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Das Vorhaben Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland konzipiert für den Sommer 2009 eine umfangreiche Ausstellung zu Amedeo Modigliani, einem der bedeutendsten Künstler der Moderne und des 20. Jahrhunderts überhaupt, dessen Werke längst zu Ikonen im kollektiven Bildgedächtnis geworden sind. In Deutschland liegt die letzte große Modigliani-Ausstellung bereits 17 Jahre zurück. Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen hatte damals eine Werkschau erarbeitet, die anschließend im Kunsthaus Zürich zu sehen war. Eine neu zusammengestellte Retrospektive darf deshalb mit Spannung erwartet werden.

Das Bonner Vorhaben grenzt sich von der 2006 in London gezeigten Modigliani-Ausstellung durch ihren Umfang ab, um dem Schaffen des Künstlers in größerem Maße gerecht zu werden. Geplant ist eine Zusammenstellung von ca. 60 Gemälden, 80 – 90 Aquarellen und Zeichnungen sowie einigen Skulpturen. Die Werke umfassen den Zeitraum von 1909 bis 1919 – damit fast die komplette Schaffenszeit –, orientieren sich eng am Lebensweg des Künstlers und spiegeln wichtige Einschnitte.

Überblick Der Italiener Amedeo Modigliani (1884 – 1920) war Maler, Zeichner und Bildhauer. Sein Gesamtwerk umfasst vor allem Gemälde (circa 420) und Zeichnungen (circa 1000). Von 1909 bis 1913 widmete er sich auch der Bildhauerei und hinterließ circa 25 Skulpturen.

Seine wichtigsten Sujets sind Porträts und Akte. Er arbeitet die Individualität der Dargestellten heraus und behauptet gleichzeitig seine formale, malerische Eigenart. Daneben gibt es wenige Landschaftsszenen, von denen auch eine späte von 1919, Landschaft des 'Midi', Bestandteil der Ausstellung sein soll. Aus kunsthistorischer Sicht könnte man geneigt sein, das Motiv früher einzuordnen, doch im Werk Modiglianis steht es für die Ruhe nach einer Phase der malerischen Ausgereiztheit. Unübersehbar in Modiglianis Bildern sind die Bezüge zur Formensprache der Renaissance und des Manierismus. Er vereint expressionistische, kubistische und symbolistische Elemente, greift aber auch Formen aus der zu seiner Zeit populären afrikanischen Skulptur auf, die ihn aufgrund ihrer Idolhaftigkeit faszinierte. Er lässt sich keiner zeitgenössischen Stilrichtungen wie dem ‚Kubismus’ oder dem ‚Fauvismus’ eindeutig zuordnen. Sein Leben war von Krankheiten, Ausschweifungen, Schwermut und Zweifel geprägt. Er starb mit 35 Jahren in Paris an Tuberkulose und die Kenntnisse über sein Leben beruhen auf nur wenigen verbürgten Dokumenten. Gemessen an seiner heutigen Popularität und Anerkennung war sein Erfolg zu Lebzeiten bescheiden. Seine künstlerische Bedeutung sollte erst von der Nachwelt erkannt werden.

Lebensstationen Seine Jugend verbrachte Modigliani in Italien, wo er die Kunst der Antike und der Renaissance studierte, bis er 1906 – schon in Kenntnis der Werke der Impressionisten und Symbolisten – nach Paris zog. Er bezog ein Atelier auf dem Montmartre, später auf dem Montparnasse und war aus der ausschweifenden Künstlerszene nicht wegzudenken. Freundschaften wie zum deutschen Maler Ludwig Meidner prägten diese Pariser Avantgarde vor dem 1. Weltkrieg.

1907 war ein entscheidendes Jahr in seiner künstlerischen Laufbahn – lernte er doch den jungen Arzt Paul Alexandre kennen, der ihn seitdem mit Käufen und Kontakten unterstützte. So soll das früheste Porträt in der Ausstellung vom Vater des Arztes, Jean-Baptiste Alexandre, 1909, nicht nur die private Bedeutung belegen, sondern auch aufzeigen, an welchem malerischen Umbruch er sich zu der Zeit bewegte und wie sehr er sich mit den künstlerischen Strömungen auseinandersetzte und für sich modifizierte. Das Studium der fein kubistisch geprägten Werke Cézannes scheint zum Leitbild für ihn zu werden und ihm die künstlerische Freiheit zu geben, die Deformation, Überlängung, Idealisierung als Stilmittel für eine dennoch individuelle Aussage einzusetzen. Auch die vorkubistischen Werke Picassos aus der Rosa Periode sind wichtige Grundlagen für die Figur in seinem malerischen Bemühen.

