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Der Begriff »Blind Date« bezeichnet konventionell ein Treffen von zwei sich unbekannten Personen. Das Zusammentreffen verschiedener Künstler in der Ausstellung kann als ein solches verstanden werden. Die Ausstellung in der Galerie E105 erweitert diesen Begriff und eröffnet neue Aspekte, die sich mit dem Ausdruck »Blind Date« verbinden lassen. Augenscheinlich sind die ausgestellten Werke vorab für den Betrachter irreführend: Nicht nur aufgrund ihrer Distanz zueinander, sondern auch wegen ihrer scheinbaren Banalität oder vielmehr ihrer Alltäglichkeit. Der Besucher trifft im »Blind Date« auf die Neuartigkeit und Erweiterung des zeitgenössischen Kunstverständnisses. Für die Kunst ist das Eigenschaftswort »zeitgenössisch« inzwischen zum Slogan schlechthin geworden: den einen als impulsive Energiequelle, den anderen als abschreckende Provokation. Die Beschäftigung mit dem Zeitgenössischen, vom Betrachter oder Künstler ausgehend, ist eine Herausforderung der unvorhersehbaren Möglichkeiten: ein »Blind Date«. »Blind Date« lässt sich des Weiteren als eine Hinterfragung der Rezeptionsästhetik deuten. Kunst als er?fassbares Medium des Visuellen wird oftmals nur auf die einseitige Wahrnehmungsart des Sehens reduziert. Das vermeintliche Parodoxon dieses Satzes beinhaltet ein Prinzip der Kunst der Romantik, in der das Bild erst durch die innere Bewegtheit sichtbar gemacht werden kann. Die Blindheit verlieren, hinter die Kulissen schauen und das Objekt mit Inhalt füllen, ist Aufgabe des Rezipienten in der zeitgenössischen Kunst. Das Genießen, das sprachlich in »zeitgenössisch« berührt wird, will gelernt sein. Die Begebenheiten des Neuen sind nicht ohne einen Vorsatz des Hinterfragens, des Erkennens, ohne die Lust am Wagnis zu erschließen. Ein solches Phänomen der zeitgenössischen Werke lässt sich nicht durch oberflächige Betrachtung erkunden. Vielmehr wird der Inhalt des Gegenstandes, nach der visuellen Erfassung, durch die Verinnerlichung des Gesehenen verständlich. Die Auslegung des visuell Erfassten ist ein individueller Prozess.

In den Werken von Amely Spötzl sieht sich der Betrachter einer solchen Herausforderung gegenübergestellt. Die naturalistischen Werke sind weit mehr als eine ästhetische Anordnung pflanzlicher Materialien. Das Bekannte setzt sich durch die neue Bekanntschaft mit Formen oder Konzepten in einen neuen Raum, der die alte Sinnhaftigkeit der Materialien verschleiert. Die Künstlerin hat die Produkte der Natur zu ihrem Ausdrucksmittel ernannt. Blumen, Blätter und krautige Pflanzen werden getrocknet, geteilt oder entblättert. Die Künstlerin versteht es nicht nach dem Prinzip des Schönen, sondern nach dem Markanten der Pflanze zu suchen und dieses durch die Bearbeitung freizulegen. Dabei ist die Verwertung teilweise ihrem Gefühl geleitet oder fußt in anderen Arbeiten auf einer konzeptionellen Idee. Die Pflanzenwelt und ihre Vergänglichkeit bringen Kriterien von Tradition und Geschichte mit sich. Für Spötzl hat dieser Hintergrund eine geringe Bedeutung. Sie versucht die Pflanzenwelt von dem Vorgegebenen zu befreien, um das Material für ihren Anspruch geltend zu machen. Das Werk »Klettensofa« von 2008 zeigt das kleine Modell eines Sofas, dessen Stoff aus Kletten zusammengewebt wurde. Eine homogene Fläche, die sich erst bei näherer Betrachtung als einen gefährlichen Stachelparcours herausstellt. Das markante der Pflanze ist hervorgehoben und Stängel sowie Blätter sind entfernt. Ein »Blind Date« des Ausstellungsbesuchers mit der von der Künstlerin inhaltlich neu bestückten Klette: Von der Herkunft entfremdet, als Sofapolster neu erschaffen. Der »kleine Schubladenaltar« ist ein Sammelsurium getrockneter Pflanzen, die in einer kapellenähnlichen Holz und Plastikmontage ange?bracht sind. Die Blüten eines Trompetenstrauchs sind mit einer Kordel verbunden und unterhalb eines aus einem Eisbecher entwickelten Schirms wie eine Girlande angebracht. Flügel eines Ahornbaumes, entblätterte Blüten des Rhododendron, eine Bärenklaue und andere Blüten und Pflanzenarten werden von Spötzl, vom Gefühl geleitet, in dem kleinen Schubladenaltar bühnenartig in Szene gesetzt. Das Naturhafte der Pflanzen tritt in den Hintergrund. Dem Betrachter wird ein Raum zugänglich gemacht, in dem er seine Assoziationen frei gestalten kann.

Christina Kreuzberg

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Blind Date

Künstler: Claudia Gienger, Taka Kagitomi, Michael Sistig, Amely Spötzl, Yvonne Wilczynski