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21.10.2009, Nachruf und Veröffentlichung einer Bilderstrecke mit Fotos von Werken Nancy Speros mit freundlicher Genehmigung der Barbara Gross Galerie, München

Die amerikanische Künstlerin Nancy Spero ist am Sonntag, den 18. Oktober 2009 mit 83 Jahren in New York gestorben. Sie gilt als eine der einflussreichsten Künstlerinnen, die einen kritischen Diskurs in der Kunst führte und ein signifikantes Werk aus dem Blickwinkel der Frau schuf. Ihre Karriere durchlief viele künstlerische Epochen von der Konzeptkunst bis zur Postmoderne.

Nancy Spero wurde 1926 in Cleveland geboren. Sie studierte am Art Institute of Chicago und an der Ècole des Beaux-Arts in Paris. Nach einem kurzen Aufenthalt in Italien zog sie 1959 nach Paris, wo sie bis zu ihrem Umzug nach New York 1966 lebte. In Europa entstanden ihre Black Paintings - dunkle, figurative, expressive Malerei, die mit dem Zeitgeist der existenzialistischen Philosophie und ihrer eigenen Befindlichkeit als Künstlerin korrespondierten. Die Bilder sind Ausdruck ihres ersten Widerstands gegen die vorherrschenden Konventionen der männlich geprägten Kunstwelt.

Ihre Rückkehr in die USA fällt mit dem Höhepunkt des Vietnamkriegs und der Bürgerrechtsbewegung zusammen. In diesem aufgeladenen Klima entsteht ihr politisches und feministisches Engagement und ihre grundlegende neue ästhetische Bildform: das Arbeiten auf fragilem Papier, wofür Nancy Spero seither bekannt ist.

Die War Series sind ihre ersten berühmten Arbeiten, die jedoch damals kaum wahrgenommen und erst mit ihren großen Retrospektiven und auf der Dokumenta X, 1997 bekannt wurden. In den War Series überführt Nancy Spero die monströse Todesmaschine des Krieges in eine brutal obszöne Ikonografie. Sie stellt sowohl Täter als auch Opfer dar. Helikopter und Bombe, Hakenkreuz und christliche Symbolik entblößen den Zusammenhang von Macht und Sexualität.

Nach den War Series entstehen die Artaud Paintings und der Codex Artaud. Beides sind Werke, die sich auf den französischen Schriftsteller Antonin Artaud beziehen. Spero sieht eine Verbindung zwischen Artauds Sprache und ihrem Gefühl des Sprachverlusts, "loss of tongue", als Künstlerin in einer von Männern dominierten Kunstwelt. Ihre besondere Erfindung ist der Bild- und Textdialog, indem sie emblemartige Figuren mit maschinengeschriebenen Textfragmenten auf horizontalen und vertikalen Papierbahnen collagiert. Die Form der Schriftrolle bestimmt auch die weitere Entwicklung ihres Werkes, fortgesetzt in Homagen an misshandelte und ermordete Frauen, deren berühmteste Beispiele die mehrteiligen Bildserien Notes in Time on Women, 1979 (Museum of Modern Art, New York) und Torture of Women, 1976 (National Gallery of Canada, Ottawa) sind.

Erst in späteren Jahren lässt Nancy Spero die Frau mit dem Körper in Bewegung triumphieren. Auf Papierbahnen in monumentaler Länge, wie in einem ihrer letzten Werke Azur, 2002 (Centre Pompidou, Paris) tanzen Frauen aus Gegenwart und Geschichte, stellen identitätsstiftende weibliche Lebensentwürfe dar.

Nancy Spero wurde in Deutschland durch ihre Ausstellungen im Haus am Waldsee, Berlin und im Bonner Kunstverein 1990, sowie in den Staatlichen Antikensammlungen und der Glypthothek in München 1991 und im Ulmer Museum 1992 bekannt. Anfang 2009 erhielt sie den Herbert-Boeckl-Preis 2009 für Internationale Malerei. Zeitgleich widmete ihr das Museum der Moderne Salzburg eine Ausstellung: Nancy Spero: Women as Protagonist. 2008 organisierte das Museu d'art Contemporani Barcelona in Spanien eine umfassende Retrospektive: Nancy Spero: Dissidances. Die Ausstellung wanderte anschließend ins Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia in Madrid, und ins Centro Andaluz de Arte Contemporáneo in Sevilla. Das Centre Georges Pompidou in Paris wird 2010 eine große Retrospektive präsentieren.

Nancy Spero war über fünfzig Jahre mit dem Künstler Leon Golub (1922 - 2004) verheiratet, gemeinsam zogen sie drei Söhne auf.

Barbara Gross