigen Sammlungen. Bridges schiesst ihre Fotos in der Regel von einem einmotorigen Flugzeug aus niedrige Höhe. Diese Perspektive zwingt den Betrachter, die Landschaft von einem ganz ungewohnten Standort wahrzunehmen. Mit ihren fotografischen Studien von historischen, sakralen und weltlichen Bauwerken auf der ganzen Welt und ebenso mit ihren manchmal fast melancholischen Aufnahmen von heutigen Kulturlandschaften, eröffnet Bridges einen nachdenklich machenden Dialog über die Zukunft der Menschheit.

Margaret Bourke-White (1904-1971). Ihre spektakulären Aufnahmen von Industrieanlagen stellten einen neuen fotografischen Zugang zur rasanten Wirtschaftsentwicklung der Vereinigten Staaten dar. In der ersten Nummer des LIFE-Magazins (November 1936) war sie mit dem Titelbild und der Titelstory über den Staudammbau des Fort Peck Lake in den USA vertreten. 1937 erschien ihr Bildband über die Lebensbedingungen der Feldarbeiter im Süden der USA. „You have seen their faces“ gilt als eines ihrer wichtigsten Werke. 1941 ging sie für LIFE nach Moskau. Während des deutschen Überfalls war sie die einzige westliche Fotoreporterin und dokumentierte vor allem die deutschen Luftangriffe auf Moskau. Als Fotografin der US-Luftwaffe war sie bei der Befreiung der Konzentrationslager in Deutschland anwesend - ihr Bild „Die lebendigen Toten von Buchenwald“ von 1945 ist eine der berühmtesten und beeindruckendsten Fotografien des 20. Jahrhunderts. 1946 fotografierte sie für LIFE eines ihrer bekanntesten Bilder: Mahatma Gandhi am Spinnrad.

Monique Jacot (1934) hat sich vor allem mit ihren engagierten Dokumentationen über den Alltag und die Arbeitsbedingungen von Frauen einen Namen gemacht. Die Schweizer Fotografin gehört zu den wenigen Frauen ihrer Generation, die über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich ihren fotografischen Weg verfolgt und sich in verschiedene Richtungen weiterentwickelt haben. Die Neuenburgerin bereiste zwischen 1956 und 1984 die Krisengebiete der Welt und hielt mit ihrer Leica Königspaläste ebenso fest wie Slums, Prunk und Armut. Mit grossem Engagement hat Monique Jacot seit den 80er-Jahren den Alltag der Frauen in der Schweiz dokumentiert. Mit der Trilogie der Bäuerinnen, der Fabrikarbeiterinnen und später der protestierenden Frauen in den 90ern gelingt es ihr, eine persönliche Handschrift mit dem teilnehmend-dokumentarischen Anspruch der Reportage zu verbinden. 2005 widmete ihr die Fotostiftung Winterthur eine grosse Retrospektive.

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Berenice Abbott, Letizia Battaglia, Margaret Bourke-White, Lola Alvarez Bravo, Marilyn Bridges, Monique Jacot, Tina Modotti, Mariana Yampolsky