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Das bißchen Angst

Rote Farbe tropft von der Leinwand oder von farbigen Glasfenstern und erstarrt wie geronnenes Blut. Rote Tropfen sind eingefroren im glänzenden Schnee, festgehalten in Serien von Farbaufnahmen; rote Flecken, aufgenommen mit der Kamera, schwimmen im Wasser die Pflasterung hinunter oder versickern in den Sand, wenn sich die Flut zurückzieht. Bogna Burska holt das Rot aus dem Zusammenhang heraus und setzt es uns vor. Damit provoziert sie Reflexion darüber, was geschehen sein konnte, bevor sie mit der Aufnahme begonnen hat. Die Künstlerin erklärt uns nichts über diese Ereignisse. Sie erinnert nur an die Tatsache ihrer Existenz. Jemand hätte sich verletzen können oder wurde verletzt. Die Welt ist voller Gewalt; wir beobachten sie jeden Tag im Fernsehen, im Kino, im Theater. Inszenierte Gewalt aller Arten, eingebunden in verschiedene Geschichten, häufig in Verbindung mit Sex, ist ein Produkt der Massenkultur und reagiert auf die Nachfrage des Marktes. In dieser Vielfalt ist der Stoff für immer neue Geschichten zu finden, mit Hilfe deren auch die Stars kreiert werden. In dieser Art und Weise ist das Video Regen in Paris entstanden, voll von Aggressionen, Gewalt, Sex, komponiert aus Elementen einiger bekannten Filme: Film aus Filmen, Fiktion aus Fiktionen. Anders dagegen ist die Fotoserie - das Resultat chirurgischer Eingriffe und die wochenlange Erholung danach. Blutspuren im Schnee oder am Strand können übrigens zufällig, z.B. bei einem Spaziergang, entstehen. Einen Stumpf vom entfernten Bein kann man nur im Krankenzimmer sehen, dort gibt es keinen Zufall. Eine Operation kann das Leben retten und erhalten, trotzdem bedeutet sie einen brutalen Eingriff in den unversehrten Körper, es ist eine Brutalität - allen anderen ähnlich. Die Künstlerin spricht nicht davon, sie zeigt intime Innenräume von bedrückender Atmosphäre. Es kann eine Fotoserie sein, die wie Polizeiaufzeichnungen eines Verbrechens aussieht, wir können hier über tatsächliche Spuren sprechen; es kann ein lebensechtes Schlafzimmer einer Frau sein mit einer sehr großen Tarantel, die über das Bett läuft. Hier gibt es keine Erklärungen, keine Kommentare. Nichts könnte geschehen sein, aber genauso auch alles Mögliche. Burska beschreibt nicht die Wirklichkeit, ihre Kunst ist eine Fiktion. Es ist nur das bißchen Angst, das uns aus verschiedenen Arten der Fiktion herausholt und an die Zerbrechlichkeit des Daseins erinnert.

Anda Rottenberg, 2004

Ein Katalog liegt vor.

Bogna Burska (geb. 1974 in Warschau, lebt ebd.) ist Malerin, Filmemacherin, Installationskünstlerin und Fotografin. 2001 absolvierte sie die Kunstakademie in Warschau.

Pressetext

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Bogna Burska
Vazante