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Bild | Architektur
06.05.2018 - 07.09.2018

Künstler:
Götz Diergarten, Roger Eberhard, Gudrun Kemsa, Matthias Koch, Thomas Neumann, Josef Schulz, Gesche Würfel

Kurator:
Thomas Kellner

Seit geraumer Zeit ist der Begriff Architektur allgegenwärtig. So allgegenwärtig, dass seine traditionelle Definition längst in Vergessenheit geraten ist. Im weitesten Sinne beschreibt Architektur das Gestalten und die Konstruktion eines Bauwerks. Doch in seiner Bedeutung klar definiert war der Begriff nie. Gerne möchte sich Architektur von „bloßem Bauen“ unterscheiden. Eine Gegenüberstellung soll den Unterschied zwischen Architektur, als erhabene Baukunst und zweckmäßigen Bauten herausstellen. Doch selbst diese Differenzierung erweist sich bei genauerer Betrachtung als unscharf. Was als Architektur gelten darf, steht nämlich immer in Abhängigkeit von dem jeweiligen ästhetischen, technischen, ökonomischen und politischen Kontext, der den Stellenwert eines Bauwerks in seiner Zeit definiert.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bedeutung eines Gebäudes im Laufe der Jahre verändern kann. Architektur kann als Konstante in der Zeit betrachtet werden. In ihrer Grundidee ist sie unveränderlich, selbst wenn sie zerfällt oder erweitert wird. Architektur ist immer nur sie selbst, physischer Ausdruck des Menschen in der Gestaltung seiner Umwelt. Folglich definieren die zeitgenössischen Umstände in denen ein Bauwerk steht seine Sinn- und Zweckhaftigkeit.

Durch die Fotografie wird einem Gebäude eine neue Bedeutungsebene hinzugefügt. Es liegt in der Hand des Künstlers, ein Bauwerk als Zeitzeugnis vergangener Tage zu fotografieren oder den Fokus des Bildes auf den veränderten Kontext des Gebäudes zu legen. In der Kunstfotografie wird die Architektur in ihrer Bedeutung erweitert, verändert oder enteignet. Sie vermittelt nicht nur sich selbst, sondern ruft Emotionen und Assoziationen hervor. Kochs „Normandy – Atlantic Wall“ löst bei dem Betrachter eine Bilderflut von Gewalt und Terror aus, die an die Landung der Alliierten-Truppen in der Normandie erinnert. Genauso emotional aufgeladen sind Wuerfels Werke, in denen Architektur zum Mahnmal menschlicher Unterdrückung wird. In Schulz´ Bildern wird Architektur zum symbolischen Relikt ehemaligen Kults. Eberhards „Shanty Town“ transportiert das Versprechen von Erholung und Komfort eines Luxusurlaubes, trotz ihrer architektonischen Nachahmung der Townships von notleidenden, meist schwarzen, Schichten in Südafrika. Die Bergarbeitersiedlungen in Diergartens Bildern haben ihrem ursprünglichen Zweck bereits ausgedient. Als Relikt erinnern sie jedoch immer noch an das geliebte Heim, das sie einst waren. Neumans Arbeiten sind Beweis dafür, dass Architektur autoritäre Macht ausstrahlt, die eine ganzes Gesellschaftsmodell formen kann. Der Mensch erbaut seine Umwelt durch Architektur und die Architektur wirkt auf den Menschen ein und formt seine Realität. So wird uns bei einem Spaziergang durch New York, in Kemsas Werk, vor Augen geführt, dass die Architektur einer Stadt ihren Charakter ausmacht und maßgeblich unsere Idee dieses Ortes beeinflusst. Die Fotografien fangen die Aura der Architektur ein und transportieren diese auf den Betrachter. Durch ihre fotografische Abbildung wird das emotionale Potenzial der Gebäude aktiviert. Architekturfotografie verbindet Expression des Bauwerks mit Ausdruck von Bildgewalt.