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Klänge, die Orte hervorbringen. Zu Andreas Oldörps Arbeiten in der Berliner Parochialkirche

Seit 1988 hat Andreas Oldörp sich intensiv mit der Beziehung von Raum und Klang auseinandergesetzt. Seitdem hat er ein komplexes und vielfältig variables System für Klang-Raum-Installationen entwickelt. So verwendet er in seinen Arbeiten unterschiedlich konstruierte Formationen von Orgelpfeifen oder 'Singende Flammen', die durch Luft oder Gas gespeist werden und deren Konstruktion sich jeweils eng an den Vorgaben des Raumes orientiert. Die Verschränkung der raumbezogenen Setzungen mit der Dimension des Klanges erst, ist laut Oldörp die Arbeit. Eigentlich handelt es sich dabei um synästhetische Konstellationen. Der Klang wird zum bildnerischen Material und korrespondiert mit der visuellen Dimension, die wiederum den spezifischen Raum, den die Arbeit einnimmt, transformiert.

In Oldörps Berliner Arbeiten in der Parochialkirche sind zwei sehr unterschiedliche Installationen entstanden. Im Kirchenraum sind in ca. zehn Metern Höhe an den Säulen der ehemaligen Kuppel vier 'Singende Flammen' kaum sichtbar. Sie werden mit Wasserstoff betrieben und können den großen, sehr 'trockenen' Raum mit einem verhaltenen aber sehr kräftigen Klanggewebe füllen. Das langsame Pulsieren einer tiefen Schwebung (die Glasröhren an den Pfeilern der Kreuz-Coche sind 3m und 3,003m lang) ist deutlich körperlich spürbar. Es bildete ein minimales 'Basso continuo' in das zwei weitere Flammen von den gegenüberliegenden Pfeilern hineinwirken und dem Raum vielfältige Klangbereiche ganz eigener Gestimmtheit öffnen.

Im Läutraum nimmt ein gläsernes Luftleitungssystem spannungsvoll Bezug auf die Richtungskräfte der sehr eigenen Architektur. Vierzehn Orgelpfeifen (aus verschiedenen Registern) verbinden ihre Klänge zu einem heterogenen Gewebe, dessen sehr filigrane Bezüge in deutlichem Kontrast zu der mächtig anmutenden Ausstrahlung des Kirchenraumes stehen.

Der Ausstellungsbesucher, der sich in einem der Räume befindet, nimmt im Umhergehen die Installation immer anders wahr, er 'komponiert' in seiner Bewegung die Abfolge seiner Wahrnehmungen. Der Rezipient befindet sich also nicht nur vor der Arbeit, sondern er gibt ihr seine Ordnung und vervollständigt so das Werk (i.e. das subjektive Kunsterleben).

Nach dem Philosophen Martin Heidegger ist der Raum kein Gegenüber des Menschen, und er ist weder ein äußerer Gegenstand noch ein inneres Erlebnis. Vielmehr ist der Aufenthalt des Menschen auf der Erde immer schon räumlich, und zwar nicht nur im mathematisch-meßbaren Sinn der Anordnung von Körpern auf Ebenen, sondern insbesondere im Sinne der mentalen Verfassung, die durch den Raum grundiert wird. Der Mensch bringt im Raum die Orte hervor, die er markiert und die ihm sowohl seine Orientierungen als auch sein Denken und Handeln ermöglichen.

In Oldörps Arbeiten wird ein vom Künstler symbolisch und funktional kodierter Raum, in dem Objekte, Materialien, Klänge aufeinander bezogen sind, zu einem Ort, der im teilnehmenden Betrachter eine unbestimmte, nicht religiös gebundene, sakrale Befindlichkeit hervorbringen kann (eine 'unspezifische Stimuliertheit' wie Oldörp es nennt). Der Betrachter, der sich in dieser KLANGARCHITEKTUR bewegt, geht ein in eine durch die künstlerische Arbeit konstituierte Raumzeit. Es ist ein Gehen, das ein gleichzeitiges Wahrnehmen und ein sich fortspinnendes Assoziieren ist. Ein Ortsbezug stellt sich ein, der eine Vergewisserung bedeutet, die Vergewisserung über das durchs Werk Wahrgenommene, das zum Werk zugehörig ist und in der Rückwirkung aufs Werk den Betrachter mitdenkt.

Pierangelo Maset

Pressetext

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Andreas Oldörp: Zwei Klanginstallationen für Parochial
Kurator: Carsten Seiffarth