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In allen ihren medial vielseitigen Arbeiten verfremdet Anna Talens die Dinge, taucht sie in Poesie und lässt sie somit verwandelt neu entstehen. Selbst ihre recht abstrakten, mitunter aquarellierten Bleistiftzeichnungen stellen fragile Gebilde dar, die einerseits nichts anderes als simple geometrische Formen sind. Andererseits scheinen sie wie farbig angehauchte und dadurch sichtbare Luftblasen oder kostbare Perlen auf imaginären Seidenschnüren vor dem leeren und abschirmenden Blattfond zu schweben.

Mittels brillant inszenierter Fotografien lässt Talens dann gar ein echtes Schneckenhaus zum Auge eines Fisches werden, dessen Körper wiederum eine Vogelfeder und deren Schatten bilden. Dieses Spiel mit der Wahrnehmung und das Aufzeigen (mindestens) doppelter Sinn- und Ursprungsbezüge des Dinglichen, bei Talens oft des natürlichen objet trouvé, gehen letztlich auf die antike Philosophie, speziell Platos, zurück. Entsprechend künstlerische Darstellungen mittels phantasiereicher Formenkombinationen sind aber vor allem aus dem Barock und später besonders von den Surrealisten her bekannt. Auch Talens’ multimediale Arbeiten künden vom Vermögen der Kunst, nicht nur das Auge zu täuschen, sondern nach den Ideen hinter den Dingen zu fragen, Imaginationen auszulösen und Unbewusstes zu erwecken. Dabei werden häufig Sinnzusammenhänge nachgewiesen, die sich weniger auf rational-reale Betrachtungsweisen, sondern auf Traumarbeit und Phantasie stützen.

Dennoch bewundert Anna Talens den deutschen Zoologen Ernst Haeckel, der sich an den Kunstformen der Natur noch (wissenschaftlich) berauschen konnte, die er in Pflanzen und niederen Lebewesen erkannte und dann von 1899 bis 1904 in seinem phantastischen Tafelwerk publizierte. Heute bedarf es schon anderer Dinge, um uns derart zu entzücken. Oder sah man damals, noch nicht bildergeflutet usw., einfach nur länger hin? Haeckel jedenfalls bekam als ausgewiesener Wissenschaftler und bekennender Darwinist die Kritik seiner Fachkollegen und den Unmut seiner Zeitgenossen ob seiner geschönten, ästhetisierten „Natur-Kunst-Formen“ zu spüren. Mancher Gestalter allerdings mag dem Naturphilosophen dankbar gewesen sein für so viel anregenden Formenreichtum.

Demgegenüber ist Anna Talens freie Künstlerin und somit befugt, gar neue Spezies zu entdecken. Doch wird sie im Kunstbetrieb manchmal mit der Frage konfrontiert, wie ihre kleine Welt der Dinge, welche die große doch spiegelt, lediglich schön sein könne... Wie souverän die Künstlerin mit verschiedenen Medien agiert, verdeutlichen auch jene fragilen, plastischen Gebilde, die sie aus ihren Zeichnungen „materialisiert“. Solcherlei Drahtplastiken folgen seit 2006 die Tejidos, die als kleinformatige, durchlässige „Gespinste“ Unsichtbares genauso „beinhalten“, wie plastisch Positives und sichtbare Dinge. Diese leichten und perforierten, zerbrechlichen und durchaus dekorativen „Windgefäße“ ähneln wiederum bekannten Naturformen, etwa Meerestieren oder Früchten. Somit transformiert Talens Material wie Form im doppelten Sinne. Zu Scharen oder Schwärmen verdichtet, nehmen sie mitunter als Installationen ganze Wände und Raumfluchten ein. Für Ludwigsburg soll eine neue, ortsbezogene Installation in der zentralen Oberlicht-Halle entstehen sowie eine umfangreiche Ausstellung von neuesten Werken spanischen Künstlerin gezeigt werden.

Silke Opitz, Kuratorin