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WYHIWYG. THOMAS KÖNER, JAMES WEBB, JACOB KIRKEGAARD
29. Apr 2017 16. Jul 2017
ERÖFFNUNG: FREITAG, 28. April 2017, 19 UHR

Die Ausstellungsreihe WYHIWYG widmet sich den Möglichkeiten der Produktion und Rezeption von Sound. Gemäß dem Akronym und Motto »What You Hear Is What You Get« (»Was du hörst, ist was du bekommst«) präsentiert WYHIWYG klangliche Ausdrucksformen in Studioqualität. Der Ausstellungsraum wird zum Resonanzraum für aktuelle Kompositionen elektronischer Musik, dokumentarische Klangaufnahmen und akustische Analysen internationaler Künstler. Die Basis dafür bildet ein auf die Architektur angepasstes, modulares Soundsystem. Künstlergespräche vertiefen die in vierwöchigem Rhythmus wechselnden Beiträge.

Zu der Ausstellung erscheint eine 24-seitige Broschüre (Deutsch-Englisch) mit weiterführenden Texten von Judith Hessler und Thomas Thiel (ISBN 978-3-941735-39-2).

Kurator: Thomas Thiel

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JACOB KIRKEGAARD
»EUSTACHIA - FOR 18 EARS«
22. JUNI - 16. JULI 2017

Inspiriert von der unbegrenzten Vielfalt akustischer Phänomene zeichnet der dänische Klangkünstler Jacob Kirkegaard vermeintlich verborgene Stimmen und Geräusche aus Natur und Alltag auf. In Kombination mit unterschiedlichen Medien führt er einzelne Soundelemente auf ihre ursprünglichen Herkunftsorte zurück und erschafft damit auditive Porträts dieser Orte. In seinen Klangcollagen überlagert er seine Aufnahmen und transformiert sie zu vielschichtigen Kompositionen, die erzählerische Momente entwickeln. In einer Reihe von Kompositionen und Installationen hat Kirkegaard mit Aufnahmen menschlicher Ohrgeräusche gearbeitet. Damit macht er nicht nur Unhörbares hörbar, sondern verwischt auch die Grenze zwischen Kunstwerk und Rezipient. Der Besucher wird zum aktiven Hörer seiner eigenen Wahrnehmung.

Im dritten und letzten Teil der Ausstellungsreihe WYHIWYG präsentiert der Bielefelder Kunstverein erstmals die achtkanalige Komposition »Eustachia – For 18 Ears« (2017) des dänischen Künstlers Jacob Kirkegaard. Diese neue Soundinstallation basiert auf Geräuschen des menschlichen Innenohrs. Die schwachen, aber beständigen Töne werden als spontane, otoakustische Emissionen (OAE) bezeichnet und unabhängig von äußeren Einflüssen in den Ohren nur weniger Menschen erzeugt. Dabei können die Töne des einen Ohrs als dissonant, kleinteilig und komplex empfunden, während die des anderen Ohrs als harmonisch und stimmig wahrgenommen werden. Jedes Ohr produziert praktisch einen akustischen Fingerabdruck.

Die für »Eustachia - For 18 Ears« von Jacob Kirkegaard aufgenommenen und verstärkten Innenohrgeräusche entstammen 18 Ohren und neun verschiedenen Personen. Die im Bielefelder Kunstverein auf zwei miteinander verbundene Räume verteilten acht Lautsprecher geben den Zuhörern nun die Möglichkeit, zwischen den Räumen wie zwischen den Aussendungen des rechten und des linken Ohrs zu wechseln und eine sonst verborgene Form der individuellen akustischen Wahrnehmung zu erleben.

Der 1975 in Dänemark geborene Jacob Kirkegaard hat seine Werke in internationalen Institutionen und auf zahlreichen Festivals gezeigt, u.a. im MoMA in New York (USA, 2013), im Mori Art Museum in Tokio (Japan, 2014), im Louisiana - Museum of Modern Art in Humlebæk (DK, 2016) und im ARoS in Aarhus (DK, 2017).

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JAMES WEBB
»IF YOU SHOUTED INTO THE NIGHT, WHAT DO YOU THINK THE NIGHT WOULD SHOUT BACK IN RESPONSE?«
24. MAI - 18. JUNI 2017

Die Soundinstallationen von James Webb berühren politische, soziale und emotionale Themen mit subtiler Direktheit. Der südafrikanische Künstler bespielt beispielsweise einen Raum mit Gebeten aller Religionen in der Stadt, um ein bewegliches Archiv gegenwärtiger, multireligiöser Gebetspraktiken zu schaffen (Prayer, seit 2000, fortlaufend), oder versteckt Lautsprecher in heimischen Baumarten, um nahezu unbemerkt die Lieder exotischer Vögel in den öffentlichen Raum einzuschleichen (There’s No Place Called Home, seit 2005, fortlaufend). Dafür verwendet er inhalts- und assoziationsgeladene Geräusche, mit denen er mittels tonaler und rhythmischer Wiederholungen, Steigerungen und Verdichtung Glaubensfragen und Kommunikationsstrategien auf die Probe stellt. In seinen Arbeiten setzt Webb eine Vielzahl an Medien ein, die auch Radio-Übertragungen, live Performances oder ortsspezifische Interventionen ermöglichen. Dabei bezieht er sich sowohl auf Aspekte konzeptualistischer und minimalistischer Traditionen, als auch auf seine Studienfächer Kommunikation, Theaterwissenschaften und Vergleichende Religionswissenschaften.

