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Ausstellung mit Fotografien aus den Werkgruppen Snow White und Rain and Wind sowie mit Filmen und einer Video-Installation

Abbas Kiarostami, geb. 1940 in Teheran, gilt als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Filmemacher. Seine seit 1970 entstandenen Filme wurden weltweit vielfach ausgezeichnet. So erhielt er 1997 die Goldene Palme in Cannes für Der Geschmack der Kirsche, 1999 den Großen Preis der Jury in Venedig für Der Wind wird uns tragen und 2004 den Praemium Imperiale. Umfassende Ausstellungen von Kiarostamis filmischem und fotografischem Werk gab es zuletzt z. B. im Victoria & Albert Museum in London (2005), in mehreren großen Museen in China (2006-2008), im Museum of Modern Art/PS1 in New York (2007) und im Centre Georges Pompidou in Paris (2007/08). Zuletzt drehte Kiarostami Copie conforme (hierfür wurde die Hauptdarstellerin Juliette Binoche 2010 in Cannes ausgezeichnet) sowie Like Someone in Love, der Anfang Oktober 2012 bei dem New York Film Festival präsentiert wird und am 12. Oktober Kinostart in Frankreich hat. Zeitgleich eröffnet in Paris im Louvre eine Ausstellung u.a. mit Werken von Abbas Kiarostami. Anlässlich der Eröffnung seiner Einzelausstellung in Bochum wird Abbas Kiarostami am 8. Oktober 2012 im Kubus von Situation Kunst ab 14:30 Uhr für Pressegespräche zur Verfügung stehen.

Abbas Kiarostami hat seit den 1970er Jahren neben seinen Filmen ein konzentriertes, bislang im deutschsprachigen Raum kaum in Ausstellungen präsentiertes fotografisches Werk geschaffen. Mit den je eigenen Mitteln von Film und Fotografie befragt Kiarostami die Möglichkeiten des Sehens, insbesondere den sich im Prozess des Sehens vollziehenden Bezug zur Wirklichkeit. Dabei korrespondieren filmisches und fotografisches Sehen eng miteinander, lassen jedoch jeweils eigene Formen von Bildern und von Bildlichkeit entstehen.

Während Kiarostami in seinen Filmen wesentlich auf Erfahrungen menschlicher Existenz schaut, richtet sich sein fotografischer Blick vor allem auf menschenleere Landschaften, die er in thematischen, oft über Jahre hinweg entwickelten Serien im Bild festhält. So entstand seit 1978 die Werkgruppe Snow White, häufig ausschnitthafte, meist scharf kontrastierte Schwarz-Weiß-Fotografien schneebedeckter Landschaften. 2007 entstanden die ebenfalls in der Ausstellung gezeigten Farbfotografien der Serie Rain and Wind, die Kiarostami bei starkem Regen durch die Windschutzscheibe eines Autos aufnahm. Der Blick von innen nach außen auf Stadt und Land verschwimmt im Wortsinn, Konturen werden unscharf und Räume verunklart; Straßen, Autos, Häuser, Schilder und Lichter werden durch die Regenschleier zu flächigen Farbschlieren.

In der Parallelführung dieser beiden Werkgruppen lassen sich wesentliche Interessen Kiarostamis erschließen. Ebenso präzise wie häufig indirekte oder gezielt gestörte Blicke lenken die Wahrnehmung auf das ansonsten allzu leicht Übersehene, das ohne große Effekte, durch Maßnahmen einer nur diskreten Verfremdung (Ausschnitthaftigkeit, Überdeckung, Unschärfe, Dezentralisierung, Destabilisierung etc.) gerade in der differenzierenden Wiederholung Aufmerksamkeit erfährt. Das im Bild Präsente und Sichtbare scheint dabei stets eng verwoben mit dem, was nur anklingt und ungreifbar bleibt; aus diesem schwebenden Wechselspiel von Sichtbarkeit und erschwertem Sehen, von Gezeigtem und dem Blick Entzogenem entwickelt Kiarostami eine eigene Bildsprache.

In Zusammenarbeit mit dem Künstler ausgewählte Videos und filmische Installationen erweitern im Dialog mit den Fotografien den Einblick in Kiarostamis Bildwelt. Die fünf einzelnen Episoden des Films Five (2003) zeigen ähnlich wie der Kurzfilm Sea Gulls‘ Eggs (2007) jeweils ein überschaubares, zuweilen bis an die Grenze zum Stillstand reduziertes Geschehen, das in einem statischen Bildfeld eingefangen wird. Das eng verknüpfte Verhältnis von stillen und bewegten Bildern, von Fotografie und Film wird schließlich in dem Film Roads of Kiarostami (2005) ausdrücklich thematisiert, wenn Filmaufnahmen von realen Straßen mit Filmaufnahmen von Straßenfotografien wechseln.

Im Fall der Video-Installation A Summer Afternoon (2006) wurde wiederum eine statische Kamera auf ein durch einen Vorhang verhängtes Fenster gerichtet – die Welt dahinter lässt sich nur durch diesen von einem stetigen Luftzug bewegten Schleier gefiltert, durch Veränderungen von Licht und Schatten erahnen. Auch hier geht es um konzentriertes Sehen, dass im zeitlichen Vollzug bewusst wird, um das Verhältnis von Innen und Außen, von Transparenz und Opazität sowie um die Reflexion medial vermittelten Sehens.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Hatje Cantz Verlag.

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Abbas Kiarostami
Stille und bewegte Bilder

Stationen:
10.10.2012 - 20.01.2013 Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum
12.04.2013 - 30.06.2013 Museum Wiesbaden
14.07.2013 - 29.09.2013 Kunstsammlungen Chemnitz