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Die künstlerische Praxis Bethan Huws’ gründet in einem vielschichtigen gedanklichen Prozess, der sich jeder einseitigen Festlegung zu entziehen sucht. Vorherrschendes Thema ist die Sprache. In seiner intensiven Auseinandersetzung mit linguistischen Fragestellungen kreist das OEuvre um Möglichkeiten von displacement – von einem Raum in den anderen, von einer Kultur in die andere, von einem Medium in das andere. Mit dieser Vorgangsweise gelingt es Huws, die ursprüngliche Idee von Konzeptkunst zu aktualisieren, einen offenen Raum zu schaffen, der zwischen allen Medien, Genres und Disziplinen liegt, ohne sich herkömmlichen Regeln zu unterwerfen.

Bethan Huws’ Werk umfasst Textarbeiten, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen, Performances und Filme. Die Ausstellung im BAWAG Contemporary präsentiert die fünf bisher entstandenen Filme der Künstlerin.

Singing for the Sea aus dem Jahr 1993 ist Huws’ erster Film, der die Stimmen von acht Frauen und die rhythmische Bewegung des Meeres zu einer eindringlichen Choreographie zusammenführt. In einer sanften Meeresbucht singen acht Frauen aus dem bulgarischen Bergdorf Bistritsa das Meer an. Sie singen von Schafhirten, Wäldern und jungen Mädchen, während sie asynchron gegen den Uhrzeigersinn im Kreis tanzen. Ihr archaischer und polyphoner Gesang trifft auf das Tanzen der Wellen, die uralten Klänge aus den Bergen begegnen dem Meer. Diese subtile geographische Verschiebung schlägt eine Brücke zwischen zwei unterschiedlichen Kulturräumen und inszeniert gleichzeitig eine rätselhaft kodierte Kommunikation, die in ihrer poetischen Form des Sendens und Empfangens von Nachrichten an die Rauchsignale amerikanischer Indianer erinnert.

ION ON (2003) wurde von Huws ursprünglich als Theaterstück für den Yorkshire Sculpture Park konzipiert. Das Stück sollte im Freien unter einer großen Libanonzeder aufgeführt werden. Der Schauplatz des Films ist eine verlassene Ruinenlandschaft in Sardinien und die Felder ihrer Umgebung. Der Film lotet das Wesen der Kunst von Michelangelo bis zur Gegenwart aus: Huws lässt einen Schauspieler in 45 Szenen erfundene Dialoge zwischen einem Künstler und einem Kurator vortragen. Das Ich wird durch mindestens zwei Stimmen ersetzt, von denen jede durch den Schauspieler andere Rhythmen und Tonarten vorschlägt. In assoziativen Verschiebungen bewegt sich der gedanken- und anspielungsreiche Text durch verschiedenste Orte und Diskurse, Fiktionen und Wirklichkeiten.

The Chocolate Bar von 2006 ist ein Kurzfilm, dessen Skript drei Personen, drei Schauplätze und viele verschiedene Kameraperspektiven bietet. Rhys Ifans spielt sich selbst und zwei andere Charaktere. Im Zentrum steht Duchamps Flaschentrockner, der wie ein Alien im Hintergrund aufgehängt ist. Das Skript beruht auf einem Text der Künstlerin, der mit der Bedeutungsvielfalt von „Mars“ und „Bar“ und den sich daraus ergebenden Missverständnissen zwischen den Personen spielt. Eine Reflexion über Marcel Duchamp, die walisische Kultur und das Scheitern von Kommunikation, die Alltägliches mit viel Witz und kunsttheoretischer Ironie auflädt.

Fountain (2009) ist ein bildstarker Versuch, das gewählte Thema (Brunnen, Quelle, Ursprung des Lebens, Symbol der Liebe, Ehe usw.) in seiner Bedeutungsvielfalt und im Kontext der Allegorien und Mythen darzustellen, mit denen es verwoben ist. Der Film bringt das Sprechen über Duchamps Readymade von 1917 und den Wasserfall von Étant donnés mit dem Rauschen von Wasser und spektakulären Bildern von 49 römischen Brunnen zusammen. Während wir die vielen barocken Brunnen sehen, hören wir die Stimme der Künstlerin, die englisch, französisch und walisisch neun Redewendungen vorträgt, die sie in Étant donnés gefunden zu haben glaubt. Jeder einzelne Brunnen beschreibt ein neues Konzept und verspricht eine neue Bedeutung. Das Fließen von einer Bedeutung zur anderen birgt immer wieder aufs Neue das Versprechen von Sinnhaftigkeit, das aber nicht eingelöst wird. Auf metaphorischer Ebene verhandelt Fountain, wie das Geräusch fließenden Wassers dem Prozess des Denkens und Sprechens und dem Vergehen der Zeit gleicht.

A Marriage in the King´s Forest aus dem Jahr 2009 dokumentiert die Hochzeitsfeier eines jungen Paares und überträgt diese in einer subtilen geografischen Verschiebung in den märchenhaften King’s Wood bei Challock in Kent. Der ursprüngliche Schauplatz des gesellschaftlichen Rituals – mit seinen Erinnerungsfotos, dem Einzug der Frisch vermählten, dem Anschneiden der Torte, dem Tanz – ist ein edwardianischer Ballsaal in den Winter Gardens in Margate an der Kanalküste. In langsamen Aufnahmen bewegen wir uns um die Gesellschaft herum. Der Blick der Kamera ist ein suchender und schweifender. Sie schwenkt in verschiedene Richtungen, zoomt in ein Gesicht oder auf ein Detail und wendet sich dann wieder anderen Personen zu. Die Aufzeichnung dieser gesellschaftlichen Choreographie in Bild und Ton lässt Innenraum und Außenraum, Kultur und Natur, Zeit und Zeitlosigkeit aufeinandertreffen und das reale Ereignis mit einem Mal seltsam fremd und unwirklich erscheinen.

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Bethan Huws
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