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In Amelie von Wulffens Ausstellung „Bitte keine heiße Asche einfüllen“ sind Zeichnungen und Aquarelle zu sehen, parallel dazu erscheint das gleichnamige Künstlerbuch im Verlag Walther König und wird mit der Ausstellungseröffnung offiziell vorgestellt.

Beim ersten Blick auf Amelie von Wulffens neue Arbeiten, glaubt man Zeuge eines intimen Berichts zu werden. Aber bald wird erkennbar, dass es ihr nicht um ungefilterte Bekenntnisse und den authentischen Ausdruck ihrer selbst geht. Vielmehr erscheint das Ich als eine Erfindung und sieht sich als eine Art leere Ikone in verschiedene kunsthistorische und biografische Szenarien geworfen. Die KünstleridentitaÅNt ist nicht unmittelbar gegeben und kann nur vage angepeilt werden, droht sie doch immer, sich in einer unübersichtlichen Vielheit zu verlieren. Hinter jeder Maske kommt eine weitere Maske zum Vorschein; die von Amelie von Wulffen bis zur Redundanz getriebene Selbststilisierung kann auch als Kommentar zu den Ich- Performances des neoliberalen Alltags gelesen werden. Innenansichten, Träume und kunsthistorische Settings vermischen sich in dieser aussichtslosen Archäologie des Selbst, trotzdem kommen in den Erinnerungsbildern und Aneignungen historischer Vorbilder wiederkehrende Motive und Themen vor. Da ist etwa die Zurichtung durch andere, die im Klassenzimmer ebenso stattfindet wie im Kunstbetrieb, dessen Lob-und-Tadel-Kultur sanfte Beschädigungen hervorrufen kann. Der Anerkennungsstress entsteht nicht zuletzt durch die Projektionen auf das glamouröse Künstlerleben, im Ausstellungstitel wird die Funktion des Künstlers als buchstäblicher „Container“ für Fantasien und (biopolitische) Erwartungen denn auch höflich zurückgewiesen.

Dass man sich hier nicht in einem abgesicherten Parcours bewegt, sondern in einer nach vielen Seiten offenen Zone, deuten auch die krassen QualitaÅNtsbrüche an. Akribische, vor dem Spiegel entstandene Porträtstudien werden mit kruden teils comicartigen Bildfindungen und automatisch, nebenbei entstandenen Kritzeleien in Beziehung gesetzt. So wird das Genre „Zeichnung“ auf seine vielschichtigen Möglichkeiten hin ausgeleuchtet. Natürlich ist die rissige Anti-Ästhetik bewusst inszeniert, gleichwohl geht es bei all dem Virtuositätsverzicht nicht um eine „mindere Kunst“ für ungemütliche Zeiten. Von Wulffen klettert durchaus auf die Schultern von Riesen. Denn neben Kinderbüchern des 19. Jahrhunderts, esoterischer Wartezimmerkunst und Pompejischer Malerei sind Delacroix, Arcimboldo, von Marees und van Gogh Bezugspunkte ihrer Arbeiten.

In Bitte keine heiße Asche einfüllen geraten Subjekt und Objekt, Geschichte und Gegenwart in einen Strudel der Ununterscheidbarkeit. Dem Betrachter bleibt es überlassen, in diesem weitgefächerten Komplex die Phantasmen und Phantome eines singulären, vielleicht sogar kollektiven Unbewussten ausfindig zu machen.

Text: Aram Lintzel

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Amelie von Wulffen
Bitte keine heiße Asche einfüllen