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Alicia Frankovichs Performances, Skulpturen und Videos verbindet die Beschäftigung mit sozialen Prägungen und Konventionen und ihrem Niederschlag in alltäglichen Handlungen und körperlichen Verfassungen. Der Körper tritt in Erscheinung als sichtbare Spur von Gewohnheiten und Lebensumständen, dabei zugleich als Möglichkeitsträger, scheinbare Unausweichlichkeiten zu hintergehen. Die Ausstellung im Kunstverein Hildesheim verbindet Ausstellungsobjekte, Videos und Performances und übersetzt damit Frankovichs verschiedene künstlerische Strategien in das Format der Ausstellung.

Im Hintergrund von Today this technique is the other way around steht Frankovichs Auseinandersetzung mit post-fordistischer Arbeit und der damit einhergehenden Vermischung von Arbeit und Leben. Was bedeutet es, wenn der Tagesablauf mehr von Möglichkeiten als festgelegten Arbeitszeiten strukturiert wird? Welche Freiräume liegen in dem Diktat der Flexibilität? Was tritt an die Stelle der Taktung durch geregelte Arbeitszeit?

Über drei Stockwerke des Kehrwiederturms hinweg entfaltet sich die Betrachtung von Strukturierungen der Zeit, ihren Techniken, Ritualen und Merkmalen. Anfang, Mitte und Ende sind durch die aufeinander folgenden Stockwerke des Ausstellungsraums thematisch angelegt; dieser Umstand wurde in der Konzeption der Ausstellung auch thematisch aufgegriffen.

Die Ausstellung beginnt mit der Arbeit „Free Time“, der Mitschnitt einer Performance, die 2013 im Palais de Tokyo in Paris stattgefunden hat. Verschiedene Gruppen wie Freiberufler, Sportler, Wanderer oder Tänzer gehen inmitten des Ausstellungsraumes ihren beruflichen oder Freizeit-Aktivitäten nach. Die heutzutage fließenden Verhältnisse von Arbeit und Freizeit werden hier konzentriert zu einer Sammlung von Handlungen und Gesten, die ein Panorama von Lebensmomenten im Informationszeitalter herstellt.

Auf der mittleren Ebene wird das neue Video „Today this technique is the other way around“ gezeigt. Frankovich kombiniert Interviews mit Mitgliedern der neuen „Kreativklasse“ mit teils gefundenen und teils selbst gefilmten Aufnahmen zu einer Wort- und Bild-Collage, die von Flexibilität, von Anfang, Mittel- und Endpunkten erzählt. Der Wandel von festgelegten zu flexiblen Arbeitszeiten betrifft die gesamte Gesellschaft, tritt zur Zeit jedoch bei freien Künstlern, Autoren, Musikern und Schauspielern am schärfsten hervor, gepaart mit einem hohen Maß an Improvisation und gegenseitiger Unterstützung bei fehlender sozialer Absicherung. Probleme und Chancen dieser post-fordistischen Arbeit fügen sich hier zu einer Momentaufnahme einer Generation und Berufsgruppe. Eine chaotische Auffassung der Zeit, die von Flexibilität, simultanen Tätigkeiten und dem medial ermöglichten Agieren an mehreren Orten zugleich bestimmt ist, stellt sich dar. Die Wortbeiträge sowie Bilder von Bildschirmschonern, Freizeitsituationen und treibender Musik sowie Sounds aus dem Alltag fügen sich zu einer lückenhaften Erzählung, die immer wieder beginnt, endet und fortschreitet.

Im oberen Stockwerk schließlich wird eine Skulptur gezeigt welche in ihrem Material die Themen der zuvor passierten Arbeiten noch einmal reflektiert. Metallstangen erinnern an Stufen zum Schwimmbad, Thera-Bänder an Regeneration und Fitness (um die Arbeitskraft zu erhalten und wieder herzustellen). Die Skulptur arbeitet – analog zu den präsentierten Videos – mit Versatzstücken des Alltags und direkten Anspielungen auf den Körper als Akteur, als Konstante im Wandel der Arbeit, welche wiederum auf den Körper zurückwirkt.

Alicia Frankovich (*1980 in Neuseeland) präsentierte ihre Arbeiten u.a. im Künstlerhaus Bethanien, Berlin (2011) und im Artspace, Auckland (2009). Sie war beteiligt an zahlreichen Gruppenausstellungen, u.a. The Real Thing, Palais de Tokyo, Paris (2013), Direct Democracy, MUMA Monash Museum of Art, Melbourne (2013) und Contact, Frankfurter Kunstverein, Frankfurt (2012).

Die Ausstellung wird gefördert durch das Land Niedersachsen und die Stadt Hildesheim. Das Vermittlungsprogramm des Kunstvereins Hildesheim wird gefördert durch das Land Niedersachsen und die VGH-Stiftung. Wir danken der Audio Werft für die Unterstützung und dem Berlin Pop Choir für die Mitwirkung.

Öffnungszeiten: Mi 18–21 Uhr | Sa 14–18 Uhr | So 12–18 Uhr Di, Do, Fr nach Vereinbarung

Veranstaltungen mit Alicia Frankovich: So, 3.11. THE END 17 Uhr Ausstellungsrundgang mit Alicia Frankovich 18:30 Uhr Dinner

So, 1.12. THE BEGINNING 11 Uhr Frühstück 15 Uhr Ausstellungsrundgang und Buchpräsentation mit Alicia Frankovich