press release only in german

Yves Klein (1928–1962) zählt heute zu den wichtigsten und originärsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sein in nur sieben Jahren entstandenes, vielfältiges Œuvre nahm zahlreiche Tendenzen wie Happening und Performance, Land- und Body-Art sowie Elemente der Konzeptkunst vorweg und beeinflusst die Kunst bis heute nachhaltig. Seine vielschichtige Persönlichkeit, die zwischen extremer Konzentration und völliger Grenzenlosigkeit changierte, spiegelt sich auch in seinem Werk, für das Monochromie und Figuration oder Spiritualität und Theatralik keine Gegensätze bilden. Vielmehr dienen sie Kleins übergeordnetem Ziel: dem Erfassen des Lebens mit den Mitteln der Kunst. Die Retrospektive zeigt Hauptwerke aus allen Phasen: die ersten farbigen Monochrome in Orange, Gelb, Grün, Rosa, Schwarz und Weiß, die berühmten blauen Monochrome sowie die Schwammreliefs und -skulpturen, die viel debattierten Anthropometrien, in denen er weibliche Modelle als "lebende Pinsel" einsetzte, die "Monogolds" sowie seine letzten Experimente mit Feuer und Elementen der Natur. Die über 100 Werke kommen aus internationalen Museen wie dem Centre Pompidou in Paris, dem Stedelijk Museum Amsterdam, der Fondación del Museo Guggenheim Bilbao, der Menil Collection in Houston sowie zahlreichen privaten Sammlungen.

Olivier Berggruen und Ingrid Pfeiffer, Kuratoren der Ausstellung: "Kleins berühmtes Foto ‚Sprung in die Leere‘, das ihn über einer Straße schwebend zeigt, ist ein Symbol für den Wunsch nach der Aufhebung der Schwerkraft. Darin manifestiert sich Kleins Wille zur Grenzüberschreitung, die sich durch sein gesamtes Werk zieht. Die Ausstellung möchte die ungemeine Vielfalt und den visionären Charakter des als ‚Yves, Le Monochrome‘ in die Geschichte eingegangenen Künstlers vor Augen führen. Einen Aspekt bildet dabei die Beziehung Yves Kleins zu Deutschland, für deren Darstellung zahlreiche Zeitzeugen befragt wurden und für die es gelang, neues und unpubliziertes Material zu sichern."

Max Hollein, Direktor der Schirn: "Kleins Werk vereint Moderne und Postmoderne und bildet insofern auch die Demarkationslinie zwischen beiden ab: Einerseits verweisen seine Selbstaussagen und sein ‚universeller‘ Anspruch noch auf die moderne Avantgarde von Mondrian bis Malewitsch, andererseits negierte und unterlief Klein schon das klassische Kunstwerk, löste es auf in der Aktion und stilisierte sich als Künstlerpersönlichkeit in einer Weise, die die Strategien Andy Warhols oder Joseph Beuys’ vorwegnahm. Die minutiöse Inszenierung und die Orchestrierung der Rezeption ebenso wie seine Verbindung von Kunst und Wissenschaft machen ihn zu einer heute aktuellen Künstlerpersönlichkeit."

Die Ausstellung wurde durch die großzügige Unterstützung der Peugeot Deutschland GmbH ermöglicht. Besonderer Dank gebührt dem persönlichen Engagement von Olivier Veyrier, Geschäftsführer von Peugeot Deutschland. Als zusätzliche Sponsoren konnten die Hessische Kulturstiftung, die BASF Aktiengesellschaft, das Novotel Frankfurt City West, das Mercure Hotel Residenz Frankfurt und die Druckhaus Becker GmbH gewonnen werden.

