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Vom 6. Juni bis zum 22. September 2019 präsentiert der Gropius Bau die Ausstellung Bani Abidi: They Died Laughing.

„Absurdität umgibt uns überall, vor allem in der Art und Weise, wie sich bestimmte politische Realitäten auf der gesamten Welt gestalten. Ich finde, es ist wirklich hilfreich, über das lachen zu können, was wir heute miterleben, nämlich über Dinge, die dysfunktional und zutiefst unlogisch sind. Lachen ermöglicht eine gewisse Handlungsfähigkeit. Wie der ‚Dorftrottel’ oder der durchtriebene Schelm aus den Mythen – letztendlich eine ungehorsame, weise Figur, die gerade deshalb lacht, weil sie es besser weiß. Sonst würden wir alle schlicht der traurigen Realität erliegen.“ — Bani Abidi

Bani Abidi ist bekannt für ihre unverwechselbare Filmästhetik, die von den dunklen Absurditäten des Alltags geprägt ist. Die Ausstellung They Died Laughing, die am 5. Juni 2019 eröffnet wird, ist eine umfangreiche Präsentation der Arbeiten Abidis und zeigt ihre Filme und Drucke aus über zwanzig Jahren.

Seit Beginn ihres künstlerischen Schaffens hat Bani Abidi eine charakteristische Filmsprache entwickelt. Ihre Arbeiten zeichnen sich durch einen subtilen Humor aus, zeigen häufig Laiendarsteller*innen und choreografierte Massen, beleuchten die alltägliche Sicherheitsinfrastruktur und legen absurde Routinen von Bürokratie, Macht und Nationalismus durch Inszenierungen offen.

Abidi nutzt Film oft als Erinnerungswerkzeug; sie verbindet dies mit Poesie und fiktionalen Elementen. Momentan in Berlin und Karachi lebend, nimmt sie die Rolle einer Geschichtenerzählerin und Stadtarchäologin ein, die von den Städten berichtet, in denen sie gelebt hat. Fiktive Narrative überschneiden sich mit individuellen Erfahrungen und stellen differenzierte Fragen, etwa zu Patriotismus – vor allem mit Blick auf die historischen Konflikte und geopolitischen Beziehungen zwischen benachbarten Nationen wie Indien und Pakistan. In ihren frühen Videoarbeiten setzt Bani Abidi humorvolle und ironische Rollenspiele ein, um Grenzpolitik zu beleuchten und zu diskutieren. In späteren Werken entwickelt Abidi filmische Strategien, um das reale Drama von Städten, in erster Linie von Lahore und Karachi, einzufangen. Ihre Arbeit Funland Karachi Series II (2013–14) zeigt gespenstische Szenen: eine Bibliothek mit verbotenen Büchern, ein abgebranntes Kino aus den 1950er Jahren und einen leeren Freizeitpark in direkter Nachbarschaft zu einer Baustelle, auf welcher der größte Wolkenkratzer der Stadt entstehen soll. In anderen Arbeiten stehen Protagonisten wie ein ehemaliger Redenschreiber, ein 80-jähriger Bildhauer und ein pakistanischer Jugendlicher, der einen Weltrekord brechen will, im Fokus. Sie erzählen Geschichten von ehrgeizigen Träumen und vom Scheitern – und behandeln dabei das Verhältnis zwischen Staatsmacht, Patriotismus und Megalomanie.

Für die kommende Ausstellung im Gropius Bau hat Bani Abidi ein neues Projekt entwickelt: The Lost Procession basiert auf den Erfahrungen der verfolgten ethnischen Gemeinschaft der Hazara aus Quetta, der Hauptstadt der pakistanischen Provinz Belutschistan, die seit einigen Jahren unter anderem nach Deutschland flieht. Indem Abidi Begegnungen zwischen diesen beiden bewohnten Landschaften skizziert, richtet sie ihr Augenmerk auf Themen wie Zwangsenteignung, Flucht und Asyl sowie Gefangenschaft. Das Projekt wurde von der Sharjah Art Foundation in Schardscha in Auftrag gegeben, wo im Oktober 2019 eine von Hoor Al-Quasimi und Natasha Ginwala kuratierte Einzelausstellung Abidis eröffnen wird.

30 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer zeigt der Gropius Bau They Died Laughing im Rahmen einer Reihe von Ausstellungen, die sich mit dem Thema der Teilung befassen und untersuchen, wie Grenzpolitik die heutige globale Realität prägt. Gleichzeitig wird Bezug auf die mit dem Haus verbundene Geschichte genommen: Seit 1961 verlief ein Abschnitt der Berliner Mauer an der Nordfassade des Gebäudes entlang und positionierte den Gropius Bau in direkter Nachbarschaft zur Grenze und somit geografisch mitten im politischen Konflikt. Diese geschichtsträchtige Lage bietet einen Rahmen für einen breiteren Diskurs zu den physischen und psychologischen Grenzziehungen, die Gesellschaften geformt haben – Grenzziehungen, die neue Ausgrenzungen politischer und ideologischer Art oder in Bezug auf Gender und Identität hervorgebracht haben.

Kuratiert von Natasha Ginwala
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes

Bani Abidi
(geb. 1971 in Karachi, Pakistan)

Seit zwanzig Jahren entwickelt Bani Abidi eine eigene Herangehensweise an bewegte Bilder. Sie wendet sich den versteckten Erzählungen von Städten und Menschen zu und verwischt durch ihren Zugriff auf das absurde Potenzial der Realität die Grenzen von fiktionalen und literarischen Darstellungen. Bani Abidis Videos, Zeichnungen und Fotoarbeiten setzen häufig Nebenfiguren in Szene, die Geschichte im alltäglichen Leben mitgestalten, und präsentieren kleine Akte des Widerstands innerhalb der breiteren Dynamik von Staatsgewalt und Nationalismus. Bani Abidi studierte Bildende Kunst am National College of Arts in Lahore und an der School of the Art Institute of Chicago.

Ihre Einzelausstellungen waren unter anderem zu sehen im Neuen Berliner Kunstverein, Berlin (2017); Kunsthaus Hamburg, Hamburg (2016); Dallas Contemporary, Dallas, (2015); Kunstverein Arnsberg, Arnsberg; (2012) Experimenter Gallery, Kolkata, und Baltic Center for Contemporary Art, Newcastle (2011). Bani Abidi war außerdem an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen und Biennalen beteiligt, darunter der Lahore Biennale 01 (2018), Khoj International Artists’ Association (2019), Kiran Nader Museum of Art, New Delhi (2017); Edinburgh Arts Festival Commissions 2016; MoMA, New York (2015); AAN Gandhara art Space (2016), Karachi; Aga Khan Museum, Toronto (2014/15); 8. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, Berlin (2014); Guggenheim Museum, New York (2013); dOCUMENTA (13), Kassel (2012); Kochi-Muziris Biennale, Kochi (2012); Marrakech Biennale (2009); Lyon Biennale (2009) sowie der 7. Gwangju Biennale (2008). Bani Abidi war 2011–12 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD. Seitdem lebt und arbeitet sie in Berlin und Karachi.