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Herbert Tobias war das Enfant terrible der deutschen Fotografenszene in den späten fünfziger Jahren, ein rebellischer Star, dessen Name heute nur noch wenigen geläufig ist. Aber man kennt seine Bilder: der junge Kinski, die Knef, Andreas Baader, Nico, verführerische Modefotos und erotische Männerfotografien. Bilder, die Tobias in Fach- und Kennerkreisen schon früh zur Legende werden ließen.

Mit 200 Exponaten macht die Retrospektive erstmals eine breitere Öffentlichkeit mit dem facettenreichen Lebenswerk dieses bedeutenden deutschen Fotografen bekannt, der 1982 im Alter von 57 Jahren an Aids starb.

Tobias kam als Autodidakt zur Fotografie. Schon als junger Soldat an der russischen Ostfront gelangen ihm Bilder, die in ihrer metaphorischen Dichte und Symbolhaltigkeit weit über Amateurfotos aus dem Soldatenleben hinaus gehen. Seine eigentliche Laufbahn als Fotograf indes begann in Paris, wo Tobias von 1951 bis 1953 mit seinem Freund Dick lebte. Hier entstanden stimmungsvolle Stadtansichten, eindringliche Porträts der existentialistischen Boheme und erste Modeaufnahmen für die Vogue.

Nach Deutschland zurückgekehrt, machte sich Tobias schnell einen Namen. Die Kritik begeisterte sich für seine Bilder voller »giftig-süßer Erotik«, die »prickeln wie das lebendige Dasein«. Auch angesehene Couturiers und Modemagazine wurden auf den unkonventionellen, sich um Trends nicht scherenden Fotografen aufmerksam. Gerade in den Modeaufnahmen konnte Tobias seiner Lust an fulminanten Inszenierungen und Glamour freien Lauf lassen.

Zeitgleich mit den mondänen Auftragsarbeiten entstanden berührende Bilder aus dem zerstörten, später geteilten Berlin, wo Tobias bis 1969 lebte. Ohne Pathos und Sentimentalität fängt er die absurde Poesie des Trümmeralltags, aber auch den Lebenswillen der Nachkriegszeit ein. Tobias’ Aufnahmen transportieren den Zeitgeist und entfalten zugleicheine zeitlose Präsenz.

Darüber hinaus tritt Tobias immer wieder als homosexueller Künstler in Erscheinung. Seinen erotisch aufgeladenen Blick auf die Männer hat er nie verleugnet, sondern offen zur Schau gestellt. In einer Zeit, in der Homosexualität noch unter Strafe stand, waren Tobias’ Bilder nicht nur ein persönliches Bekenntnis, sondern auch ein politisches Statement.

So einzigartig und individuell wie das fotografische Werk, so nonkonformistisch war auch sein Autor: Mitte der sechziger Jahre stieg Tobias aus der glanzvollen Karriere aus. Es folgten exzessive Jahre, in denen die Fotografie nur eine untergeordnete Rolle spielte. Ab Mitte der siebziger Jahre arbeitete er für diverse Schwulenmagazine.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Arbeiten aus den fünfziger und frühen sechziger Jahren, der produktivsten und bedeutendsten Phase in Tobias’ Schaffen. Jenseits aller Genre-Einteilungen oder chronologischer Ordnungen spürt die Ausstellung den besonderen Stimmungen und Haltungen nach, die Tobias’ Blick auf die Welt bestimmen: Melancholie, Sehnsucht, Sinnlichkeit. In seinen Arbeiten zeigt er sich mal als romantischer Träumer, mal als pathetischer Inszenator suggestiver Bildwelten.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Essays von Ulrich Domröse, Janos Frecot, Anna-Carola Krausse, Pali Meller Marcovicz, Adelheid Rasche, Andreas Sternweiler, Ingo Taubhorn und Ulf Erdmann Ziegler.

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Blicke und Begehren
Der Fotograf Herbert Tobias (1924–1982)