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Die Malerei von Andreas Rück ist bunt, farbenfroh, dekorativ. Figuren wurzeln im Gegenständlichen und bilden doch eine Einheit mit den abstrakten Farbflächen. Behauptet sich seine Malerei als Tapete?

Claude Monet (1840–1926) hat Seerosen in abstrakte Farbteppiche verwandelt. Seit 1910 arbeitete er an den Nympheas und in einem Brief an seinen Freund und Biographen Gustave Geffroy schreibt er über seine Malerei: »Ich habe mir wieder die unmöglichsten Dinge vorgenommen: ich versuche Wasser zu malen, in dessen Tiefe Pflanzen wogen. Das ist schön anzusehen, aber beim Versuch es umzusetzen, wird man verrückt. Immer muß ich mich auf solcherlei einlassen!« Das Spätwerk von Monet ist nach seinem Tod in Frankreich in Vergessenheit geraten. Und doch sind es gerade die Seerosen-Bilder, die während eines Monet-Revival von einer Generation junger amerikanischer Maler als kraftvolle malerische Manifestation wieder entdeckt wurden. Bei den Abstrakten Expressionisten: Jackson Pollock, Barnett Newman, Clifford Still, aber auch beim europäischen Informel.

Im Unterschied zur abstrakten Malerei ging es Monet jedoch immer um das Hervorrufen von Stimmungen, wie sie beim Betrachten der Natur ausgelöst wurden. Doch insbesondere die Arbeiten, die Monet als Panorama plante oder die, in denen sich Gegenstände gerade noch als Referenz in einer ansonsten abstrakten Bildwelt zeigten, waren wegweisend für Maler, die seit den fünfziger Jahren und bis heute daran festhalten, Farbe als die elementarste Kraft der Malerei zu begreifen. Auch für Andreas Rück ist Farbe die Basis seiner Arbeit: »Mich interessiert die Farbe im Zusammenspiel mit anderen Farben. Dabei bediene ich mich einer fast collageartigen Zusammenstellung. Ich mag es, wenn Farbklänge mich überraschen, sich gegenseitig bedingen und zu einer Spannung zwischen Schönheit und Verwirrung führen. Lebensqualität ist, ein Hellblau über ein Dunkelblau zu malen, in enger Nachbarschaft zu Gold, Grün, Orange, Gelb, Zoelinblau und Spuren von Braun-Violett.«

Bei Rück sind es oft florale Elemente, aber auch Flecken, Punkte und Striche, die seine all-over Strukturen prägen. Blumen und Blüten boten schon den Impressionisten die Möglichkeit, unter dem Anschein einer gegenständlichen Form doch abstrakt mit Farben zu hantieren und sie zueinander in Beziehung zu setzen. Der Fleck ist, für das Bild gesprochen, der Moment, an dem die Idee des Malerischen mit dem Materiellen kollidiert. Man kann vom Fleck als einem Ereignis reden, das in die Vorstellung hinein bricht: Tomatensauce auf ein weißes Hemd oder Tinte in einen Brief. Das Unbeabsichtigte kollidiert mit dem Absichtsvollen. Doch bei Rück taucht der Fleck als Motiv auf. Er ist zwar passiert, jedoch als kalkulierte Möglichkeit einer Idee. So wie das, was man tut, um einen Fleck in einem (handgeschriebenen) Brief zu verbergen, indem man ihn in etwas Gewolltes verwandelt und Schnörkel aus ihm formt.

Die Fotografin Christina Zück findet ihre Bildmotive in Zoologischen Gärten, auf Reisen und an italienischen Badestränden. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich primär auf die Wiedergabe von Mensch und Tier in einem vorgefundenen, nicht inszenierten Kontext.

In Gießen sind einige der farbigen Tierporträts aus der Serie 'Wildlife Memories' zu sehen, die seit 1994 in nationalen und internationalen Zoos entstanden sind. Die Fotografien zeigen unterschiedlichste Tiere als scheinbar bereitwillige und geduldige Modelle in alltäglichen Situationen. Nicht als wilde, ungebändigte Kreaturen, sondern als ausnehmend friedliche und zahme Tiere. In einigen Fällen werden die Tiere in kulissenartigen Gehegen gezeigt, andere Arbeiten sind im klassischen Sinne Porträts und zeigen ausnahmslos das Tier oder sein Gesicht. Viele Tiere blicken direkt in die Kamera, begegnen dem Blick des Betrachters und steigern seine Aufmerksamkeit.

In seiner 'Untersuchung zur Metapsychologie des Bildes' schreibt Georges Didi-Huberman über die Spaltung des Sehens: »Was wir sehen gewinnt in unseren Augen Leben und Bedeutung nur durch das, was uns anblickt, uns betrifft. Dennoch ist die Spaltung, die in uns das, was wir sehen, von dem trennt, was uns anblickt, unausweichlich. Man sollte daher noch einmal von dem Paradox ausgehen, wonach der Akt des Sehens sich nur vollzieht, indem er sich zweiteilt.«

Der Blick der Tiere ist erschreckend präzise und ebenso gezielt, wie der des Betrachters. Nur das Reflektieren darüber, was dieses Sehen lehrt, dürfte (weil man gezielte Denkprozesse bei Tieren immer noch ausschließen kann) unterschiedlich verlaufen.

Auch wenn die Bilder nicht inszeniert sind – die Orte sind es. Der tropische Urwald oder die Weite der Steppe sind bröckelnde Panoramabilder, ebenso wie Palmen, Pflanzen und Bäume, die mühsam kultiviert (oder einfach an die Wand gemalt) werden, um die Illusion der Wildnis zu erzeugen. In diesen Landschaftsbildern liegen oder sitzen die Zootiere in sozialen Verbänden oder alleine.

Der Blick, den uns Christina Zück ermöglicht, macht die Tiere menschenähnlich und die Mischung von Bildebenen unterschiedlicher materieller Qualität (gemalte Hintergründe, echte Bäume, Tiere im Mittelgrund und ein realer Ast im Vordergrund) machen aus der Fotografie ein Werk mit malerischen Qualitäten. Wie in einem klassischen Landschaftsbild kann man in den Gehegen umherstreifen und Einzelheiten entdecken: einen Affen, der sein Spiegelbild in der Wasseroberfläche betrachtet.

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Andreas Rück "Quadratisch, praktisch, gut?"
und
Christina Zück "Was wir sehen blickt uns an"