artists & participants
press release only in german
Buchstaben, Worte und Texte in Kombination mit Bildern begegnen uns täglich in vielfältigen Ausprägungen. Spätestens seit den Avantgarde-Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts ist Schrift auch für unzählige Kunstschaffende ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Die Städtische Galerie Karlsruhe widmet sich nun diesem vielseitigen Thema mit einer eigenen Ausstellung. Gezeigt werden rund 90 Werke aus den Bereichen Malerei, Grafik, Collage, Skulptur, Objekt und Installation von über 40 größtenteils international renommierten Künstlern und Künstlerinnen.
Im Fokus der Präsentation steht der Zeitraum von den 1960er Jahren bis heute. Zu sehen sind u. a. Arbeiten von Franz Ackermann, Saâdane Afif, Richard Artschwager, Robert Barry, Jean-Michel Basquiat, Joseph Beuys, Matthias Bitzer, Jenny Holzer, Roni Horn, Martin Kippenberger, Harald Klingelhöller, Joseph Kosuth, Jonathan Monk, Tobias Rehberger, Kay Rosen, Ed Ruscha, Kurt Schwitters, Rémy Zaugg oder Heimo Zobernig. Von den Künstlern Alexandre Singh, David Godbold und Lawrence Weiner sind eigens für diese Schau realisierte Wandarbeiten zu sehen. Ziel der Ausstellung ist es aufzuzeigen, wie facettenreich und differenziert Sprache und Schrift heute als künstlerisches Material genutzt werden.
"Typografie kann unter Umständen Kunst sein". Der Künstler und Grafikers Kurt Schwitters schrieb diesen Satz 1930 und machte damit deutlich, dass der Gestaltung von Schrift zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine gesteigerte Aufmerksamkeit zukam. Mit der Moderne entwickelte sich eine zunehmende Durchdringung von Literatur, Gebrauchsgrafik und bildender Kunst: Immer mehr Künstler und Künstlerinnen nutzten Buchstaben, Zahlen und Ziffern als gestalterisches Element in ihren Werken, während Dichter ihre Texte wie Kunstwerke arrangierten. Den Ausgangspunkt des Ausstellungsrundgangs bilden daher zwei Werke: Eine Collage von Kurt Schwitters aus dem Jahr 1930 und das Gemälde "Un Coup de Dés" von Marcel Broodthaers von 1969, das eine Hommage an den Schriftsteller Stephane Mallarmé ist. Der Dichter gilt als einer der ersten Künstler, der in seinen Poemen Buchstaben auch als gestalterisches Element einsetzte.
Im ersten Raum der Ausstellung stehen Arbeiten der 1960er Jahre im Fokus, da für die Avantgarde-Bewegungen in diesem Zeitraum, für Pop Art, Nouveau Realisme, Fluxus und Konzeptkunst, Sprache und Text eine neue Bedeutung erhielten. Kennzeichnend für das künstlerische Schaffen dieses Jahrzehnts ist eine radikale Anti-Kunst-Geste. Hier zeigt sich besonders eindrücklich, wie unterschiedlich der Umgang mit Schrift in der bildenden Kunst letztlich ist. Kunstschaffende wie Robert Indiana, Ed Ruscha oder Jasper Johns ließen sich von Produkten der Alltagswelt oder der Werbung inspirieren, wodurch sich die Diskrepanz zwischen "High" und "Low Culture" verschiebt. Andere Kunstschaffende verließen das Museum, wie etwa Jochen Gerz, der mit Schrift und Sprache im öffentlichen Raum arbeitet oder aber Joseph Beuys, der durch seine Aktionen und Performances den Aktionsradius der Kunst erweiterte. Eine besondere Rolle im Verhältnis von Schrift und Bild kommt der Konzeptkunst zu. Beeinflusst von der Linguistik und Semiotik sowie der Philosophie Ludwig Wittensteins stellen u.a. Jasper Johns, Robert Barry und Joseph Kosuth die Frage nach der Essenz von Kunst neu, indem sie - via Schrift - die Idee und Wirklichkeit eines Kunstwerkes in den Vordergrund rücken. Im Lichthof der Städtischen Galerie wird anschließend die Wiederkehr des Malerischen in der Kunst fokussiert. Bei Künstlern wie Anselm Kiefer oder Dieter Krieg manifestiert sich Sprache in Form von Handschrift oder gestischem Duktus, wodurch die Individualität des Künstlers und der Subjektcharakter der Malerei verdeutlich wird.