Yves Klein begann seine berufliche Laufbahn trotz seines von Kunst geprägten Elternhauses – er wurde 1928 in Cagnes-sur-Mer als Sohn von Fred Klein, einem figurativen Maler, und Marie Raymond, einer abstrakten Malerin in der Tradition der Ecole de Paris, geboren – als Judoka. Seine intensive Beschäftigung mit der Philosophie und Praxis des asiatischen Kampfsports, den er unter anderem fünfzehn Monate am renommierten Kodokan-Institut in Tokio studierte, prägte seinen Kunstbegriff nachhaltig. Kodokan-Judo ist stark an die Philosophie des Zen angelehnt und steht für die Verbindung von Körper und Geist, die Steigerung der Aufnahmefähigkeit, das Streben nach einem Zustand der Leere sowie nach vollkommener Harmonie mit dem Dasein. Zudem beschäftigte sich Klein seit seiner Jugend mit den mystisch-christlichen Lehren der Rosenkreuzer. Seine zeitlebens starke Affinität zum Ritual und die Thematisierung von Immaterialität und Leere sind dabei nicht dogmatisch an religiöse Grundsätze gebunden, bringen jedoch seine Beschäftigung mit spirituellen Themen zum Ausdruck.

Den ersten offiziellen Auftritt als bildender Künstler hatte Klein 1955 mit der Einreichung seines Monochroms "Ausdruck der Welt in der Farbe Bleiorange" für den Salon des Réalités Nouvelles. Das Bild wurde vom Salon mit der Begründung abgelehnt, dass eine Einzelfarbe für die Konstruktion von Malerei nicht hinreichend sei. In der Schirn-Retrospektive wird es im ersten Saal mit einer Reihe früher Monochrome in den Farben Gelb, Weiß, Schwarz, Rot, Rosa und Grün gezeigt. Klein ersetzte bereits von Anfang an den Pinsel durch die Rolle, um beim Auftragen der Farbe keine Hinweise auf die Hand des Künstlers zu geben. Umso größer ist die Bedeutung der Farbe. Kleins Farbtafeln wollen nicht als Flächen verstanden werden, sondern als pulsierende Farbfelder, die unbegrenzt vom Bildrand in den Raum übergreifen. Farbe war für Klein "materialisierte Sensibilität". In ihr manifestiert sich sein Streben nach Erweiterung einer rein visuellen Wahrnehmung zu einem umfassenden Konzept der sinnlichen Erfahrung. Er forderte sein Publikum auf, in den unendlichen Raum der Farbe einzutauchen und eine allgemeine Sensibilisierung für das Immaterielle zu erfahren.

Eine besondere Rolle weist Klein der Farbe Blau zu, die für ihn die abstraktesten Aspekte der fassbaren und sichtbaren Natur – wie Himmel und Meer – verkörperte. Klein hatte lange nach einem seinen Vorstellungen entsprechenden Blau gesucht und nach einem Bindeverfahren, das die ursprüngliche Strahlkraft des Pigments erhielt. Das schließlich ab 1956 mit der Hilfe eines Chemikerfreundes entwickelte und patentierte "I.K.B. – International Klein Blue", ein durchdringendes Ultramarinblau, wurde fortan zu seinem Markenzeichen. Kleins in Einzelausstellungen von Mailand über Paris, Düsseldorf und London gezeigte monochrome Arbeiten, Skulpturen und Aktionen machten ihn schlagartig zu einem international bekannten Künstler. Seinem aktionistischen Charakter entsprechend wurden bei den Eröffnungen, die Klein stets zu spektakulären Kunstereignissen geraten ließ, blaue Cocktails gereicht; in Paris stiegen, im Bestreben, die blaue Sensibilität auf die gesamte Bevölkerung auszudehnen, 1001 blaue Luftballons in den Himmel. In seinen utopischen Projekten ging der Künstler noch einen Schritt weiter: Seine "Blaue Revolution" sah die gesamte Oberfläche Frankreichs als Malgrund vor.

