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Mit der Einzelausstellung "Was übrig bleibt" stellt der Kunstverein Tiergarten die faszinierenden Arbeiten des Schweizer Künstlers Anselmo Fox vor. In einer vielschichtigen Synthese aus Videoarbeiten, Zeichnung, Skulptur und Fotografie hat der 1964 in Mendrisio/Tessin geborene Bildhauer für die Galerie Nord ein thematisches Ausstellungskonzept entwickelt. Darin widmet er sich komplexen Fragen nach Körperlichkeit, nach dem physischen Dialog zwischen lebloser Materie und inspirierten Körpern und - in einem metaphorisch begriffenen Sinn - nach den nicht sichtbaren und damit nur schwer zu visualisierenden Innenräumen und Volumina von Körpern. Fox' Konzept macht diese zum Schauplatz eines gleichermaßen physischen wie symbolischen Prozesses der Durchdringung und transitorischen Umkodierung im Augenblick des Betrachtens.

In den Jahren 2010 bis 2011 begleitete der Künstler dazu die umfangreichen Restaurierungsarbeiten an der 1873 errichteten Siegessäule im Berliner Tiergarten. Besonders faszinierten ihn die Blessuren der historistischen Bronzereliefs im Sockelgeschoss. Diese Granatkrater und Einschusslöcher, welche die ursprünglich heroischen Heldendarstellungen zu einem brüchigen Sinnbild für Krieg, Zerstörung und nationalistische Verblendung werden ließen, waren bis zu ihrer glättenden Rekonstruktion von Bienen und verschiedenen anderen Insekten bevölkert. Über die Jahre hatten sich in ihnen natürliche Habitate für die Pioniere im urbanen Raum entwickelt. Aus der intensiven Beobachtung dieser, für Anselmo Fox in Relation zur menschlichen Lebenswirklichkeit der Gegenwart geradezu metaphorischen Lebensweise der Insektenfauna in der Siegessäule, ist eine mehrteilige Videoinstallation entstanden. In ihr setzt er die Flugbewegungen der Insekten gewissermaßen mit dem kommunikativen Akt des menschlichen Blickes gleich, wenn er die schwarzen Einschüsse in den Reliefs nicht nur als Eingänge, sondern ebenso auch als Ausgänge - als sehende Augen begreift: "Es geht mir darum, die Löcher dem Wortsinn nach als Vis-à-Vis zu identifizieren und mit ihnen als etwas Sehendes in Dialog zu treten. Ich sehe, was mich anschaut."

Dieses subtile und in weitergehende philosophische Zusammenhänge weisende Konzept, das auf der Bewusstwerdung jeder Art von kommunikativen Prozessen aufbaut, findet in einer ganzen Reihe weiterer Arbeiten der Ausstellung seine konsequente Fortsetzung. Der Atem als atmosphärischer Austausch zwischen dem Innen und Außen verschiedener Körper nimmt meist eine wesentliche Funktion ein und wird bei Anselmo Fox zum zentralen künstlerischen Instrument. So z.B. in einer Serie von Zeichnungen, die das Ergebnis eines inspirativen - atmosphärischen - Materieaustauschs sind, in einer mehrteiligen Bodeninstallation aus mundgeblasenen Glaskörpern, die als quasi paradoxe Atmung den menschlichen Schädel erweitern und in einer Reihe von fotografischen Arbeiten, in denen der menschliche Körper zum Schauplatz prothetischer Optimierungsversuche avanciert. Immer sind es solche Paradoxien, Umkehrungen und transversalen Hinterfragungen an der Schnittstelle zwischen der lebendigen und der dinglichen Welt, aus denen Anselmo Fox seine nicht nur inhaltlich, sondern auch formal hochkomplexen und ästhetisch außergewöhnlichen Arbeiten entwickelt. Den Körper und die äußere Hülle der Lebewesen bzw. der Dinge begreift der Künstler in seinen Arbeiten nie als Grenze, sondern vielmehr als Beginn einer inspirierenden Entdeckungsreise jenseits klassischer Materialien, Sehgewohnheiten und Denkmuster.