Oft kommt der Sprache dabei eine kommentierende Funktion zu: Wie reflektiert sich Malerei selbst, wie ihre Quellen und wie die Kunstgeschichte? Diese Fragen stellten sich unter anderem Jean-Michel Basquiat, Sigmar Polke, Rémy Zaugg und Georg Herold. Gerade in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt sich, dass die Grenze zwischen Bild und Sprache, Visuellem und Verbalem, nicht eindeutig ist und sich über die Jahrzehnte hinweg wandelt. Text wird zum eigenständigen Bildmedium, kann kommentieren, wird konzeptualisiert, zum Gestus oder zum allgemeinen Sinnbild. Eine Eingrenzung des Ausstellungsthemas ist daher schwierig. Aus diesem Grund wurden die Exponate für die Städtische Galerie Karlsruhe nach zwei Kriterien ausgewählt. Zum einen handelt es sich hierbei um Werke, die Typografie als sinnlich erfahrbares Element einsetzen. Zum anderen werden Arbeiten gezeigt, die sich der Literatur als Quelle bedienen.
Bei den ausgestellten zeitgenössischen Positionen lässt sich feststellen, dass die Auseinandersetzung mit Musik, Literatur und Geschichte zu multimedialen Werkgruppen führen kann, etwa bei Skafte Kuhn, Thomas Locher oder Saâdane Afif. Der französische Künstler agiert in seinen Arbeiten häufig in der Rolle eines Regisseurs, indem er befreundete Künstler, Kuratoren und Kritiker beauftragt, Texte zu schreiben, die er daraufhin in andere Medien überführt. Damit berührt er die hochaktuelle Frage der Autorschaft, die auch bei anderen Künstlern und Künstlerinnen mitschwingt, etwa bei David Godbold, der Texte und Bilder aus sehr unterschiedlichen Quellen kombiniert und diese zusätzlich durch Neon-Schrift ergänzt. Auch Matthias Bitzer, Alexandre Singh und Sam Durant zitieren und kombinieren Elemente verschiedenster, auch nicht künstlerischer Herkunft und kommentieren damit die Digitalisierung und Vernetzung der heutigen Zeit. Sie machen deutlich, dass die Kommunikationswege in unserer globalen Welt durchaus komplex und kompliziert sind.
Diese Verstrickungen sind auch das Thema der Kunst Franz Ackermanns, die sich zwischen Popästhetik und gesellschaftskritischem Inhalt bewegt. Ähnliches ist bei den Werken Jenny Holzers zu beobachten, deren Arbeiten auf den ersten Blick wie monochrome Gemälde wirken, sich bei genauerer Betrachtung aber als übermalte Geheimdokumente der US-amerikanischen Regierung herausstellen. Damit zeigt sich, dass der Umgang mit Sprache in der Kunst hoch aktuell ist und immer neue Manifestierungen und Materialisierungen findet. So bietet die Schau auch Raum zur Reflektion über die Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Sprache und ihrer Bedeutung für unser Leben.
only in german
Zeichen. Sprache. Bilder -
Schrift in der Kunst seit den 1960er Jahren
Künstler:
Franz Ackermann, Saadane Afif, Richard Artschwager, Robert Barry, Jean-Michel Basquiat, Joseph Beuys, Matthias Bitzer, Jenny Holzer, Roni Horn, Martin Kippenberger, Harald Klingelhöller, Joseph Kosuth, Ferdinand Kriwet, Thomas Locher, Jonathan Monk, Tobias Rehberger, Kay Rosen, Ed Ruscha, Kurt Schwitters, Rémy Zaugg, Heimo Zobernig, Alexandre Singh, David Godbold, Lawrence Weiner...