Städel Museum, Frankfurt

Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie | Dürerstr. 2
60596 Frankfurt

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Die Graphische Sammlung des Städel Museums besitzt bis auf wenige Ausnahmen das gesamte druckgraphische Werk Albrecht Dürers in ausgezeichneter Qualität. Dieser kostbare Bestand wurde im Jahre 1971 zuletzt gezeigt. Die Ausstellung, die vom 27. September 2007 bis 6. Januar 2008 in der Graphischen Sammlung des Städel Museums zu sehen sein wird, umfasst die wertvollsten Kupferstiche, Holzschnitte und Radierungen von Dürer, einem der berühmtesten Vertreter der deutschen Renaissance, und führt die Entwicklung seines gesamten druckgraphischen Werks exemplarisch vor Augen. Aufgrund der hohen Qualität der insgesamt über 130 gezeigten Blätter vermittelt sie einen anschaulichen Eindruck von der singulären technischen und künstlerischen Meisterschaft, die Kupferstich und Holzschnitt um 1500 durch Dürer erlangten. Bis zum 9. September wird die vom Städel Museum konzipierte Ausstellung noch im Guggenheim Museum in Bilbao gezeigt, das mit ihr sein 10-jähriges Bestehen feiert. Dort wurde sie bis dato von 271.000 Besuchern gesehen.

Albrecht Dürer (Nürnberg 1471 – 1528) gilt mit guten Gründen als einer der herausragenden Künstler der deutschen Renaissance. Mehr als bei irgendeinem anderen seiner Zeitgenossen ist sein Werk über die Zeiten als ein Versuch betrachtet worden, die geistigen und gesellschaftlichen Strömungen und Verwerfungen einer großen Umbruchszeit (deren folgenreichstes Ereignis in Deutschland die protestantische Reformation werden sollte) in eine gültige künstlerische Form zu bringen. Dürers Werk zielt darauf ab, die spätmittelalterlichen Traditionen seiner Heimat mit den italienischen, von Antikenrezeption und wissenschaftlicher Erkenntnis geprägten Einflüssen zu einer Synthese zu bringen und die gesellschaftliche und geistige Rolle des Künstlers unter dem Einfluss humanistischen Denkens neu zu bestimmen. Seine Kunstwerke haben im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neue Aktualität erlangt und bis in die Moderne hinein Auswirkungen auf die Kunst gehabt.

Dürer hat Gemälde, Zeichnungen und Druckgraphiken geschaffen. Die noch neuen Medien Kupferstich und Holzschnitt, die sich im 15. Jahrhundert erst entwickelt hatten, boten ihm, stärker als die meist von Auftraggebern abhängigen Gemälde, die für feste Standorte in Kirchen, Palästen oder Privathaushalten geschaffen wurden, oder die als Studien und Skizzen angefertigten Zeichnungen, die Möglichkeit, neue und ungewöhnliche künstlerische Vorstellungen zu verwirklichen. Druckgraphiken waren bei Dürer immer Kunstwerke aus eigenem Recht, nicht Reproduktionen anderer Werke; er behandelte sie als der Malerei gleichrangig. Sie entstanden ohne fremden Auftrag und waren doch Ware; sie bedienten den Markt einer Öffentlichkeit, die nicht nur religiöse Betrachtung, sondern auch eine humanistisch geprägte intellektuelle und künstlerische Auseinandersetzung suchte. Die Druckgraphik machte Dürer überregional bekannt; sie wurde auf den Handelswegen in kurzer Zeit weit verbreitet und übte unmittelbaren künstlerischen Einfluss nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, vor allem in Italien, aus. Und schließlich bildete die Druckgraphik mehr als die Malerei die ökonomische Grundlage Dürers. Ohne sie wäre sein Auftreten als neuzeitlicher, aus der eigenen Erfindung schöpfender und wissenschaftlich arbeitender Künstler kaum vorstellbar.

Dürer war der Sohn eines in Nürnberg hoch angesehenen Goldschmiedes. Bereits als Kind erlernte er das Goldschmiedehandwerk und somit auch das Gravieren in Metall, die Grundlage des Kupferstichs. Seine Ausbildung zum Maler erfuhr er in den 1480er Jahren in einer Nürnberger Werkstatt, die gleichzeitig mit dem Entwerfen von Holzschnittillustrationen für bedeutende frühe Buchpublikationen betraut war. Offenbar erkannte er sehr früh die Möglichkeiten dieser neuen Medien und machte sich nach seiner Ausbildung zunächst tatsächlich stärker mit der Druckgraphik als mit der Malerei einen Namen. Frühe Kupferstiche und Holzschnitte wie zum Beispiel „Herkules am Scheideweg“ und „Das Männerbad“ behandeln ungewöhnliche, neuartige Themen und verwirklichen mit den graphischen Mitteln der Linie eine Bildwirkung, die mit der von Gemälden rivalisiert. Gleichzeitig erweist sich Dürer in zahlreichen Blättern als ein Meister der genauen Beobachtung und des psychologischen Einfühlungsvermögens. Kurz vor der Jahrhundertwende schuf er mit der „Apokalypse“ und dem größten Teil der „Großen Passion“ (1511 als Buch veröffentlicht) ambitionierte Graphikfolgen, die den Holzschnitt aus seiner traditionellen Rolle als Buchillustration lösten und ihm völlig neue gestalterische Möglichkeiten eröffneten. Die Publikation der „Apokalypse“ 1498, kurz vor dem „Zeitenwende-Jahr“ 1500, machte den jungen Dürer zu einem berühmten Mann.

