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Die fortlaufende Erkundigung des Grazer Kunstvereins in Vorstellungen der sozialen Abstraktion reagiert dieses Jahr auf das neue Leitmotiv des steirischen herbstes 2015, der sich mit dem Begriff der „Hinterlassenschaft“ beschäftigt, ausgehend von Fragen der Eigentümerschaft, des Wissenstransfers und von unserem Umgang mit kulturellem Erbe.

In Zusammenarbeit mit dem Salzburger Kunstverein hat der Grazer Kunstverein den Künstler und Heiler AA Bronson (geb. 1946, Vancouver, CA) eingeladen, ein groß angelegtes Projekt an beiden Veranstaltungsorten gleichzeitig zu entwickeln. AA Bronson operiert bei diesem Hybridprojekt als Künstler und Kurator, als Subjekt und Objekt zugleich, und integriert in die Arbeit seine eigenen Werke, seine Kooperationen mit jüngeren KünstlerInnen und Arbeiten von Freunden. Als begründendes und letztes noch lebendes Mitglied des Künstlerkollektivs General Idea (1969–1994) blickt AA Bronson auf eine lange Geschichte mit politischen und sozialen Themenstellungen in der Kunst und im Verlagswesen wie auch mit der AIDS-Krise zurück. Seit damals hat er mit vielen Generationen von KünstlerInnen über viele Disziplinen hinweg zusammengearbeitet. In den letzten fünfzehn Jahren hat er sich in seinen Kooperationen und in seiner künstlerischen Produktion vor allem mit Spiritualität als zentralem Thema beschäftigt.

Die im Grazer Kunstverein inszenierte Sequenz aus Riten und Opferhandlungen, die von weisen Stammesältesten dirigiert wird – hier personifiziert durch AA Bronson selbst – erhält ihren Namen von Strawinsky und Nijinskys berüchtigt skandalösem Ballett von 1913. Themen wie Geist, Sexualität und Dunkelheit werden dabei in eine Labyrinthstruktur verwoben, die sich über alle Galerieräume erstreckt.

Ein überdimensioniertes Mandala aus Rosenblüten von Chrysanne Stathacos eröffnet die Ausstellung und ist die Zwillingsform einer ähnlichen Installation im Salzburger Kunstverein. Die Künstlerin installiert die Arbeit bei der Eröffnung, während sie mit der Öffentlichkeit spricht. Das Mandala wird von einer Arbeit von Yeonjune Jung umrahmt. Jungs What a Beautiful World! ist eine Wandtapeten-Installation, die Orte schwuler Traumata in London zeigt.

In der ersten einer Reihe von Galerien präsentieren AA Bronson und Scott Treleaven Cabine – ein Zelt, das gleichzeitig eine Umkleidekabine im Lido, eine Privatzelle in einer Schwulensauna und den Karneval-Stand eines Wahrsagers darstellt. Bei der Eröffnung wird Michael Dudeck in der Zeltstruktur eine intensive „durational performance“ inszenieren, die auf rituellen hebräischen Texten basiert. Auch Ashes to Ashes, die letzten Reste einer Performance von Nicolaus Chaffin und AA Bronson, welche die Geister der Toten im Magic Forest auf der Insel Fire Island in New York anruft, wird in dieser Galerie zu sehen sein. In diesem Wald ließen zahllose Männer, die an AIDS starben, ihre Asche ausstreuen. Blue von AA Bronson und Ryan Brewer verweist auf diesen Begriff der Invokation, indem Geister abgebildet werden, die den Wald durchwandern.

Die folgenden Galerien reflektieren durch die Arbeit von Elijah Burgher den Begriff des Rituals. Der Künstler konstruiert einen rituellen Raum aus Malereien magischer Sigillen. Auch die Arbeit von Igshaan Adams, der im Inneren eines Labyrinths aus Schleiern skandiert, beschäftigt sich mit diesem Thema. Die Porträts brennender Penisse und eine vom Genitalschutz eines Tänzers inspirierte Publikation, beide von Matthias Herrmann, ein eigens angefertigter Genitalschutz aus Bändern von Mark Jan Krayenhoff van de Leur, und K8 Hardys Untitled (Jockstrap Dress) reflektieren jeweils auf sehr eigene Weise den Begriff des Genitalschutzes als kulturelle, queere Reliquie anstatt als pseudo-athletisches Hilfsmittel. Die Ausstellung-in-der-Ausstellung, Queer Zines, versammelt mehr als 150 unabhängig voneinander publizierte queere Magazine von den 1970er-Jahren bis heute. Andere Arbeiten von Reima Hirvonen, JX Williams und AA Bronson vervollständigen die Auswahl.

Jede einzelne Arbeit gibt dabei einen Teil einer Erzählung wieder, einer Geschichte. Zusammen inszenieren sie das Bild einer heidnischen Romanze, eine Reihe von Riten, eine Opfergabe und die Zusammenkunft weiser Stammesältester.

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Mit AA Bronson sowie Igshaan Adams, Keith Boadwee, Ryan Brewer, Elijah Burgher, Nicolaus Chaffin, Michael Dudeck, K8 Hardy, Matthias Herrmann, Reima Hirvonen, Yeonjune Jung, Mark Jan Krayenhoff van de Leur, Chrysanne Stathacos, Scott Treleaven und JX Williams.