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PROGRAMM
IM RAHMEN VON ACCENTISMS

26. / 27. Januar
Filmvorführung, Symposium & Record Release

Im Symposium treffen von den ausstellenden Künstler_innen hervorgebrachte Spielarten von ACCENTISMS auf Formulierungen anderer Expert_innen, die in Innsbruck forschen und wirken.
Wie und wann werden Akzente im alpinen Jodeln in den Vordergrund gerückt und zu welchem Zweck? Welche Energie kann Akzentwiederholung und -verschiebung in Malerei und Skulptur freisetzen? Wie und warum werden im Tiroler Dialektarchiv lokale Varietäten gesammelt und bewahrt und wie nehmen dabei befragte Personen ihren eigenen Dialekt wahr? Mit welchen Akzentversetzungen arbeiten Forscher_innen zum Postmigrantischen an der Universität Innsbruck daran, die Stoßrichtung derzeitiger Debatten umzulenken?
Anlässlich des Symposiums erscheint auch die Schallplatte von Natascha Sadr Haghighians und Nicholas Bussmanns Projekt Singing Yesterday’s News Again. Welche Rolle spielen Gesang und Akzentmobilisierung bei der Weitergabe und dem Einverleiben von Wissen? Welche Debatten führen Medienaktivist_innen dazu?
Werden die Selbstreflexionen in den verschiedenen Untersuchungsfeldern zu Akzenten sich gegenseitig anstecken und einfärben können?

Zum Auftakt zeigen wir am 26. Januar den Film A Magical Substance Flows Into Me von Jumana Manna, der die Ausstellung ACCENTISMS ins Leokino führt. Die Künstlerin begibt sich auf die Spuren des deutsch-jüdischen Musikethnologen Robert Lachmann (1892-1939) und seines Radioprogramms „Oriental Music“, das er in den 1930er Jahren in Palästina realisierte. Achtzig Jahre später trifft Manna Mitglieder aus jenen Communities, mit denen Lachmann damals fürs Radio aufgenommen hatte, um ein Archiv musikalischer Traditionen in Jerusalem aufzubauen. Sie besucht Musiker_innen – kurdische, marokkanische und jemenitische Jüd_innen, Samaritaner_innen, Mitglieder ländlicher und urbaner palästinensischer Communities, Beduin_innen und christliche Kopt_innen – und hört sich mit ihnen Lachmanns Aufzeichnungen an. Die Gespräche und die Aufführungen der Instrumentalist_innen und Sänger_innen machen komplexe Akzentverwebungen erfahrbar, die Lachmanns Kategorisierungen sprengen.

Auftakt zum Symposium: FILMVORFÜHRUNG
Fr, 26. Januar, 18.30 Uhr, Leokino

Jumana Manna: A Magical Substance Flows Into Me
(Palästina/D/GB 2015, 68 Min., mehspr. OmeU)

Einführung: Nina Tabassomi
In Kooperation mit dem Leokino. Eintrittskarten an der Kinokasse

SYMPOSIUM ACCENTISMS

Sa, 27. Januar, 10.30–17.00 Uhr, TAXISPALAIS Kunsthalle Tirol

10.30 Uhr – 11.45 Uhr
Einführung (Nina Tabassomi, Direktorin TAXISPALAIS)
Postmigrantische Akzente (Prof. Dr. Erol Yıldız, Lehr- und Forschungs­bereich „Migration und Bildung“, Universität Innsbruck)

12.00 Uhr – 12.45 Uhr
Record Release: Nicholas Bussmann & Natascha Sadr Haghighian Singing Yesterday‘s News Again
Communitymedien und Nachrichten (Markus Schennach, Geschäftsführer Radio Freirad / Obmann Verband Freier Radios Österreich)
Wie mia d'Gosch gwochse isch – Mimetischer Vortrag (Nicholas Bussmann, Künstler ACCENTISMS)

13.45 Uhr – 15.15 Uhr
Tirolerisch wie? Tirolerisch was? Einblicke in die Beschäftigung mit dem Dialekt aus wissenschaftlicher und laienlinguistischer Sicht (Dr. Yvonne Kathrein, Leiterin des Tiroler Dialektarchivs am Institut für Germa­nistik der Universität Innsbruck)
Untitled. Über Wiederholung und Akzentverschiebung als künstlerische Verfahren (Ute Müller, Künstlerin ACCENTISMS)

15.30 Uhr – 17.00 Uhr
Jodeldridü oder jololoidü – Die Geschichte des Jodelns: ein multikulturelles Konstrukt für patriotische Ideologien instrumentalisiert (Prof. Dr. Raymond Ammann, Institut für Musik­wissenschaft, Universität Innsbruck / Hoch­schule Luzern – Musik)
Podiumsdiskussion mit Prof. Dr. Raymond Ammann, Dr. Yvonne Kathrein, Annja Krautgasser, Ute Müller, Markus Schennach, Prof. Dr. Erol Yıldız; Moderation: Nina Tabassomi

Das Symposium findet in deutscher Sprache statt. Eintritt frei, keine Anmeldung erforderlich

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AUSSTELLUNG ACCENTISMS

30.09.2017 - 28.01.2018
Eröffnung: Fr, 29. September, 19 Uhr

Lawrence Abu Hamdan, Nicholas Bussmann & Natascha Sadr Haghighian, Edith Dekyndt, Annja Krautgasser, Ali Meer Azimi, Ute Müller, Ulrich Nausner, Angel Nevarez & Valerie Tevere und Natascha Sadr Haghighian

Von adcantus, der Dazugesungene, leitet sich das lateinische accentus ab. Ein poetischer Überschuss, der sich auf Silben, Wörter und Sätze legt, um sie hervorzuheben und zu intensivieren. Akzent bezeichnet auch, wenn diese Lautgestaltung, die Betonungsmuster und Rhythmen einer vorgängig erlernten Sprache in eine neu erlernte integriert werden und sie klanglich einfärben.
Akzente sind Ereignisse, sie werden zeitgleich artikuliert und vernommen, gleichzeitig gesprochen und gehört. Ebenso prozessual verhalten sich individuelle Ausspracheeigenheiten; sie verändern sich mit unseren jeweiligen Lebenskartographien, mit den verschiedenen Orten, an denen wir leben, und mit den unterschiedlichen Menschen, mit denen wir sprechen. Insofern sind individuelle Akzente in ihrer Komplexität immer schon Einsprüche gegen einfache Vorstellungen von Identität. Dennoch werden Ausspracheeigenheiten in der Lebenswelt häufig mit Herkunft kurzgeschlossen, mit Wertungen versehen und diskriminiert. Anders in der Kunst, die darauf besteht, das Dazugesungene – Einfärbungen, Schattierungen und Tonalitäten – als Generator von Schönheit und Komplexität zu erfahren.

Kuratiert von Nina Tabassomi