In der Ausstellung ist ein weiterer Raum blauen, gleich großen und sehr ähnlichen Monochromen aus dem Jahr 1957 gewidmet, die Klein – und das kann wiederum als ein konzeptioneller Ansatz verstanden werden – als höchst verschieden ansah und zu unterschiedlichen Preisen verkaufte. Ein dritter großer Bereich zeigt die vielgestaltigen und eindrucksvollen Körperabdrücke, die "Anthropometrien", in denen die "lebenden Pinsel" unter Anleitung des Künstlers ihre Spuren auf den Leinwänden hinterließen, als statische und dynamische Form, als Gruppe oder einzeln, in Blau, Gold und Pink. Zu den bekanntesten Werken, denen der nächste Ausstellungsbereich gewidmet ist, zählen die blauen und rosafarbenen Schwammreliefs und -skulpturen, die Klein in Folge der Gestaltung der monumentalen blauen Schwammreliefs für das Foyer des Theaters in Gelsenkirchen geschaffen hat. Aus der Auseinandersetzung mit Fragen der Architektur und in Zusammenarbeit mit dem deutschen Architekten Werner Ruhnau entstand auch eine große Zahl visionärer Entwürfe zur "Luftarchitektur". Ebenso radikal wie Kleins architektonische Idee, Wände durch Luftströme zu ersetzen, war sein Raum "Le Vide", die Leere, den er in seiner Pariser Galerie 1958 zeigte. Hier geht Klein noch einen Schritt über die Monochrome hinaus. In der völlig leer geräumten Galerie bringen die vom Künstler mit weißer Farbe bemalten Wände den Besucher in direkten Kontakt mit einem sensibilisierten und sensibilisierenden Raum. Die Kunst erscheint hier nicht mehr als Objekt, sondern nur mehr in Form einer malerischen Präsenz, die im Raum wahrgenommen wird. "Le Vide" wird in der Ausstellung in Form eines Films, der Klein vor den weißen Wänden zeigt, repräsentiert.

Ab 1960 widmete sich Klein verstärkt dem Medium Feuer als Ausdruck elementarer Energie. Die Feuerbilder, die im fünften Raum vorgestellt werden, entstanden in spektakulären Aktionen und wurden oft mit Farbe und Körperabdrücken kombiniert. Kosmogonien und so genannte "Planetarische Reliefs" sind Spiegel für Kleins kosmologisches Weltbild und weitere Experimente mit Naturelementen wie Regen, Wind und Sturm, deren Spuren er auf Leinwand oder Papier fixierte. Einen letzten Höhepunkt stellt der siebte Raum mit raumfüllenden goldenen Monochromen (Monogolds) und einer "Kapelle" aus großformatigen späten blauen Monochromen (I.K.B.s.) dar. Sie zählen zu den letzten Arbeiten des Künstlers. Klein starb 1962 im Alter von 34 Jahren an den Folgen seines dritten Herzanfalls. Sein kurzes Leben verdichtet sich in seiner Kunst, die vom Streben nach dem Erfassen des Immateriellen bestimmt ist, oder, wie Klein sich ausdrückte: "Meine Bilder sind die Asche meiner Kunst."

Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog, der die aktuellen Erkenntnisse der Klein-Forschung vereint. An das ganz junge Publikum richten sich ein im Hatje Cantz Verlag erscheinendes Kinderbuch von Nina Hollein, das die Geschichte des Tagträumers Yves erzählt, sowie ein von der Schirn herausgegebener Schülerguide von Petra Skiba. SCHIRN CONNECTED, das Programm für Schüler, Kinder und Familien, bietet auch zu dieser Ausstellung Kinderstunden, Familienworkshops, Führungen und Ferienprogramme an.

KATALOG: Yves Klein. Hg. von Olivier Berggruen, Max Hollein und Ingrid Pfeiffer. Mit einem Vorwort von Max Hollein und Texten von Nuit Banai, Olivier Berggruen, Paolo Bianchi, Frédérick Migayrou, Elena Palumbo-Mosca, Hans Paessler, Ingrid Pfeiffer, Jean-Michel Ribettes, Nicole Root und Günther Uecker. Deutsche und englische Ausgabe, ca. 280 Seiten, ca. 130 Farb- und 60 Schwarzweißabbildungen, ISBN 3-7757-1446-4 (deutsch), ISBN 3-7757-1447-2 (englisch), Hatje Cantz Verlag.

only in german

Yves Klein Retrospektive
Kuratoren: Olivier Berggruen, Ingrid Pfeiffer