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Die Umkehrung von Größenverhältnissen, die Miniaturisierung und das kleine Format sind in der bildenden Kunst und Literatur seit jeher Mittel der Verfremdung, um menschliche Werte und das sich wandelnde gesellschaftliche Selbstverständnis zum Ausdruck zu bringen. Bereits in den Wunderkammern der Renaissance trifft man auf Fantasiewesen, Memento Mori-Darstellungen, Miniaturkunst wie auch wissenschaftliche Apparaturen und Naturalien, in denen das Wissen der Zeit als enzyklopädische Universalsammlung dargeboten wurde. Auch in den nachfolgenden Jahrhunderten bildeten komprimierte Welten wie Tabletop, Diorama, Puppenhaus oder Modelleisenbahn Denk- und Anschauungsmuster, in denen Fantasie und Realität miteinander verschmolzen. Die Besonderheit der Darstellung solcher 'Weltmoleküle' ist auch in der zeitgenössischen Skulptur ungebrochen. Im bildhauerischen Repertoire der Gegenwart schließt sich nicht nur thematisch, sondern auch formal der Kreis zu historischen Vorläufern wie Wunderkammer und Diorama.

Angesichts unserer globalen und komplexen Lebenswelt gewähren kleinformatige und kleinmaßstäbliche Kunstwerke einen zugespitzten, da verknappten und zugleich konzentrierten Blick auf die Realität. Verbinden sich mit dem kleinen Format zuweilen kindliches Staunen oder 'Heile Welt- Gedanken', kontrastiert in den ausgewählten Positionen Spielerisches und Kurioses mit drastischen Darstellungen kollektiver wie individueller Abgründe.

Mit Werken von etwa 50 internationalen Künstlerinnen und Künstlern zeigt die 11. Triennale Kleinplastik Fellbach überwiegend aktuelle Werke mit für die Ausstellung neu produzierten Arbeiten neben älteren Werken und historischen Referenzobjekten, um das 'Kleine' in seinem ästhetischen Eigenwert und mit seinen inhaltlichen Möglichkeiten aufzuzeigen. Neben Skulpturen und Skulpturenensembles werden Videos und Filme ausgestellt, deren Protagonisten Knet- und Marionettenfiguren sind. Das Verhältnis von Form und Maß(stab), die Ausdrucksmöglichkeiten von Material, dessen Stofflichkeit und Haptik sowie das Spektrum an Präsentationsmöglichkeiten - ergänzend zum klassischen Skulpturensockel - bilden dabei eine eigene künstlerische Qualität.

LARGER THAN LIFE – STRANGER THAN FICTION zeigt den Menschen in seinem Lebensumfeld, den multiplen sozialen und inneren Beziehungsgefügen, deren Fragilität vor allem in Brüchen und Widersprüchen zutage tritt. Ausgehend von einer äußeren Sicht auf das Menschsein arbeitet sich die Ausstellung von der Welt als Ganzem über die Natur, urbane Lebenswelten und ihre Bewohner bis zu verborgenen Innenwelten vor.

Mit Mitteln der Erzählung, Metapher oder Allegorie sowie Symbol und Metonymie fungieren die Arbeiten als Pars pro toto für verschiedenartigste Sichtweisen auf die Welt, ihre Mythen und Historie. Vom Fundstück bis zum technisch aufwendig hergestellten Objekt, präsentiert in Guckkästen, Installationen und begehbaren Räumen entfaltet LARGER THAN LIFE – STRANGER THAN FICTION facettenreiche Perspektiven, in denen vertraute Dinge durch Proportionsverschiebungen reizvolle, befremdliche oder unheimliche Dimensionen gewinnen.

Ulrike Groos (Kuratorin) Heike van den Valentyn (Co-Kuratorin)