press release only in german

Eine gewisse Lust am Text und Erfahrungen mit kollektiver künstlerisch-politischer Arbeit führten 1996 zu einem spezialisierten, an den eigenen Interessen orientierten Buchladen, einem Verlag/Vertrieb (b_books), einer Filmproduktion (bbooksz av) und einem Veranstaltungsraum (montagsPRAXIS). Das Programm umfasst Filmvorführungen, Lesungen sowie Diskussionen und hat meist einen improvisierten Charakter. Alle Arbeitsfelder sind inhaltlich und ökonomisch eng miteinander verknüpft und bilden einen sozialen Raum, der sich temporär und in verschiedenen Konstellationen mit dem Kunstbereich, politischen Projekten und weiteren Orten in Berlin und anderswo kurzschließt.

Für die Ausstellung in München wird der Buchladen in den Kunstraum integriert. Ein minimaler Verkaufs- und Leseraum mit Büchern und DVDs zu politischer Philosophie, Queer Theory, Kunst, Postcolonial Studies, Kapitalismuskritik und Medien-/Filmtheorie entsteht. Darüber hinaus entwickeln einige der an b_books Beteiligten mit Gästen installative Beiträge für den Ausstellungsraum, die sich über verschiedene Bereiche verteilen: Krise, das Ende des Geldes? - Postpone postporn happiness - Melodrama und die „Imitation des Lebens“.

Die Präsentation wird ergänzt durch Theateraufführungen, ein Filmprogramm und Vor-Ort-Recherche.

Biografie

b_books begann 1994 in Berlin und wurde 1996 ein eigenständiges Unternehmen. 1998 kam der Verlag hinzu, 2001 die Filmproduktion. b_books organisierte selbst verschiedene Festivals wie Filmsquat (2001, 2002 und 2009), prime time international (2002) oder hell_p (2003). Laden oder Verlag wurden zu Festivals eingeladen wie zum Steirischen Herbst 1997 oder Du bist die Welt im Rahmen der Wiener Festwochen 2000. b_books unterhielt 2007 eine Station im Kunsthaus Dresden und betrieb zusammen mit pro qm den Buchladen der documenta 12 in Kassel. 2006 beteiligte sich b_books an der Ausstellung Drei Geschäfte im Hamburger Kunstverein.

Weitere Informationen finden Sie unter www.b-books.de.

Ausstellungsbeiträge

„Mehr Liebe, mehr Essen, mehr Geld, mehr Wein, mehr Zigaretten.“ Display, Bühne, Aufführung

Die temporäre Abbildung und Aufführung von b_books in der Lothringer 13 übertraÅNgt das Prinzip von Präsentation und Verkauf, wie es den Buchladen kennzeichnet, in den Kunstraum. Dabei werden einige der verlagseigenen Publikationen auf maßgeschneiderten Sockel ausgestellt, thematisch sortierte Büchertische aufgebaut und Reste aus dem Berliner Lager ausgeschüttet.

Die Installation des Materials, die Bücher-Displays und die Bühne im Hauptraum orientieren sich an einem minimalistischen, jedoch standardisierten Formenvokabular, wobei die industriell hergestellten Tischbeine über ihre eigentliche Funktion hinaus eingesetzt werden. Auch die im Verlauf der Ausstellung nur selten bespielte Bühne ist modular und vorläufig. Sie bietet sich an, Aufführungsort für Lesungen, Vorträge und Performances zu sein.

Die Debatte um Künstlichkeit und Wirklichkeit, um medialisierte Ereignisse und den Live-Charakter als neue Währung der Aufmerksamkeitsökonomie, bündelt sich im Begriff der Theatralität. Der Raum des Theaters ist nicht weniger widersprüchlich und mit Unvereinbarkeit aufgeladen als der Kunst- oder Popdiskurs. Deshalb interessiert uns die Aufführung nicht nur als Möglichkeit, ein Spiel vorzuführen, sondern als ein Gegenstand und Raumversprechen.

Von Stephan Geene, Karolin Meunier, Mirjam Thomann

Arrêt la machine! Postpone postporn happiness. Video- und Poster-Installation

A cinematic post porn poem about and made by conflicts between two deferring concepts of desire and pleasure. Desire as driven by the lack of the desired object and desire as the drive to connect and disconnect and to build micro structures, arrangements and horny textures. Pleasure as the interruption of desire or Pleasure as the invention of forms of lust and enjoyment. The disaster ruins everything, all the while leaving everything intact. >Arrêt la machine!< is using these conflicts to construct a film, not to deliver a fetish or to calm down or to tell a STORY: NO happy end, only code and flux and code and flux (D&G). A money shot into the face (of the spectator). Sex and Cinema, sexy cinema, sexitude. A deconstruction of straight LE MÉPRIS, LES CHOSES DE LA VIE et JULES et JIM. Starring: well-known judgments and unknown pleasures. Clichés always tell the truth! Love For Sale: Porn is out of joint. porNO under construction: the penetration subject, plus three pleasure grounds: the park, the bed, the pool and an extra surplus: the Beckett Quad. A kind of Buster Keaton PORN.

