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Arno Rink. Werkschau
28.11.2015 - 17.04.2016

Arno Rink, dem das Museum Hurrle eine Retrospektive von über 60 Arbeiten aus seinen Anfängen in den 60er Jahren bis heute widmet, ist ein zurückhaltender Künstler – einer, der nicht gerne über sich oder seine Kunst redet und sie auch nur ungern für Ausstellungen zur Verfügung stellt. Dabei scheinen seine Bilder der Erklärung zu bedürfen: Sie sind vielschichtig, bedeutungsschwer, symbolisch befrachtet und lassen zugleich dem Betrachter alle Freiheiten, sie zu deuten.

Geboren 1940 in Thüringen, zählt Rink zu den bedeutendsten Schülern der sogenannten Leipziger Schule, wo er unter anderem bei Werner Tübke und Bernhard Heisig studierte. 1975 erhielt er dann selbst eine Dozentur und wurde prägender Lehrer für viele junge Maler der „Neuen Leipziger Schule“, darunter Neo Rauch und Michael Triegel, den Porträtisten Papst Benedikts XVI.

Seine frühen Arbeiten der 60er und 70er Jahre sind stark vom Expressionismus geprägt, von Beckmann und Dix, aber auch von Picasso und besonders in den 70er Jahren dann von Dalí. Die Motive sind häufig Menschengruppen, rätselhafte Gestalten, bald fratzenhaft grotesk, bald leere Gesichter ohne Nase, Mund und Augen, bald Tierköpfe oder an Aliens gemahnende Formen. Man glaubt darin Anklänge auch an die niederländische Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts zu finden: die groben, vitalen Gesichter der Bauern eines Pieter Brueghel oder die phantasievollen Höllen-Mischwesen eines Hieronymus Bosch. Im Gegensatz zu Westdeutschland, wo die Suche nach dem noch nie Dagewesenen die Kunst bestimmte, war man in der DDR mit der Kunstgeschichte bestens vertraut und scheute nicht vor Rückgriffen auf ältere Vorbilder zurück, um daraus etwas Eigenes zu erschaffen.

In Bildern wie „Pogrom“ oder „Bar“ wie auch im stilistisch wie motivisch völlig verschiedenen „Lied vom Oktober I“ zeigt Rink die Menschenmenge als etwas Bedrohliches: Jeder ist dem anderen fremd, es gibt keine persönlichen Bezüge zwischen den Agierenden. Eine tragende, aber ebenso unpersönliche Rolle kommt dem Bild der Frau zu, die oft in provokanter Pose, bald mehr, bald weniger bekleidet wichtige Positionen in der Komposition einnimmt. Als Objekt der Begierde scheinen die übrigen Personen in den Bildern sie dennoch kaum anzuschauen, sie bietet ihren Körper vorbehaltlos dem Blick dar und wirkt doch unnahbar und fremd. Ihre Erotik hat oft etwas Bedrohliches, Gewalttätiges, wie auch die engverschlungenen Liebespaare bei Rink eher in einen Kampf involviert scheinen als in einen Liebesakt.

In den achtziger Jahren schließlich entwickelte Arno Rink seinen eigenen, unverwechselbaren Stil: Die Farbgebung mit ihren starken Hell-Dunkel-Kontrasten sorgt ebenso wie die häufig aufgebrochenen, in Auflösung begriffenen Flächen für den Eindruck der Flüchtigkeit und schnellen Bewegung, als würde ein Schlaglicht die Figuren streifen, die der tiefe Schatten zugleich schon wieder verschlingt. Es ist, als würden die Bilder von einem inneren Sog beherrscht. Indessen veränderte sich an seiner Motivik im Vergleich zum Frühwerk weniger: Der Mensch blieb im Mittelpunkt, meist in kleineren Gruppen in surrealistischen Räumen und Landschaften gefangen, unpersönlich und ohne Bezüge untereinander, eine große Einsamkeit und zugleich Aggressivität ausstrahlend. Mythologische Themen, Gauklergruppen, Liebespaare und Akte, die oft von Courbet inspiriert sind, bestimmen von nun an das Oeuvre. Aber auch die christliche Thematik taucht immer wieder auf, Kreuzigungsszenen, wobei der Gekreuzigte die Züge des Künstlers selbst trägt, wie auch die mythologischen und surrealistischen Szenen oft Selbstporträts beinhalten: Rink erscheint oft selbst im Wirbel seiner Gestalten, meist als Beobachter im Hintergrund oder aber als Schöpfer in den Atelierbildern, wo er neben seinem Modell zu sehen ist. Ohne Anhänger der Kirche zu sein, hat die christliche Thematik, die handwerkliche Umsetzung der schwierigen Szenen wie auch die Grausamkeit der Darstellungen, den Künstler stets fasziniert, nicht schockiert. Im Gegensatz zur modernen Kunst waren die alten Meister in der DDR ohne weiteres zu sehen, und der Ansatz Rinks wurde vom Regime akzeptiert, auch wenn es nicht der gewünschte „Arbeiterhumanismus“ war. Wie Rink in einem Interview 2010 selber sagte: „Letztlich hat das kommunistische Ideal den Faktor Mensch immer außer Acht gelassen, aber die Sinnsuche der Malerei kommt eben auf und über den Menschen.“ Und im Werk Rinks ist es der Mensch, der in seiner Zerrissenheit zwischen Leben und Tod, Genuss und Verlust, Begierde und Sehnsucht, Vergänglichkeit und Lebenshunger in unzähligen Facetten aufblitzt. Wie Michael Triegel im Katalogtext über seinen Lehrer schreibt, sind es „die Fragen, Zweifel und Ängste des Künstlers, die auch die des Betrachters sind und die das Werk in der Zeit und für die Menschen Wirkung zeigen lassen.“

Ein Begleitkatalog zur Ausstellung, die zuvor in der Kunsthalle Rostock zu sehen war, ist im Hirmer Verlag erschienen.