Pablo Picasso und Constantin Brâncusi arbeiten nun an ihren – lärmenderen – kubistischen Analysen der Malerei und setzen damit Maßstäbe, die einen noch suchenden Künstler, wie Modigliani an die Seite drängen. Seine Freundschaft mit Brâncusi ab 1909 führt ihn wohl zur Skulptur, die ab dieser Zeit (bis um 1913) einen großen Stellenwert einnimmt und von der in der Ausstellung Arbeiten wie Kopf, um 1911/12, die Intensität seiner Auseinandersetzung dokumentieren. Er beschäftigt sich zeichnerisch und bildhauerisch eingehend mit dem Thema der 'Karyatiden', einer tragenden, weiblichen (Portal-)Figur in der griechischen Architektur. Die großformatige Karyatide, 1911/12, ist ein herausragendes, kubistisch orientiertes Beispiel hierfür.

Im Frühjahr 1914 lernte Amedeo Modigliani den Kunsthändler Paul Guillaume kennen (angefragt: Paul Guillaume sitzend, 1916), der seine Vertretung übernahm, nachdem er mit Beginn des Ersten Weltkrieges seinen Förderer Paul Alexandre aus den Augen verloren hatte. Zu Kriegsbeginn meldete sich Amedeo Modigliani freiwillig zum Kriegsdienst, wurde jedoch aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht eingezogen. Daher gehörte er zum kleiner gewordenen Kreis von Künstlern – wie Chaim Soutine (angefragt: Bildnis Chaim Soutine, 1916) und Maurice Utrillo – die sich auch in Paris aufhielten und ein exzessives Leben führten. Die Werke ab 1914 bis zu seinem frühen Tod scheinen die eigenständigsten und klarsten zu sein und seine stilistische Suche, sein ‚Ausprobieren’ hinter sich zu lassen. Je enger seine Beziehung zum Dargestellten war, umso reiner, lyrischer und vielschichtiger erstrahlen die Porträts und lassen die Seele, das Individuelle durchscheinen.

Seine Beziehung mit der englischen Kolumnistin Beatrice Hastings (1914 – 1916) soll durch einige heitere Porträts, wie Frau vor dem Kamin, 1915, oder Beatrice Hastings in kariertem Hemd, 1916, in der Ausstellung illustriert werden. Auch Modiglianis weitere Darstellungen der Pariser Avantgarde, wie von Pablo Picasso, Jacques Lipchitz oder Chaim Soutine (für den Modigliani ein enger Freund und Unterstützer war) sicherten ihm einen eigenen Platz unter den Pariser Künstlern, da er wie kein anderer mit seinen Werken ein stilles, nicht milieugeprägtes und dennoch eindrucksvolles Bild dieser Szene zeichnete.

Durch die Vermittlung des befreundeten Künstler Moïse Kisling (angefragt: Bildnis Moïse Kisling, 1916) lernte Modigliani den polnischen Kunsthändler und Dichter Leopold Zborowski (angefragt: Portrait Léopold, 1917/18) kennen. Dieser verfügte als Händler zwar nicht über die Kontakte Guillaumes und dessen Gespür für die avantgardistische Malerei, dennoch unterstützte er Modigliani in dessen letzten Lebensjahren. So nahmen er und seine Frau Anna (angefragt: Anna Zborowska, 1916) den Künstler in ihre Wohnung auf, nachdem er sich von Beatrice Hastings getrennt hatte. Wie schon Guillaume, zahlte auch Zborowski Modigliani ein Honorar, sowie das Malmaterial und die Aktmodelle.

