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Mit über 150 Gemälden und Zeichnungen, einer Videoprojektion, einem lebenden Bild unter Beteiligung von 30 Zebrafinken, einem Silikonabguss und einer Performance präsentiert die Städtische Galerie Nordhorn unter dem Titel »austrias« drei herausragende österreichische Künstler, die sich in ihrer Arbeit konsequent mit den Fragen nach Bild und Abbild auseinandersetzen. Abseits der aktuell grassierenden Malwut und mit vielfach ironisch gebrochenem, zuweilen auch bösem Blick auf die Welt suchen sie im dichten Geflecht der Verweise, Zitate und Wiederholungen dennoch nach gültigen künstlerischen Bildaussagen.

Die Gemälde von Clemens Krauss, der 1979 in Graz geboren wurde und heute in Wien und Berlin lebt, sind von einem dicken, pastosen Pinselstrich geprägt, der die Farbe oft relievartig auf die Leinwand bringt. Mit energischem, fast nervösem Gestus skizziert Krauss in der Serie »Das Körperkörper-Problem« Halb- und Dreiviertelporträts vereinzelter Personen und -gruppen auf weiß grundierter, zum Teil riesiger Leinwand. Mit nüchtern konstatierendem Blick fragen diese Bilder nach der Darstellung und Inszenierung des menschlichen Körpers. Die Haut als Membran zwischen Außen und Innen erscheint bei ihm als Grenzbereich, in der sich die Fragen nach Selbst- und Fremdbild verfangen. Auch der komplette 1:1-Abguss seiner eigenen Körperoberfläche oder die Fotoserie der »Look-alikes«, subjektiv erlebte und eher zufällig gefundene Doppelgängerpaare, zeugen von diesem forschenden Blick auf den Menschen. Es sind die Augen eines approbierten jungen Mediziners, der die wissenschaftliche und die künstlerische Sicht des Menschen bisweilen unvermittelt aufeinander prallen lässt: Zur Eröffnung wird Krauss den Besuchern im Rahmen seiner Performance »Die Sprechstunde« Termine zum persönlichen Gespräch anbieten – sei es über ein medizinisches oder ein künstlerisches Problem ...

Der 1968 in Linz geborene und heute in Berlin lebende Markus Huemer bezeichnet sich trotz vieler gemalter Leinwände als Medienkünstler. Vor dem Hintergrund einer Kunst- und Mediengeschichte, in der jede Neuerung und Grenzüberschreitung schon einmal stattgefunden hat, scheint er mit seinen Bildern erst einmal wieder bei Null anzufangen: das weiße Licht des Videobeamers ebenso wie die rohe, unbearbeitete Leinwand bilden für Huemer den Ausgangspunkt seiner Arbeit. An den Rändern seiner Bilder lassen sich kleine scheue Vogelwesen nieder, wie fotokopiert erscheinende Waldstücke oder ornamental wuchernde Pflanzenmotive erobern sich langsam die Bildfläche. Angesichts einer allgegenwärtigen Verfügbarkeit und Digitalisierung haben sich für Markus Huemer die Bilder längst ihrer Materialität, ihres Trägers entledigt. Doch daraus entsteht auch eine neue Freiheit: Egal ob als Videoprojektion, als ironisches Spiel mit Zitaten der großen Maler-Helden Polke, Pollock oder Rothko, oder als sarkastische Kommentierung der an Kunst und Künstler herangetragenen gesellschaftspolitischen Ansprüche – Huemer findet in seiner bohrenden Befragung des Bildes nach seinem Wesen und seinem Kunststatus einen Weg, die trotz aller historischer Widrigkeiten noch immer unmittelbare Lust am Malen in eine gültige und hoch reflektierte Form zu bringen.

Auch die »Walker« von Alois Mosbacher (geb. 1954, lebt in Wien) werden von einem ganz ähnlichen Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Bilder begleitet und finden doch zu einer völlig anderen Form: Mit Badeschlappen, Baseballkappen und Baggy-Jeans merkwürdig unpassend für einen Waldspaziergang gekleidete Jugendliche schreiten entschlossen an Bäumen, Büschen und Wegkreuzungen vorbei, ohne dass ein bestimmtes Ziel erkennbar wäre. Der Wald, in dem sie sich treffen, aber ist eine Kunstwelt aus Versatzstücken und Rollenspielelementen, eine Naturfantasie von unbestimmter Bedrohlichkeit. Die umfangreiche Serie der Hütten (»My Cabin«) fasst diese Ambivalenz des Waldes als romantischer Zufluchtsort und gefahrvolles Dickicht mit kühlem Blick zusammen: Was Mosbacher malt, sind lediglich Bühnen für die eigenen Erwartungen und Geschichten, die wie ein interaktives Playstation-Spiel von einem (beim Besucher) abgerufenen Bilder-Arsenal gesteuert und fortgesetzt werden. Bei aller angebotener Narrativität aber täuscht er in keinem Moment über die Brüchigkeit der gemalten und gezeichneten Oberflächen hinweg: Es sind keine Naturstudien, sondern benutzte Bilder, Motive und Fragmente aus dem unerschöpflichen Fundus von Digitalfotografie, Zeitschrift, Internet und Computerspiel, roh und mit feinem Strich, angedeutet oder ausformuliert, mit wildem Gestus und offener Leinwand.

Drei Österreicher, drei Generationen, dreimal Malerei als Bezugspunkt für eine umfassende Befragung des Verhältnisses von Bild und Welt. Mosbacher, Huemer und Krauss tun dies – fast möchte man behaupten in landestypischer Manier – mit viel Ironie und bösem Hintersinn. Und wie eine Art roter Faden zieht sich durch das Werk aller drei Künstler auch die Arbeit mit Leerstellen, undefinierten Bereichen auf der Leinwand, an denen das Bild noch im Entstehend ist oder auch wieder in seine Materialität zerfällt. Wie blinde Flecken und weiße Löcher strukturieren diese Bereiche die Bilder und lassen ihre Zerbrechlichkeit und mediale Konstruktion überdeutlich hervortreten. Der Glaube an das Bild ist angesichts dessen unbegrenzter Verfügbarkeit längst verloren gegangen, was aber wohl bleiben wird ist die Lust, der Welt dennoch immer wieder neue Ansichten abzuringen, die den Zweifel ebenso wie den Verlust ihres Wahrheitsgehaltes in sich tragen.

Alle drei Künstler haben zur Ausstellung eine Edition erarbeitet, die noch gesondert vorgestellt wird und in der Städtischen Galerie Nordhorn zu erhalten ist.

Nach Ende der Ausstellung erscheint ein ausführlicher Katalog.

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austrias: Alois Mosbacher, Markus Huemer, Clemens Krauss
Kurator: Roland Nachtigäller