Die Faszination für den menschlichen Akt sowie die Geometrie und das Studium der antiken Autoren Vitruv und Euklid schlugen sich nach 1500 in Werken wie „Adam und Eva“ und den ersten Blättern der Folge des „Marienlebens“ nieder. Bei „Adam und Eva“ geht es um die Frage nach den idealen Proportionen des Menschen, ein Problem, das Dürer über italienische Kunst kennengelernt hatte und dem er von nun an immer wieder intensive Forschungen widmete, bis hin zur Veröffentlichung eines Lehrbuches der menschlichen Proportionen am Ende seines Lebens. Die Holzschnitte des „Marienlebens“ auf der anderen Seite zeichnen sich durch die Verbindung von Figur und Raum auf der Grundlage komplizierter Konstruktionen der ebenfalls von Italien vermittelten geometrischen Zentralperspektive aus. Obwohl Dürer im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts mit großen Gemälde-Aufträgen beschäftigt war und 1505/06 zum zweiten Mal nach Italien reiste, entstanden weiter Druckgraphiken, und 1511 schloss er das 15 Jahre zuvor begonnene Unternehmen der großen druckgraphischen Holzschnittfolgen mit der gleichzeitigen Publikation der „Großen Passion“, des „Marienlebens“, einer zweiten Auflage der „Apokalypse“ und der „Kleinen Holzschnittpassion“ ab. 1512 veröffentlichte er zudem seine einzige Kupferstich-Folge, die „Kupferstichpassion“.

Druckgraphische Folgen dieser Art sollte Dürer danach nicht mehr schaffen, auch wenn er in den 1520er Jahren offenbar noch einmal über ein solches Projekt nachdachte. Jedenfalls stellen die Veröffentlichungen von 1511/12 den Abschluss seiner Aktivitäten als Schöpfer und Verleger umfangreicher Folgen dar. In einer vielleicht ähnlichen Geste des Endgültigen brachte er 1513 und 1514 die drei sogenannten „Meisterstiche“ heraus: „Ritter, Tod und Teufel“, „Hieronymus im Gehäuse“ und die „Melancholie“. Diese Werke, die ikonographisch als Lebensentwürfe aufeinander Bezug nehmen und zum Teil auch äußerst komplexe und rätselhafte Bedeutungen transportieren, erheben den Anspruch, den Kupferstich als graphische Technik bis an seine äußersten Grenzen entwickelt zu haben. Diesen Rang konnten sie, ausgeführt mit größter graphischer Meisterschaft und Intelligenz, tatsächlich einnehmen; sie setzten auch für folgende Generationen den Maßstab für das, was Kupferstich zu leisten vermochte.

Dürers druckgraphisches Schaffen endete keineswegs mit den Meisterstichen. Er experimentierte in der Folge mit neuen graphischen Techniken, mit Kaltnadel und Radierung, und war seit 1512 auch in Diensten des deutschen Kaisers Maximilian I. tätig, für den er Zeichnungen und riesige Holzschnittprojekte ausführte, die in der Ausstellung durch den „Großen Triumphwagen“ vertreten sind. In der späten Zeit entstanden auch die wenigen druckgraphischen Porträts, die Dürer von Fürsten und Gelehrten anfertigte. Schließlich sind die theoretischen Schriften Dürers zu Geometrie, Festungsbaukunst und Proportionslehre zu erwähnen, an denen er in den letzten acht Jahren seines Lebens intensiv gearbeitet und die er selbst mit Holzschnitten illustriert hat. Das letzte dieser Werke, die Proportionslehre, erschien kurz nach seinem Tod.

Das druckgraphische Werk Dürers umfasst insgesamt etwas mehr als einhundert Kupferstiche und etwa 280 Holzschnitte (dazu kommen noch einige hundert Buchillustrationen). Bis auf wenige Ausnahmen sind diese Blätter in der Graphischen Sammlung des Städel Museums in Frankfurt in ausgezeichneter Qualität vorhanden. Der größte Teil der Werke geht auf die im 18. Jahrhundert zusammengetragenen Sammlung des Stifters Johann Friedrich Städel und eine weitere, schon 1819 erworbene umfangreiche Dürer-Sammlung zurück. Dieser kostbare Bestand, ein Kernbestand der Graphischen Sammlung im Städel Museum, kann aus konservatorischen Gründen nicht wie Gemälde permanent ausgestellt werden. Dürers Druckgraphiken im Städel Museum sind zuletzt umfassend 1971, zum 500. Geburtstag des Künstlers, präsentiert worden.

Kurator: Dr. Martin Sonnabend, Leiter Graphische Sammlung bis 18. Jahrhundert

Katalog: „Albrecht Dürer. Die Druckgraphiken im Städel Museum“. Hg. von Martin Sonnabend. Mit einem Vorwort von Max Hollein, mit einer Einleitung von Martin Sonnabend und Katalogtexten von Martin Sonnabend und Alexander B. Eiling, 260 S., 207 Abb., DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln, ISBN 978–3–8321–7789–8 (Buchhandelsausgabe), ISBN 978–3–8321–7784–3 (Museumsausgabe), ISBN 978–3–8321–7788–1

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Albrecht Dürer
Die Druckgraphiken
Städel Museum, Graphische Sammlung
Kurator: Martin Sonnabend

Stationen:
26.06.07 - 09.09.07 Guggenheim - Bilbao
27.09.07 - 06.01.08 Das Städel, Frankfurt