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In einer umfassenden Einzelausstellung zeigt die Sammlung Goetz im gesamten Museum und im BASE 103 mehr als 70 Einzel- und mehrteilige Werke von Andreas Hofer, die aus den Jahren 1995 bis 2009 stammen. Die Ausstellung wird, wie auch die letzten Präsentationen der Sammlung Goetz, von dem Künstler auf der Grundlage der in der Sammlung befindlichen Werke selbst kuratiert. Dazu gehören große Rauminstallationen genauso wie Gemälde, Zeichnungen, Collagen und Skulpturen. Andreas Hofer hat einige der Werkgruppen aus der Sammlung zusammengefasst, um Situationen herzustellen, die ähnlich konzentriert sind wie die Ausstellungen, in denen diese Arbeiten ursprünglich gezeigt wurden. Er schafft im Rahmen der Architektur des Museums neue Stimmungen und eigenständige Räume. Wie kaum ein anderer Künstler hat Hofer eine komplexe Ikonografie entwickelt, die verschiedene Atmosphären und Erzählstoffe des Fiktiven und der Imagination in der Kunst aufgehen lässt. Er konfrontiert sowohl die Moderne einschließlich ihrer Gespenster und Zeichen – aus den aktuellen, populärkulturellen Paralleluniversen – als auch die Trümmer der Geschichte und Gegenwart mit der Wirklichkeit sowie mit unvorstellbarer Zukunft und fantastischer Vergangenheit. Dabei entsteht, wie der Künstler beschreibt, eine „labyrinthische Unendlichkeit“.

Seine Inspirationen bezieht Hofer aus einer Vielzahl von Quellen; unter anderem auch aus der Welt der Comics, die er allerdings lediglich als Ausgangspunkt verwendet. Er appropriiert sie jedoch nicht wie beispielsweise Pop-Art-Künstler oder liest sie narrativ, sondern entwickelt die Figuren, Geschichten und Landschaften mit einer eigenen Erzählung und durch seinen eigenen Malstil weiter, der zwischen Comic, Suprematismus und Expressionismus oder zwischen Jack Kirby und Paul Klee angesiedelt werden muss. Dabei geht er fragmentarisch vor und arbeitet mit Übermalungen, Collagen und Cutouts. Wie in der Science-Fiction sind in Hofers Welt die Gesetze der Physik überwunden, sodass sowohl Reisen in entfernte Galaxien möglich sind als auch Zeitreisen in die prähistorische Vergangenheit und verschiedene utopische Zukunftswelten. In seinem Werk begegnen sich ausgestorbene Urzeitmonster, SS-Schergen, fliegende Superhelden, kämpfende heroische Krieger und Aliens, manchmal eingebettet in Landschaften, die beispielsweise an Wassily Kandinskys Frühwerke erinnern. Die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte, insbesondere mit den Positionen von Edvard Munch und Kasimir Malewitsch, ist für Hofer genauso wichtig wie diejenige mit Hollywood-Klassikern ab den 1930er-Jahren, trashigen B-Movies oder dem gesamten Science-Fiction-Genre in Comic und Film. Hedy Lamarr, Frances Farmer, Veronica Lake, Gene Tierney, John Wayne und Charles Manson spielen in seinem Werk ebenso eine Rolle wie Spiderman und Batman, die Hofer jedoch alle als gebrochene Charaktere darstellt und dadurch in einen neuen, unerwarteten Kontext überführt.

Letztgenannte Figur ist namensgebend für die Installation Batman Gallery (2004), die im Obergeschoss des Museums den Auftakt zur Ausstellung bildet. Batmans fliegender Umhang ist hier zur dynamischen und zugleich mobilen Architekturskulptur geworden, die den Galerieraum bildet, in dem Hofer exemplarisch eine Auswahl verschiedener seiner Werke ab 1995 in einer Art Mini-Retrospektive angeordnet hat.

Eigens für die Ausstellung in der Sammlung Goetz und ausschließlich basierend auf Gemälden aus der Sammlung hat der Künstler eine neue Rauminstallation, Infinity Crisis, geschaffen, die ebenfalls im Obergeschoss zu sehen ist: Aus diesen Gemälden hat er eine Tapete entworfen, die deren Motive vielfach reproduziert und den gesamten Raum einkleidet – wie ein Science-Fiction-Kabinett aus der Zukunft, das den Besucher verblüfft und beeindruckt. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass auf der Tapete die Gemäldevorlagen im Original in einer Motivdopplung zusätzlich gehängt sind, was nicht nur zu einer optischen Irritation führt, sondern auch die Fragen nach Original und Reproduktion und nach der Reihenfolge der Entstehungszeit von Tapete und Kunstwerk benutzt, um die Ausstellungssituation selbst als eine Mischung von Fiktion und Wirklichkeit zu zeigen.

Im Untergeschoss betritt man die höhlenartige Installation Trans Time (2006), in die der Betrachter ebenfalls eintauchen kann und die ihn in ihren Bann zieht: Hier ging es Hofer darum, einen Raum zu erzeugen, „der den Eindruck erweckt, dass man seinen Kopf in ein Drei-D-Bild steckt, einen Raum, der wie ein Bildschirm wirkt und doch kein Bildschirm ist, einen Raum, der real ist und doch wie ein Hologramm erscheint, einen Raum, der hier ist und doch gleichzeitig woanders“.

Hofer spielt mit fiktiven Identitäten und Alter Egos, indem er während des Arbeitsprozesses jeweils in unterschiedliche Rollen schlüpft und unterschiedliche Charaktere annimmt, was seit Ende der 1990er-Jahre in seinen verschiedenen Signaturen zum Ausdruck kommt: beispielsweise Andy Hope 1930, Ylla oder Dead Jesus. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Pseudonym, sondern – wie er selbst äußert – die jeweiligen Figuren stehen zwischen ihm und seinem Werk.

Wie im Comic nehmen Schrift, Titel und deren grafische Gestaltung im Werk Hofers eine eigenständige und wichtige Position ein. Diese Komponenten erweitern die bildliche Ebene um eine inhaltliche Dimension und unterscheiden sich durch ihre Verkürzung formal und in ihrer Bedeutung stark vom Comic.

Die Sammlerin Ingvild Goetz schätzt an Andreas Hofers Kunst das Eigenwillige und Eigenständige. Seine Ausstellung 2005 im Lenbachhaus in München begeisterte sie so sehr, dass sie ihn seit dieser Zeit kontinuierlich sammelt und in seinem Schaffen begleitet.

Andreas Hofer wurde 1963 in München geboren und studierte von 1991–1997 an der Akademie der Bildenden Künste München sowie am Chelsea College of Art and Design in London. Seit dem Jahr 2000 lebt und arbeitet er in Berlin. Bereits seit Mitte der 1990er-Jahre wurden seine Werke – einschließlich der oftmals raumfüllenden Installationen – nicht nur in Deutschland, sondern auch international in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Galerien und Museen gezeigt. Dazu zählen u. a. Welt ohne Ende in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München (2005), Goetz meets Falckenberg in der Kulturstiftung Phoenix Art in Hamburg (2005) sowie The Long Tomorrow im MARTa Herford in Herford (2007). Hofers Ausstellungen werden häufig begleitet von Publikationen, die der Künstler selbst gestaltet hat.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Ingvild Goetz, Stephan Urbaschek, Katharina Vossenkuhl und John C. Welchman (dt./engl.).