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Boris Lurie. Das Haus von Anita

8. MAI BIS 1. AUGUST 2021

100 Kunstwerke zur deutschen Erstveröffentlichung Boris Luries Lebens- und Überlebenswerkes im Wallstein Verlag.

Boris Lurie verlor in der Shoa bis auf den Vater seine ganze Familie und seine Jugendliebe. Auch nach der Befreiung und der Emigration in die USA blieb ein Teil von ihm weiterhin in den Lagern und Ghettos. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete er unablässig an dem Roman Haus von Anita und schuf radikal-provokative Kunstwerke als Gegenbewegung zur gängigen Erinnerungspraxis an die Shoa und vorherrschende Kunstströmungen wie den Abstrakten Expressionismus und Pop Art. Die Boris Lurie Stiftung aus New York hat dem Zentrum für verfolgte Künste Kunstwerke aus seinem gesamten Schaffen als Leihgaben übergeben, vor allem frühe Werke, die unmittelbar nach der Befreiung entstanden.

Boris Lurie wurde 1924 in Leningrad geboren. Die Familie floh 1925 vor antisemitischen Pogro‐ men nach Riga. Dort wuchs Boris Lurie auf. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion durch die deutsche Wehrmacht lebte und litt Lurie vier lange Jahre mit seinem Vater zuerst in lettischen Arbeitslagern und später in deutschen Konzentrationslagern. Seine Großmutter, Mutter, Schwester und seine Jugendliebe wurden zwischen dem 30. November und 9. Dezember 1941 zusammen mit 27.500 anderen Jüdinnen und Juden im Kiefernwald von Rumbula bei Riga von Deutschen ermordet. Befreit wurden Lurie und sein Vater von amerikanischen Truppen in einem Lager bei Magdeburg. Lurie sprach Englisch und arbeitete für die US-Armee. 1946 wanderte er mit seinem Vater nach New York aus und wurde Künstler an der Lower East Side. Als eine Reaktion gegen den Abstrakten Expressionismus und die entstehende POP-Art, erfand er zusammen mit Freunden 1959 die NO!art-Bewegung.

Im Anti-POP attackiert Lurie mit seiner provokanten Kunst die selbstgefällige Konsumgesell‐ schaft. Mitte der 1970er-Jahre hörte Lurie plötzlich auf, Bilder und Installationen zu machen und beginnt seinen Roman House of Anita dt. Haus von Anita, den er kurz vor seinem Tod 2008 in New York abschließen kann. Jetzt erscheint Haus von Anita im Wallstein Verlag auf deutsch und das Zentrum für verfolgte Künste zeigt hierzu über 100 Werke von Lurie.

Boris Lurie verarbeitet im Buch, genau wie in seinen Bildern, die KZ-Erfahrungen und fragt mit schockierender Eindringlichkeit nach der Bedeutung der Kunst nach der Shoah. Der Ich-Erzähler Bobby lebt gemeinsam mit drei weiteren Sklaven im „Haus von Anita“ und wird von den Gebiete‐ rinnen zu sexuellen Fetischpraktiken gezwungen. Was oberflächlich wie ein pornographischer S/M-Roman wirkt, ist eine provokante Darstellung und psychologische Sezierung der Nazigräu‐ el. Eine Lektüre und Ausstellung, die schmerzt und eine außergewöhnliche, künstlerische Verarbeitung des Holocaust, von Terror und Gewalt darstellt.

Unterstützt durch die Boris Lurie Art Foundation in New York hat das Zentrum für verfolgte Künste für eine Ausstellung Werke von Boris Lurie im Depot in den USA ausgesucht: frühe Zeichnungen, die War-Serie, oder die Fetisch-Bilder der Love-Serie, aber auch die schmerzhaften Porträts der Mutter, Schwester und Geliebten. Die Präsidentin der Stiftung, Gertrude Stein war Boris Luris Galeristin.

Zur Ausstellung erscheint im Wallstein Verlag der Roman Haus von Anita.
Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Vorwort von Joachim Kalka
298 S., geb., Schutzumschlag, 12 x 20 cm
ISBN 978-3-8353-3887-6 (2021)