Im zweiten Teil der Ausstellungsreihe WYHIWYG präsentiert der Bielefelder Kunstverein erstmals die mehrkanalige Soundinstallation »If you shouted into the night, what do you think the night would shout back in response?« (2017) des südafrikanischen Künstlers James Webb. Der Titel entspringt einer Zeile des aktuellen Radiohörspiels »The War Of The Worlds«, das Webb zusammen mit Louis Viljoen verfasst und kürzlich im Rahmen des Radioprojekts der Documenta 14 veröffentlicht hat. Die Soundinstallation »If you shouted into the night, what do you think the night would shout back in response?« (Dauer: 2:40:46) besteht aus acht unterschiedlichen und synchronisierten Radioübertragungen, die während der „South African State of the Nation address (SoNA)“ des Präsidenten Jacob Zuma am 12. Februar 2015 aufgenommen wurden. Die einzelnen Audiospuren machen lokale wie nationale, staatliche wie freie Radiosender, ebenso wie das elektromagnetische Rauschen signalfreier Frequenzen hörbar. Die SoNA ist eine besondere Versammlung des südafrikanischen Parlaments, die jährlich vom Präsidenten der Republik einberufen wird. Vor dem Hintergrund bundesweiter Proteste, dem umstrittenen Einsatz von Störsendern im Parlament, der Anwesenheit von Sicherheitspolizei und handgreiflichen Auseinandersetzungen bei Ausschluss einer Partei kam es 2015 mehrfach zu Unterbrechungen der SoNA. Eine überregionale Zeitung sprach anschließend vom „Tag an dem das Land zerbrach“ („the day our country broke“, Ranjeni Munusamy, Daily Maverick, 13. Februar 2015). Ein großzügigerer Bericht urteilte, dass die SoNA in Hinsicht auf den Unterhaltungswert für Millionen von Südafrikanern in 2015 sicherlich nicht enttäuscht hat. (Vgl. Phumlani Pikoli, EWN, 12 February 2015, www.ewn.co.za).

Die Arbeit bietet dem Zuhörer an, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen und ermöglicht damit, das historische Ereignis zu prüfen und zu hinterfragen. Aufgrund von Sendeverzögerungen der einzelnen Radiostationen und im Zusammenspiel der einzelnen Aufnahmen entwickelt die Soundinstallation einen Echoeffekt, der in seiner Vielstimmigkeit die politischen Störungen der Nationalversammlung akustisch betont.

James Webb, 1975 in Kimberley (ZAF)geboren, war in den letzten Jahren mit seinen Arbeiten in zahlreichen Ausstellungen und Institutionen vertreten, darunter die 9. Biennale für zeitgenössische Kunst in Lyon (F, 2007), die 55. Biennale in Venedig (I, 2015), die 12. Biennale von Habana (Cub, 2015) und aktuell die 13. Sharjah Biennale (ARE, 2016-17). Zuletzt waren Einzelausstellungen im Yorkshire Skulpturen Park in Wakefield, in der Galerie Imane Farès in Paris und bei Blank Projects in Kapstadt (alle 2016) zu sehen.

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THOMAS KÖNER
»EVAKUATION«
29. APRIL - 21. MAI 2017

Zahlreiche Musikprojekte des Live-Performers, Komponisten und Produzenten Thomas Köner entstehen auf Reisen. Auf der ganzen Welt zeichnet er ortsspezifische Klänge und Geräusche auf, übersetzt sie unter Verwendung elektronischer wie analoger Instrumentare in melodische Kompositionen und experimentelle Klangflächen. Dabei bewegen sich seine Klanglandschaften jenseits von Genre-Grenzen. In seinen »begehbaren Partituren« verbinden sich zeitliche und räumliche Gegensätze wie Nähe und Distanz oder Vertrautes und Fremdes zu einem heterofonen Resonanzraum. Köner geht es um die Artikulation einer Hörerfahrung, die außerhalb der Begrifflichkeiten von Musik liegt. Denn nur die Klangfarbe schafft es eine Interaktion zwischen Lautsprecher und dem Bewusstsein des Hörers herzustellen.

Die Sound- und Videoinstallationen von Thomas Köner, 1965 in Bochum geboren, wurden u.a. bei der 5. International Media Art Biennale im Seoul Museum of Art (KOR, 2008), im Centre Pompidou in Paris(F, 2008, 2009), auf der Transmediale in Berlin (2009) und im Museo Nacional de Bellas Artes in Santiago de Chile (CHL, 2010) gezeigt. Seit Beginn der 1990er Jahre hat Köner neben seinen Installationen die Musik zu mehreren Filmen komponiert und zahlreiche Radioproduktionen und Alben veröffentlicht, u.a. als Teil der Band Porter Ricks.