press release only in german

Luftbilder, Aufnahmen aus der Vogel- oder Überflugperspektive besitzen seit jeher eine ganz eigene Faszinations- und Anziehungskraft – sei es aufgrund der übersichtlichen Erfassung eines größeren Gebiets, durch die Freude am Entdecken winziger Details in einer komplexen Struktur oder auch wegen der schwebenden Ungebundenheit des Blickwinkels, der für die meisten nur mit größerem Aufwand einzunehmen ist. Kann man dann z. B. noch scheinbar ungehindert durch ein Hausdach hindurchsehen, ist man endgültig in der Rätselhaftigkeit eines eigentlich sehr nüchternen fotografischen Bildes gefangen: Der Düsseldorfer Fotokünstler Andreas Gefeller zeigt mit einer kleinen Serie innerhalb der "Supervisions" komplette Plattenbauwohnungen aus der Vogelperspektive und scheinbar ohne die die Sicht behindernden Decken.

Tatsächlich jedoch sind die lotrechten Aufnahmen aus anscheinend großer Höhe eine optische Täuschung, die auf ein vor allem zeitlich aufwändiges technisches Verfahren zurückzuführen ist. Bei genauem Hinsehen nämlich entdeckt man in den großformatigen Motiven Gefellers merkwürdige "Fehler", perspektivische, farbliche oder beleuchtungstechnische Ungereimtheiten und Brüche, die schließlich offen legen, dass jeder einzelne der großen fotografischen Abzüge aus zum Teil mehr als einhundert Teilansichten zusammencollagiert wurde. Gefeller "scannt" dafür nach einem zuvor festgelegten und dann präzise eingehaltenen Raster die Oberfläche mit seiner Digitalkamera aus etwa zwei Metern Höhe und setzt diese Einzelaufnahmen anschließend akribisch am Computer wieder zusammen. Dabei legt er Wert auf die Tatsache, dass außer einer leichten Kantenglättung keinerlei digitale Manipulation an den Einzelaufnahmen vorgenommen wird. Das Auge des Betrachters aber lässt sich durch diese sorgfältige Collage gerne verführen und konstruiert schließlich einen Kamerastandort aus großer Höhe, den es so nie gegeben hat.

Mit seinem Fotoprojekt "Supervisions" bewegt sich Andreas Gefeller gezielt in den Zwischenbereich von fotografischer Dokumentation und Illusion. Seine Arbeiten frieren scheinbar einen einzigen Moment ein und enthalten doch sowohl während der langwierigen Aufnahme als auch bei der späteren Montage ein großes Maß an Zeit. Sie tasten einerseits akribisch die Oberflächen urbaner Räume ab und bewegen sich dennoch weit jenseits ihrer tatsächlichen Erscheinungsform als belebte, von Menschen genutzte Flächen. Und schließlich dokumentieren sie sachlich neutral eigentlich eher unspektakuläre Orte eines städtisch industriellen Lebens und rücken sie doch über Ausschnitt und Motivwahl in ein fast poetisches Licht, in dem manche seiner Motive eher malerischen Fragestellungen zu folgen scheinen. Nach der Erkundung der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Manipulierbarkeit der fotografischen Wirklichkeit führt Andreas Gefeller damit die Fotografie wieder zurück zur »Aufnahme« der Wirklichkeit, die dennoch die Brüchigkeit dieser bildlichen Repräsentationsform nur um so deutlicher hervortreten lässt.

Für diese Arbeit, die die scheinbar bekannte Welt aus neuer Perspektive und mit überraschenden Ansichten zeigt, bekam Andreas Gefeller im Sommer 2004 den renommierten Kunstpreis der Stadt Nordhorn zugesprochen. Die Ehrung umfasst neben einem Preisgeld von 4.500 Euro und einer eigenständigen Publikation auch eine Ausstellung in der Städtischen Galerie Nordhorn, die nun am 19. November 2004 um 20 Uhr eröffnet wird.

Andreas Gefeller wurde 1970 in Düsseldorf geboren und begann 1992 sein Fotografiestudium an der Universität Essen, das er im Jahr 2000 mit einem Diplom mit Auszeichnung bei Bernhard Prinz beendete. 2001 wurde er an die Deutsche Fotografische Akademie in Leinfelden berufen und erhielt den Reinhart-Wolf-Preis. Neben mehreren Galeriepräsentationen u. a. in Düsseldorf, Hamburg und Amsterdam nahm er bereits an Ausstellungen im Kunsthaus Kaufbeuren, im Museum Kunstpalast Düsseldorf sowie an der Biennale de Liège in Belgien teil. In Nordhorn werden seine "Supervisions" erstmalig in diesem Umfang und als große Einzelausstellung zu sehen sein.

Der Kunstpreis der Stadt Nordhorn wird im Übrigen in diesem Jahr zum 25. Mal vergeben und feiert damit selbst ein kleines Jubiläum. Frühere Preisträger waren u. a. Timm Ulrichs (1980), Franz Erhard Walther (1985), Franz Ackerman (1997), Peter Dombrowe und Christopher Muller (2000), Beate Gütschow und Stepanek/Maslin (2001), Anna Gudjónsdóttir (2002) sowie Jörg Wagner (2003).

only in german

Andreas Gefeller: Supervisions
Kunstpreis der Stadt Nordhorn 2004
Kurator: Roland Nachtigäller