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Was uns Aernout Mik zu sehen gibt, bleibt umso mehr im Gedächtnis, als es trotz aller filmisch-narrativen Virtuosität strukturell immer unauflösbar rätselhaft ist.

Der 1962 in Groningen geborene Holländer gehört spätestens seit dem Erfolg seiner Arbeiten „Reversal Room“, „Glutinosity“ und „Middlemen“ (alle 2001) zu den international anerkanntesten Videokünstlern seiner Generation. Seine über die Jahre immer komplexer werdenden Filme kreisen um das Verhältnis von Individuum und Masse, grundiert von einem Moment der Krise und des Kollapses unserer gesellschaftlichen Ordnung. In teilweise aufwändig konstruierten Sets und in der Regel mit Laiendarstellern inszeniert Mik einen Reigen latent katastrophischer Szenen mit tragikomischen Untertönen. Auf dem mit Papier übersäten Boden einer Börse starren ermattete Händler, teilweise durch Dummies verdoppelt, blicklos ins Leere. („Middlemen“, 2001). In einem Restaurant findet eine Prügelei statt, von der die übrigen Gäste aber seltsamerweise keine Notiz nehmen („Reversal Room“, 2001). Rettungskräfte, die bei einem schweren Busunfall im Einsatz sind, wirken nicht nur seltsam unkoordiniert und desorientiert, sie finden auch keine Verletzten („Refraction“, 2004), sondern stattdessen unbeaufsichtigte Schafherden, die sich stoisch ihren Weg durch das menschliche Chaos bahnen. In Aernout Miks von unaufhebbarer Unordnung und Unsicherheit geprägten Welt gibt es weder eine erkennbare Ursache für das hereinbrechende Chaos oder die immer wieder aufblitzenden Gewalttätigkeiten. Menschen erscheinen als kommunikationsunfähige Wesen, die fast somnambul in Tätigkeiten verstrickt sind, die, obwohl sie beinahe immer in größeren Gruppen stattfinden, nie wirklich aufeinander bezogen sind und im Grunde eine Beckettsche Sinn- und Ziellosigkeit ausstrahlen. Dies umso mehr, als der Künstler in all seinen künstlerischen Settings nicht nur konsequent das Prinzip von Ursache und Wirkung aushebelt, sondern auch die Linearität der Zeit in ein zyklisch-zähes, stillstehendes Kreisen verwandelt. Ihre zwingende räumliche Form gewinnen diese latent surrealen Investigationen über die unfassbare Struktur des Kollektiven durch eine Inszenierung, die konsequent die üblichen Black-Box-Video-Präsentationsweisen unterläuft. In den Raum hineinlaufende, oft gekurvte, meist nur halb hohe Wände mit Rückprojektionen, die mit dem Boden abschließen, verbinden das bewegte Bild nicht nur schlüssig mit dem umgebenden Raum, sondern integrieren den Betrachter auch direkt in den Wirkungsbereich der Arbeit, ohne andererseits die Konstruiertheit der Szene zu leugnen. Im Kunstverein Hannover wird Aernout Mik neben älteren Arbeiten erstmals die neuen Arbeiten „Shifting Sitting“ und „Training ground“ zusammen mit dem 2005 entstandenen „Vacuum Room“ zeigen. Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Camden Center for the Arts in London und der Kunsthalle in Bergen (Norwegen). Es erscheint ein Katalog.

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Aernout Mik