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Der Bremer Künstler Achim Bertenburg zeigt im Ausstellungsraum des Kunstvereins eine Kombination aus Malerei und Video. Letzteres ist in Kooperation mit dem Künstlerduo Korpys / Löffler entstanden und thematisiert eine gemeinsame Bootsreise von Berlin nach Bremen. Aus zwei Perspektiven (vom Boot per Video und vom Ufer aus per 8mm Film) wurde die Reise dokumentiert und nun werden beide Versionen wie Bilder an die Wand projiziert. Das (titelgebende) Unterwegssein auf einem Fluss hat im übertragenen Sinne auch etwas mit Bertenburgs Malerei zu tun: Auf den ersten Blick sind es meist monochrom angelegte Flächen, die man wahrnimmt - mit nebel- oder schlierenartigen Strukturen darin. Bei intensiverer Betrachtung aber meint man Andeutungen von Formationen zu entdecken, Schatten oder im Farbnebel sich verflüchtigende Konturen von Gegenständen oder Landschaftsaspekten. Man glaubt innerhalb der malerischen Textur immer wieder Anzeichen von Flussläufen, Uferböschungen, Baumsilhouetten oder Wolkenformationen zu entdecken. Doch wird dieser Eindruck nie zur Gewissheit, weil schließlich immer das Gemachte, der Pinselduktus und die sich überlagernden, ineinander übergehenden eher vieldeutigen Farbgebilde sich als die eigentlichen Motive und „Entzugserscheinungen“ dieser Bilder erweisen.

Es lohnt sich durchaus bei der Betrachtung der Bilder mehrmals die Position zu wechseln, immer wieder abwechselnd von vorn, von der Seite aus zu schauen, aus der Distanz und dann wieder ganz aus der Nähe, um gerade solche Farb- und Raumphänomene und die mit ihnen verbundenen koloristischen Feinheiten zu entdecken. Lässt man sich auf eine derartige Erkundungsreise ein und nimmt sich dabei auch etwas Zeit, kann man wie von selbst die Möglichkeiten von Malerei, wie sie dieser Künstler auch am Anfang des 21. Jahrhunderts (im reflektierten Bezug zur Kunstgeschichte) ganz ernsthaft meint und praktiziert, erfahren.

Ein erwiesenermaßen reines Farbphänomen, ein Schatten oder Nebel ohne jeden Gegenstandsbezug versetzen uns immer wieder in die Lage in unserem Kopf Vorstellungen, innere Bilder, Erinnerungen - etwa an Landschaften, oder im weitesten Sinne an „Natur“ entstehen zu lassen oder auszulösen. Dass gemalte Bilder in unserer Kultur hoch entwickelter Bild- und Medientechnologien noch immer „etwas“ repräsentieren, auf etwas außerhalb ihrer selbst verweisen sollen, gehört vielleicht zu den kulturbildenden Anachronismen des Medienzeitalters. Und Bertenburg nimmt in seiner Arbeit diesen für ihn konstruktiven Widerspruch auf, verwandelt ihn in eine Bildenergie.

Und dann ist da noch eine die ästhetische Erfahrung variierende durchaus auch etwas irritierende malerische Komponente, die ebenfalls zu diesen Bildern gehört: Es sind eben nicht nur die schemenhaft sich andeutenden und dann doch wieder sich entziehenden Formen, sondern da gibt es auch scheinbar aus einer spontanen, freien Bewegung des Pinsels heraus entstandene Linien und Pinselschläge, die für nichts als sich selbst stehen. Fast sähe man sich geneigt von „Gesten“, „Chiffren“ oder „Notationen“ mit einem gewissen „Ausdruck“ zu sprechen, wenn man nicht wüsste, dass Bertenburg den alt gedienten Kategorien der „Unmittelbarkeit“, „Spontaneität“ oder gar „Expressivität“ als Grundlage für zeitgenössische Malerei eher skeptisch gegenüber steht. Diese Tugenden gehören allenfalls zu den Diskursen einer vor etwa einem halben Jahrhundert ihren Anspruch auf Selbstverwirklichung, Lösung und Heil artikulierenden Moderne.

Und doch tauchen als Elemente in einigen Bildern Bertenburgs auf einmal Striche, Bögen oder breitere Farbbänder auf, die anscheinend keinem imaginierten Bildraum, keinem angedeuteten Gegenstandsbezug mehr, sondern nur noch sich selbst verpflichtet sind. Allenfalls bilden sie Entsprechungen zum Duktus der malenden Hand, wuchern aber auch zwischen mehreren eher unscharf-flächig angelegten Farbzentren im Bild wie bei einem Netzgeflecht hin und her, oder sie verbinden die einzelnen Fokusse eines Bildes wie Rhizome untereinander. Jedenfalls zeugen sie vom konkreten Einsatz malerischer Mittel, wollen auch nach längerer Betrachtung nichts anders sein als sie selbst: in Bewegung aufgetragene Farbbahnen und Linien.

Manchmal werden aber auch diese rein „abstrakten“ Elemente besagten Unschärfen unterworfen und die Klarheit ihres Verlaufes auf einer andersfarbig kontrastierenden Grundfläche scheint sich allmählich wie in Nebel aufzulösen. So als mache eine präzise gesetzte Chiffre Anstalten, sich in den Illusionsraum einer wiederum im Bild imaginierten dritten Dimension zu verflüchtigen. Lässt man sich mehr auf dieses Mit- und Nebeneinader disparater Elemente ein, gewinnt man den Eindruck, als habe Bertenburg während des Malaktes auf einer „abstrakteren“ Ebene in Gedanken, die schließlich in Pinselstriche überzugehen vermochten, das Bild noch einmal „übermalt“, - so wie man einen angedachten Gedanken noch mal überdenkt oder einen Text noch mal liest, um ihn noch besser zu verstehen und ihn anschließend doch noch einmal zu überschreiben.

Die Ausstellung wird großzügig von der Karin und Uwe Hollweg-Stiftung und dem Kulturbüro der Stadt Essen unterstützt und durch einen Katalog mit Texten von Sabine Maria Schmidt und Peter Friese ergänzt.

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Achim Bertenburg
Fluss – Malerei und Video