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Das Edith-Russ-Haus für Medienkunst präsentiert vom 23. Oktober bis 3. Januar die Ausstellung Autonomy Cube. Die Skulptur Autonomy Cube von Trevor Paglen und Jacob Appelbaum ist eigens für die Aufstellung in Kunstmuseen, Galerien sowie Räumen der Zivilgesellschaft gestaltet. Über die reine Betrachtung hinaus soll sie auch auf vielfältige Weise „genutzt“ werden. Durch mehrere in der Arbeit untergebrachte und mit dem Internet verbundene Rechner entsteht ein offener Wi-Fi-Hotspot am Ort der Installation. Jeder hat Zugang zu dem Netzwerk mit dem Namen Autonomy Cube und kann es zum Surfen im Internet benutzen. Indes bietet der Cube keine normale Verbindung ins Internet. Die Skulptur routet den gesamten Wi-Fi-Verkehr über das Tor-Netzwerk. „Tor“ steht für „The Onion Router“, die Verschlüsselung gleicht also einer Zwiebel mit vielen Schichten. In der Umsetzung bedeutet dies, dass ein globales Netzwerk aus tausenden von Freiwilligen zur Verfügung gestellten Servern, Relais und Diensten entsteht, das die Anonymisierung von Nutzerdaten ermöglicht.

Freier Zugang zum Internet
Der Autonomy Cube thematisiert die Zukunft des Internets ebenso wie die Möglichkeiten der Kunst, sich an dem Diskurs darüber zu beteiligen. Der Cube ist das einzige Kunstwerk, welches in der Ausstellungshalle des Edith-Russ-Hauses präsentiert wird und bietet nicht nur freien Zugang zum Internet, sondern erschafft darüber hinaus einen einladenden öffentlichen Raum. Während der gesamten Ausstellungsdauer bleibt der Eintritt in das Edith-Russ-Haus kostenfrei, um die Zugänglichkeit des Cubes zu gewährleisten.

Überwachungstechnologie durchdringt den Alltag
Das Edith-Russ-Haus hat eine ganze Ausstellung rund um ein einziges Kunstwerk konzipiert, um sowohl auf die allmähliche Durchdringung unseres Alltags durch Überwachungstechnologie zu verweisen, als auch auf das beunruhigend geringe Interesse der Öffentlichkeit an diesen Vorgängen, die durchaus in der Lage sind, offene Gesellschaften in Überwachungsstaaten zu verwandeln. Angesichts der ständigen Weiterentwicklung dieser Technologien und nach den journalistischen Enthüllungen der jüngsten Zeit, die diese Vorgänge sichtbar gemacht haben, ruft das Projekt des Autonomy Cube erneut die utopischen Ideen aus den Anfangsjahren des Internets in Erinnerung. In einer Zeit, in der wir im Netz mehr und mehr der ständigen Gefahr der Bespitzelung ausgesetzt sind, soll so die notwendige Debatte über die Freiheit der Kommunikation, das Recht auf Privatsphäre sowie die persönliche Würde neu belebt und weitergeführt werden.

In den Ausstellungsräumen im Untergeschoss haben Paglen und Appelbaum in Zusammenarbeit mit den Kuratoren des Edith-Russ-Hauses weitere Präsentationen entwickelt, die Fragestellungen zum Tor-Netzwerk, zu Überwachung und Datenschutz aufwerfen und so einen Raum gestalten, der die Gesamtheit des sozialpolitischen Kontextes behandelt, der auch den Cube geprägt hat. Neben einem öffentlichen Bibliotheks- und Lesesaal bieten Videovorführungen von Vorträgen und Debatten die Möglichkeit zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dem komplexen Themenkreis. Eine Videoprojektion wird den steten Datenfluss der Server-Skulptur sichtbar machen und einer Systemanalyse vergleichbar die Präsentation des Autonomy Cube vervollständigen.

Ein Band mit Essays des Kunsthistorikers Dr. Luke Skrebowski (Cambridge) sowie der Architektin und Theoretikerin Prof. Keller Easterling (Yale) wird unter dem Titel „Autonomy Cube“ bei Revolver Publishing Berlin erscheinen.

Trevor Paglens Arbeiten verwischen bewusst Grenzen zwischen Wissenschaft, Gegenwartskunst, Journalismus und weiteren Disziplinen, um ungewohnte, akribisch recherchierte Wahrnehmungen und Deutungen der uns umgebenden Welt aufzuzeigen. Die Arbeiten des Künstlers waren bislang im Metropolitan Museum of Art, New York, der Tate Modern, London, dem Walker Arts Center, Minneapolis, dem San Francisco Museum of Modern Art, auf den Biennalen von Taipei 2008, Istanbul 2009 und Liverpool 2012 sowie in zahlreichen weiteren Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen. Paglen hat fünf Bände und unzählige Artikel zu experimenteller Geografie, Staatsgeheimnissen, Militärsymbolik, Fotografie, Visualität u. a. verfasst. Er besitzt einen B. A. der U.C. Berkeley, einen M. F. A. des Art Institute of Chicago und promovierte in Geografie an der U.C. Berkeley. Trevor Paglen wurde 1974 in den Vereinigten Staaten geboren und lebt in New York.

Jacob Appelbaum ist ein amerikanischer unabhängiger Forscher für Computersicherheit und Hacker. Er war an der University of Washington tätig und ist Kernmitglied des Tor-Projekts. Darüber hinaus ist er Gründer des Hackerspace Noise Bridge aus San Francisco, Repräsentant der Künstlergruppe monochrom und arbeitete als Fotograf. Er hat umfassend an der Auswahl der von Edward Snowden enthüllten Dokumente mitgewirkt und für ihre Veröffentlichung mit dem Spiegel sowie dem Guardian zusammengearbeitet. Er ist einer der Hauptcharaktere in dem mit einem Oscar prämierten Dokumentarfilm Citizenfour. Jacob Appelbaum wurde 1983 in den Vereinigten Staaten geboren und lebt in Berlin.