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Andrzej Wróblewski Ein Barbar in einem Garten Malerei 1948-1957

Andrzej Wróblewski wurde 1927 in Wilna (Litauen) geboren und ist 1957 bei einem Ausflug in der Hohen Tatra gestorben. In nur etwas mehr als zehn Jahren hat er als Maler eine eigene ästhetische und symbolische Sprache entwickelt, um Fragen von Körperlichkeit und Vergänglichkeit zu untersuchen. Charakteristisch für sein künstlerisches Schaffen ist der allmähliche Übergang bzw. der Wechsel von abstrakter zu figurativer Malerei.

Der Titel der Ausstellung in der Galerie Isabella Czarnowska bezieht sich auf den Essayband „Ein Barbar in einem Garten” des polnischen Dichters Zbigniew Herbert, den er nach seiner ersten Auslandsreise in den Westen Ende der 1950er Jahre verfasst hat. Mit „Barbar” meint er jenes „barbarische Brandmal“ des Kommunismus, der auf ihm lastet, als er sich mit der Kultur der freien Welt konfrontiert sieht. Im Werk von Wróblewski ist ein Barbar jemand, der die bestehende Kultur zerstört, und jeder, der seine Überlegenheit anderen gegenüber gnadenlos einsetzt. In seinem künstlerischen Denken ist dieser Henkertypus jemand, dessen Überlegenheit oft nur darin besteht, dass er lebt, und als solcher wird er für ihn zu einer Metapher der Naziokkupation. Wróblewskis kurze Reise durch die Kunst war ein Oszilieren zwischen der Welt der Lebenden und der Toten, der Täter und der Opfer, zwischen der Katastrophe und der auf sie folgenden Rekonstruktion.

Nach seiner Repatriierung aus Wilna nimmt Wróblewski 1945 das Studium der Malerei und Skulptur an der Kunstakademie in Krakau auf. In Opposition zu der an der Akademie dominierenden Strömung der Kapismus, der sich an die französische Moderne anlehnt, gründet er u. a. mit dem späteren Filmregisseur Andrzej Wajda die Autodidaktische Gruppe. Zum ersten Mal öffentlich ausgestellt werden seine Bilder 1948 auf der I. Ausstellung moderner Kunst in Krakau. Von 1945 bis 1948 studiert er außerdem an der Universität Kunstgeschichte. Es entstehen zahlreiche theoretische Texte und ideologische Statements, die in Kunstzeitschriften publiziert werden.

Wróblewskis Werk vom Ende der 1940er Jahre ist ein Versuch der Abrechnung mit dem Katastrophismus der Moderne nach dem Zweiten Weltkrieg. Er betrachtet die Kunst als Mittel zum Aufbau einer neuen Ordnung und sieht sie eng mit der Idee des Zivilisationsfortschrittes verbunden. Mit geometrischen bzw. architektonisch anmutenden Kompositionen, die eine moderne Funktionalität ausstrahlen, versucht er, die Wirklichkeit einer Utopie zu beschreiben. Er nutzt die abstrakte Kunst zur Darstellung von Kosmogonien und anderen Schöpfungsprozessen. In der differenziert ausgearbeiteten, auf Elementarformen aufbauenden Architektonik des Bildes steht eine eigentümlich beseelte Dynamik im Mittelpunkt. Auf einer Gouache wie „Himmel über einer Stadt” von 1948 etwa produzieren die mosaikartigen Himmelskörper aus einer Art Dauerbewegung heraus eine Energie, die die Beziehung zwischen dem leeren, aber belebten Raum und den geschlossenen Blöcken einer Menschenwelt zum Ausdruck bringt. Gerade in solchen Arbeiten kristallisiert sich die Idee des Bildes als eines autonomen Ganzen, das auf Gegensätzen basiert. Die so dynamisierte geometrische Abstraktion verbindet sich in der Serie „Versunkene Städte” mit einer Traumwelt. Einzelne Fische strömen in eine universelle Stadt, die gerade erst entsteht oder erneut ersteht. Die in einer Sintflut versunkene Stadt ist in der judeo-christlichen Tradition der Prototyp einer künftigen Zivilisation, die gleichzeitig ihren Ausgangspunkt in einer mythischen, einer biblischen Zeit hat.

Während in Wróblewskis abstrakter Malerei Kosmogonien zum Ausdruck kommen, verweisen seine figurativen Bilder auf körperliche und seelische Bedrängnis und Dekonstruktion. Die Dramaturgie der Figuren, insbesondere in der bekannten Serie der „Erschießungen”, ähnelt einer Fotoreportage. Voraussetzung bei solchen Themen ist für den Künstler eine kommunikative, jedem verständliche Malerei. Er will eine „Mobilisierung der Gefühle” hervorrufen und formuliert die radikale Devise: „Ich möchte, dass ein Bild eindeutig wirkt, das heißt, es sollte beim Betrachter genau dieses Erlebnis hervorrufen, um das es mir ging, und zwar bei jedem Betrachter das gleiche”. Als sich Wróblewski mit seinen Bildern von 1956-1957 enttäuscht wieder von der Doktrin des sozialistischen Realismus abwendet, die er eine zeitlang propagiert hatte, wird er von seinem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld zum „Neobarbaren” gestempelt.

Auf Grund von Kriegserlebnissen im privaten Umfeld und als Beobachter des biologisch, materiell und kulturell zugrunde gerichteten Polens ist dem Künstler die Vorstellung eines allgemeinen Niederganges der Zivilisation nicht fremd. Die Realität schien die utopischen Träume und Ideale des 20. Jahrhundert lächerlich gemacht zu haben. In seinen späten Arbeiten bezieht er die universelle Katastrophe jedoch auf das Individuum und seine Physis. Die Körperlichkeit, wie Wróblewski sie darstellt, ist dabei von einem Dualismus geprägt: Sie ist zerbrechlich, man kann sie angreifen und zerstören; gleichzeitig bestimmt sie vollkommen die menschliche Existenz. Er unternimmt zahlreiche Versuche, die Widerstandsfähigkeit des Körpers in seinen Arbeiten zu erforschen, in dem er ihn z. B. des Kopfes beraubt, einem extremen Licht aussetzt, ihn auf eine reine Funktionalität reduziert oder entindividualisiert.

Andrzej Wróblewski zählt heute zu den wichtigsten Künstlern nach 1945 im Mittel- und Osteuropa. In Polen beeinflusste er entscheidend die Entwicklung einer neuen Figuration in den 1960er Jahren sowie die „Junge Malerei” der 1980er Jahre. Die Nationale Kunstgalerie Zachęta in Warschau organisierte 1958 und 1997 umfangreiche retrospektive Ausstellungen, ebenso 1998 das Nationalmuseum in Krakau. Das Van Abbemuseum in Eindhoven richtete 2010 unter dem Titel „To the Margin and Back” eine Schau ein, die Wróblewskis Werk zum ersten Mal einem internationalen Publikum vorgestellte. Für 2013 ist eine umfassende Ausstellung seines Werkes in K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf geplant.

Katarzyna Falęcka

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Andrzej Wroblewski
A Barbarian in the Garden. Paintings 1948-1957