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Nahezu abstrakte malerische Konstruktionen aus geraden und geschwungenen Linien bestimmen in allen acht Arbeiten, die Bernadette Mittrup (geb. 1973) in ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Charlotte Desaga präsentiert, den Bildraum. Mittrup, die den malerischen Prozess durch die Wahl der Trägermaterialien und ungewöhnlicher Rahmen gerne ins Objekthafte treibt, arbeitet hier mit collagierten Zeichnungen und Malereien auf Papier. Jede der Arbeiten wird durch eine mit Ölkreide skizzierte, bühnenhafte Rahmenkonstruktion bestimmt, in der Räume erscheinen durch die sich Beinpaare bewegen. Zwar scheinen die unterschiedlichen Beine nur Vorwand bei dem Ziel zu sein, mit Gouache- und Ölfarbe bewegte Bildgefüge zu schaffen, dennoch handelt es sich hier offensichtlich um eine stets gleich bleibende Anordnung und die Perfektion eines malerischen Problems. Dabei werden die luftigen, skizzenhaften Blätter - anders als in der klassischen Malerei, in der ein Bild langsam aus der Fläche heraus konstruiert wird, immer wieder zerschnitten und neu zusammengesetzt bis die finale Komposition entsteht. Der Titel der Ausstellung Tournee verweist darauf, dass es sich bei jeder Arbeit um einzelne Momentaufnahmen einer fortlaufenden oder sich wiederholenden Performance handelt.

Tournee lässt aber auch an die Art der Beinbewegungen denken oder sogar an die Serpentina, die im Manierismus idealisierte Form des in sich gedrehten Körpers. John Shearman beschreibt sie so: „Drehungen werden ohne Anstrengungen erreicht, lassen keinen Kraftaufwand spüren. ... Die Bewegungen sind vollständig, nicht angehalten, und so scheinen sie weder eine Handlung der Vergangenheit wiederzugeben noch eine künftige vorwegzunehmen. ... Die Bewegungen, die nichts mehr zu beschreiben scheinen, haben sich den manieristischen Tugenden der Grazie, Komplexität, Vielfalt und Schwierigkeit untergeordnet." (John Shearman: Manierismus, Das Künstliche in der Kunst, F.a.M., 1988, S. 99).

Sehr bewusst nimmt Mittrupp in ihren Arbeiten immer wieder klassische und heute eher vernachlässigte Medien, wie die Radierung oder Ölkreidezeichnung auf, und entwickelt aus deren technischer und qualitativer Bedingtheit eine eigene zeitgemäße Formensprache. In ähnlicher Weise greift sie mit den nackten Beinen auf ganz klassische Motive und tradierte künstlerische Arbeitsweisen zurück. Als Malerin zitiert und verkehrt sie die mythologisierte Beziehung vom Maler und seinem Modell. Sie bestätigt die Klischees vom patriarchalen, bohèmhaften Künstler so bewusst, dass sie dieses immer noch erfolgreiche Bild vom Künstler letztlich unterwandert und paradoxer Weise sogar negiert.

Anja Nathan-Dorn

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Bernadette Mittrup
Tournee