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Der Bonner Kunstverein bei der Ausstellung ALTRUISMUS: KUNST AUS TSCHECHIEN HEUTE mit dem Prager Ausstellungshaus tranzit.cz. Die in dem Dachprojekt tranzit.org zusammengefassten autonomen Institute zeitgenössischer Kunst in Osteuropa (Prag, Budapest, Bratislava), die seit 2002 auf Initiative der österreichischen öffentlich-rechtlichen Erstebank entstanden sind, verstehen sich als Teil eines groß angelegten kulturellen Förderprogramms für Ostmitteleuropa. Zuerst als reines Projektbüro gegründet, ist tranzit.cz mittlerweile um ein eigenes Ausstellungshaus tranzitdisplay erweitert worden und nimmt so vermehrt Aufgaben wahr, die im Ganzen der eines Kunstvereins im deutschsprachigen Raum vergleichbar sind – wohlgemerkt ohne die entscheidende Mitgliederstruktur.

Gemeinsam mit tranzitdisplay und dessen Kurator Vít Havránek entwickelte der Bonner Kunstverein (Kurator:Stephan Strsembski) eine Gruppenausstellung tschechischer Kunst zum Thema Altruismus. Altruismus ist ein Begriff der Moral, der einzelne Individuen in Beziehung zu anderen setzt, er meint die Bereitschaft, seine eigenen Interessen zugunsten derer anderer Individuen und damit der Gesellschaft zurückzustellen. Hierbei sind zwei Lesarten möglich: Erstens kann das Interesse des Einzelnen an sich selbst tatsächlich geringer sein als das an dem oder den anderen. Zweitens kann es das höchste Interesse des Einzelnen sein, eben seine eigenen Bedürfnisse zurückzustellen und altruistisch zu handeln.

Ausgangspunkt des Projektes ALTRUISMUS ist die These, dass eine funktionierende Gesellschaft auf das Motiv des Altruismus angewiesen ist - im allgemeinen Verständnis steht das Prinzip altruistischen Handelns dem wirtschaftlichen Vertrag als Gegensatzpaar gegenüber, jüngere sozialwissenschaftliche Ansätze plädieren für eine „Bürgerliche Wirtschaft“ („Civic Economy“), in der diesem dialektischen Denken ein Ende gesetzt wird (Luigino Bruni) - und diese Tatsache im Bereich der bildenden Kunst nachvollziehbar gemacht werden kann. Realisiert wurde ein gemeinsames Projekt, welches nicht nur altruistische Prozesse oder Handlungen beleuchtet, sondern darüber hinaus altruistisch ist. Statt eine Künstlergruppe oder einen Einzelkünstler auszuwählen und mit Illustrationen zu dem gewünschten Thema zu betrauen, entwickeln tranzit.cz und der Bonner Kunstverein einen Modus einer altruistischen kuratorischen Form und geben bedeutsame Teile der Ausstellungsplanung an eine kleine Gruppe geeigneter und interessierter Individuen. Durch dieses Vorgehen wird das mittlerweile gängige Konzept des „Gastkuratierens“ in transparenter Weise angewendet und gleichzeitig auf Tauglichkeit überprüft sowie in Publikation und Gesprächsveranstaltungen reflektiert. Dieser unter altruistischen Vorzeichen initiierte kuratorische Prozess, der gemeinsam mit Personen aus dem tschechischen und dem deutschen Umfeld durchgeführt wird, mündet schließlich in verschieden dimensionierte Ausstellungs-, Vortrags- und Performance-Projekte, die der Größe und den Möglichkeiten der beiden Institutionen angepasst entwickelt werden.

Ausgehend von der eingangs formulierten These stehen also zwei Arten von Erkenntnis im Zentrum des Projektes: Wie kann, erstens, ein Ausstellungsprojekt zum Thema Altruismus altruistisch gestaltet werden? Diese Fragestellung ermöglicht in der Folge die weitergehende, zweite Betrachtung: die hinsichtlich der sozialen Funktionen, der Möglichkeiten und Grenzen so ähnlicher und doch grundverschiedener Einrichtungen wie tranzit.cz und Bonner Kunstverein.