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Eröffnung: Freitag, den 18. April 2008 um 20 Uhr Künstlergespräch: Samstag, 19. April um 18 Uhr

Pressetext:

Die Ausstellung des albanischen Künstlers Adrian Paci (*1969) im Kunstverein Hannover bietet einen facettenreichen Einblick in dessen gesamtes Werk seit 1997. Seine lakonisch-poetischen Alltagsstudien kreisen um Themen der individuellen, nationalen und kulturellen Identität. In ihnen untersucht Paci die persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen soziopolitischer Umbrüche. Dabei verdichten sich seine Arbeiten zu ikonischen Bildern, die auf der Ebene des Ästhetischen wie Politischen gleichermaßen wirken. In einer reduzierten Bildsprache spiegeln sie das existentielle Gefühl von Verlust und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Daseins. Ausgangspunkt seiner Arbeiten bildet Pacis biografischer Hintergrund, seine Immigration nach Italien Ende der 1990er Jahre. Seitdem entstanden zahlreiche Videos, Installationen, Skulpturen, Malereien und Fotografien, die, vor allem in den letzten Jahren, den Bereich des Autobiografischen zugunsten der Formulierung allgemeingültiger Archetypen verlassen. Spätestens mit der im Rahmen der Biennale in Venedig präsentierten Videoarbeit Turn on und seiner Einzelausstellung im P.S.1 MoMA erlangte Paci 2005 internationale Aufmerksamkeit.

Vor laufender Kamera verarbeitet die dreijährige Tochter Pacis in seinem ersten Videofilm Albanian Stories (1997) in unbekümmerter Frische ihre bruchstückhaften Erinnerungen an die Emigration aus Albanien. In ihrer symbolhaften Schlichtheit weist die ebenso anrührende wie verstörende Erzählung in Form einer Tierfabel bereits weit über den biografischen Anlass hinaus.

Auch die re-konstruierte Lebensgeschichte der Person Klodi (2005) bewegt sich im Spannungsfeld von Tragödie und Spiel. Darin berichtet ein Bekannter Pacis von seiner durch die politischen und ökonomischen Lebensbedingungen ausgelösten Odyssee, die ihn von Albanien nach Italien, Mexiko, in die USA und wieder zurück führt. Die Suche nach dem gelobten Land ist dabei gleichermaßen bedrückendes Spiegelbild aktueller Tagespolitik und schelmenhafte Inszenierung eines begnadeten Selbstdarstellers. Fragen nach dem künstlerischen Selbstverständnis und der Autobiografie stehen im Mittelpunkt von Believe me I’m an artist (2000) und der Installation Piktori (2002). Piktori dokumentiert die Arbeit eines in Albanien lebenden Malers, der seinen Lebensunterhalt durch Urkundenfälschungen, Kunstkopien und Schildermalerei verdient. Der von Paci bei Ihm in Auftrag gegebene Totenschein steht für den nun in Mailand lebenden Künstler paradoxerweise für den Beginn eines neuen Lebens und wird von seinem albanischen Kollegen ausdrücklich als Meisterstück bezeichnet.

In Per Speculum (2006) filmt Paci durch einen Spiegel das vermeintlich unbeschwerte Spiel von Kindern in den Hügeln Südenglands. Erst allmählich gerät das idyllische (Spiegel-)Bild ins Wanken. Die Fiktion einer heilen Kinderwelt wird spätestens in dem Moment in Frage gestellt, in dem der Spiegel mit einer Steinschleuder in Stücke geschossen wird. Die melancholische Zartheit der Schlusseinstellung, bei der die Kinder in den Ästen einer Platane sitzen und mit den Scherben des Spiegels das Sonnenlicht reflektieren, kann die grundlegende Gebrochenheit nur ansatzweise lindern.

Pacis jüngster Film Centro di Permanenza temporanea (2007) entstand in Kalifornien und wird erstmals institutionell in Europa gezeigt. Eine stumme Menschenschlange bewegt sich geduldig in Richtung einer Flugzeugtreppe und gerät beim Ersteigen derselben ins Stocken. Erwartungsvoll fixieren die lateinamerikanischen Arbeiter die Kamera. Erst der Wechsel von der Nahaufnahme in die Totale offenbart, dass die überfüllte Gangway ins Leere führt. Der Kontrast zwischen den weitgehend reglosen Menschen und den startenden Flugzeugen im Hintergrund erzeugt ein Bild des existentiellen Ausgesetzt-Seins und nicht endenden Wartens, das Paci – als skulpturale Setzung und als politisches Statement – aus verschiedenen Blickwinkeln immer wieder neu in Szene setzt. Darüber hinaus präsentiert der Kunstverein weitere raumgreifende Videoinstallationen und Fotografien sowie zwei neue Gemäldezyklen, die Hauptwerke des italienischen Neo-Realismus von Pier Paolo Pasolini malerisch re-interpretieren.

Zur Ausstellung erscheinen ein Katalog und eine Edition. Adrian Paci, hrsg. von Dr. Martin Engler, Kunstverein Hannover, mit Texten von Dr. Martin Engler und Stefan Çapaliku, Hardcover, 29 x 24 cm, 96 Seiten, 110 Abb., zweisprachig (dt./engl.)

Die Ausstellung wird großzügig unterstützt durch Niedersächsische Lottostiftung Land Niedersachsen Der Kunstverein wird vom Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover institutionell gefördert

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Adrian Paci
Kuratoren: Martin Engler, René Zechlin