Modigliani fertigte zwischen 1916 und 1917 eine Serie von etwa 30 Aktgemälden an, die durch ihre sinnliche Sensibilität (trotz der formalen Schemata) bestechen und von denen die schönsten in der Ausstellung vereint werden sollen (angefragt: Weiblicher Akt, um 1916, Akt, 1917 oder Liegender Akt auf roter Couch, 1917). Auf Vermittlung seines neuen Händlers wurden diese Bilder in der Galerie der Kunsthändlerin Berthe Weill, Paris, gezeigt, was damals durch die Präsentation eines Bildes im Schaufenster einen Skandal hervorrief.

Anfang 1917 lernte Modigliani die 19-jährige Kunststudentin Jeanne Hébuterne kennen und es lässt sich sicher behaupten, dass die ruhigsten, innigsten Porträts in diesen Jahren entstanden (angefragt: Blaue Augen, 1917 oder Porträt Jeanne Hébuterne, sitzend, 1918). 1918 verließen sie zusammen mit dem Ehepaar Zborowski und Modiglianis Freund Chaim Soutine Paris, als eine Invasion deutscher Truppen drohte, um an der französischen Mittelmeerküste zu leben. Über das Jahr in Südfrankreich ist nur wenig bekannt, da es kaum schriftliche Dokumente gibt. Sicher ist, dass im November 1918 in Nizza Jeanne Hébuterne eine Tochter gleichen Namens zur Welt brachte.

Im Frühjahr 1919 kehrte Modigliani mit Jeanne Hébuterne nach Paris zurück, wo er sich im Sommer mit ihr verlobte und sie ihr zweites Kind erwarteten. Er nahm am ‚Herbstsalon’ teil und erstmals wurden seine Werke durch die Vermittlung Zborowskis außerhalb von Paris in England gezeigt. Auch wenn er immer noch am Rande seiner finanziellen Existenz lebte und nur mit Hilfe von Freunden und Förderern leben und arbeiten konnte, scheint dieses Jahr eine positive Wende zu nehmen. Bilder wie die zu Beginn erwähnte Landschaft des 'Midi' oder Thora Klinckowström (angefragt) zeigen seine neue Offenheit und das einzig existierende Selbstporträt aus diesem Jahr überzeugt durch die Darstellung eines selbstbewußten Künstlers in klassischer Malerpose (angefragt).

Umso schwerer der Schicksalschlag, als er zum Jahresende an Tuberkulose erkrankte und am 24. Januar 1920 starb. Jeanne Hébuterne beging am nächsten Tag durch einen Sturz aus dem Fenster Selbstmord und setzte damit auch dem Leben ihres ungeborenen Kindes ein Ende. Modigliani wurde unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof Père Lachaise in Paris beigesetzt und Jeanne Hébuterne später, nachdem ihre Familie den Widerstand aufgegeben hatte, neben ihm begraben.

Zusammenfassung Die Ausstellung unternimmt den Versuch, die große Kraft der – sich auf den ersten Blick scheinbar stark ähnelnden – Bilder Modiglianis zu offenbaren. Sie will darlegen, wie er mit der formalen Einheitlichkeit seines Schaffens, oft verbunden durch den roten Faden der Melancholie, zu einer Individualität in der Darstellung gelangt, der man sich nicht entziehen kann. Zunächst orientiert an damaligen Kunstströmungen findet er bald seinen eigenen Stil, hält sich treu an den ihm vertrauten Gegenstand und zollt ihm mit seinen tiefen Empfindungen liebevollen Respekt. Seine Werke belegen alle die lustvolle, unruhige Lebensweise eines Künstlers, der sich mit tiefer Traurigkeit seiner Verletzbarkeit und Endlichkeit von Kindesbeinen an bewusst ist und der die Euphorie des Rausches braucht, um zu leben und zu arbeiten.

Die Ausstellung orientiert sich eng am Lebensweg des Künstlers und spiegelt wichtige Einschnitte wider. Geplant ist eine Zusammenstellung von etwa 70 Gemälden, 30 Zeichnungen und einigen Skulpturen aus den Jahren 1909 bis 1919, also fast aus der kompletten Schaffenszeit des Künstlers.

(Pressevorankündigung)

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Amedeo Modigliani
Kuratoren: Christoph Vitali, Susanne Kleine