Von Ulrike Feser, Nicolas Siepen, Tim Stüttgen

Cake Under Glass

Gegen den Verdacht eines vermeintlich straighten Naturalismus – die treue Adaption eines realistischen Romans – untersucht die Arbeit „Cake Under Glass“ Todd Haynes’ fortgesetzte Auseinandersetzung mit dem Genre Melodrama in seiner TV-Miniserie „Mildred Pierce“ (HBO, 2011). Der Gedanke: Die Form der Abbildung, die typisch für das Melodrama ist – imitation of life (Sirk) –, findet sich wieder in der sanften Distanzierung (nicht David Simon-haft „auktorial“, nicht „reflexiv“, nicht „kritisch“) des Displays eines Kuchens unter Glas. Etwa in den Vitrinen der apple pie - Unternehmerin Mildred Pierce. Eine vitrinen-artige Installation zeigt Bilder, die gerade in ihrer naturalistischen Anmutung auf das Modell eines Lebens (nicht: auf das Leben selbst ) verweisen, dessen Erwartungen wir teilen; dessen Pathologien wir erleiden. „It's really about what we all experience in life“ (Haynes).

Von Mirjam Thomann, David Weber, Aljoscha Weskott

Spring in the global village? Eine Rauminstallation under construction mit Performance

2011: Ein Domino-Effekt von Revolten setzt ein. In globalen Nachrichten-Agenturen oder auf facebook wird um die Dekodierung der Protestbilder gerungen. Die affektive Kraft des archetypisch Widerständigen regt zur Nachahmung an – als wolle man mit youtube die Zukunft downloaden. Mainstream Infotainment versus web 2.0: wie hängen die großen und kleinen Erzählungen zusammen, hängen sie zusammen? Ein Konglomerat von Paralleluniversen, technologisch-ideologisch zu einer künstlichen Einheit von schlechten Nachrichten verschmolzen: Living in the End of Times! Was passiert mit dem ganzen 'documentary trash', den gescheiterten Interviews, nicht einordbaren Bildern, frei flottierenden Informationen, der Kakofonie? Das Unsagbare im journalistischen Rest, im elektronischen Echtzeitabfall der Geschichte suchen? Was bringen die unmöglichen, unnützen Zeugnisse, die verschwommenen, unklaren, verpixelten, unfertigen Bilder zum Ausdruck? Politik des Archivs? Dokumente mit Gleichgültigkeit arrangiert, unhierarchisiert und dennoch geordnet, die als nicht-statisches Material, in der Kontingenz einer beweglichen, erneuerbaren Anordnung, Bedeutungsgeflechte bilden. In einer Assemblage das Unbeachtete zwischen den Bildern und Semiotiken aufblitzen lassen: The Lizard of History.

Von Margarita Tsomou, Marietta Kesting, Nicolas Siepen

gap2go

In Kreuzberg-Neukölln in Berlin findet gegenwärtig eine Art schleichendes Ereignis statt: Jugendliche, meist aus Westeuropa, aber auch aus anderen Teilen der Welt testen antikommerzielles Alltagsleben, informell und meist auf der Straße. Man kann darin nur die Vorstufe von Gentrifizierung sehen oder das Entstehen eines Hostel- Tourismus, vielleicht aber auch das Ergebnis einer realistischen Erfahrung einer Welt nichtmonetärer Ökonomie. Auch wenn dieses Nach-Berlin-Kommen nur auf Zeit ist, vielleicht ein gap year darstellt, ein Intervall vor einer möglichen oder unmöglichen beruflichen Zukunft, so ist es genau damit ungemein gegenwärtig. Das Projekt gap2go dokumentiert verschiedene Aspekte der Veränderungen in Kreuzkölln, aber auch den Prozess, daraus einen Spielfilm zu machen, der im Sommer 2012 gedreht werden wird. Für die Ausstellung in der Lothringerstrasse wird die Website www.bbooks.de/gap2go auf die möglichen Verbindungen mit den gegenwärtigen Krisen und Protesten aktualisiert und ist in der Ausstellung zugänglich. Von Stephan Geene und Karolin Meunier

minimal club

minimal club hat als Gruppe zwischen 1984 und Anfang der 90er Jahre vorüberwiegend in München gearbeitet. Das Theater- und Videoprojekt schrieb Stücke und führte sie in Bühnen-, Text und Videoinstallationen an unterschiedlichen Orten wie im Deutschen Museum, in einer bankrott gegangenen Ladenpassage in der Innenstadt, im BBK, im Kunstverein oder im ProT auf. Nicht nur personell gibt es Übergänge zwischen minimal club zu b_books, auch die „Zeitung für 10 Jahre“ A.N.Y.P wurde von minimal club herausgegeben. Zwischen 1989 und 1999 kreuzte sie Kunst-, Politik- und Theoriefelder und trug mit dazu bei, ein publizistisches Umfeld zu generieren, in dem sich b_books bis heute bewegt.

Für die Ausstellung in München bearbeitet die Gruppe altes Theatermaterial und setzt es neuen Fragen aus: passt das Stichwort ›Lay-Out‹ für das Verständnis eines (negativen) Theaters, das gegen die 3. Dimension der Bühne und ihre Lebendigkeit anarbeitet? Wie kann diese Attacke auf die 3. Dimension dabei helfen, eine Aufführung auf eine Buchseite zu bringen?

Eine Text-Installation von Elfe Brandenburger, Sabeth Buchmann, Stephan Geene, Mano Wittmann