press release only in german

Bruegel. Das Zeichnen der Welt
8. September bis 3. Dezember 2017

Im Herbst 2017 widmet die Albertina Pieter Bruegel dem Älteren, d em bedeutendsten Zeichner des 16. Jahrhunderts, eine umfassende Ausstellung. M it rund 10 0 Werken präsentiert die Schau das gesamte Spektrum von Bruegels zeichnerischem und druckgrafischem Schaffen und beleuchtet seine künstlerische n Ursprünge anhand der Ge genüberstellung mit hochkarätigen Werken bedeutender Vorläufer wie Bosch oder Dürer. Die Ausstellung zeigt rund 20 der schönsten Handzeichnungen des Niederländers aus dem hauseigenen, umfangreichen Bestand sowie aus internationalen Sammlungen und führt dabei sogar zwei seiner letzten Zeichnungen , den Frühling und den Sommer , seit Langem erstmals wieder zusammen. Zahlreiche druck grafische Schätze – in mehrjähriger Forschungsarbeit in der Albertina ausfindig gemach t und aufwendig restauriert – können außerdem zum ersten Mal gezeigt werden .

Tragik und Größe des Menschen
A m Vorabend des niederländischen Unabhängigkeitskampfes gegen die spanische Herrschaft , i n einer Epoche der politischen, so zialen und religiösen Umb rüche, entwirft Pieter Bruegel eine komplexe Bildwelt. Humorvoll und volksnah, scharfsinnig und zutiefst kritisch reflektiert er die gesellschaftlichen Verhältnisse. Als Moralist thematisiert er die Tragik und Größe, Lächerlichk eit und Schwäche des Mensche n .

Bruegels Werke zeichnet s ein immenses Interesse an der Lebensrealität seiner Zeitgenossen aus: Bauern bei der Feldarbeit, pittoreske Landschaften und Alpengipfel, intime Flusstäler, aber auch auf die zeitgenössische Gesellschaft bezogene Moralsatiren und absurd- komische Grotesken sind vielfach in seiner Kunst zu entdecken . An die Stelle der Darstellung des Individuums tritt die Illustration bestimmte r Typen. Teils auf Naturbeobachtung beruhend, teils parodistisch zugespitzt, thematisiert der Künstler a us verschiedenen Blickwinkeln den stetigen Konflikt zwischen Ideal und Realität. Das Derb- Volkstümliche und die ungeschönte Darstellung gesellschaftlicher Verhältnisse verbinden ihn mit den etwa zeitgleich tätigen Schriftstellern Rabelais, Cervantes oder S hakespeare, die in ihrer Literatur die Welt zur Bühne machen und univ erselle Einsichten formulieren, sein zutiefst moralischer Zugang gleicht Michel de Montaigne und Francis Bacon.

In seiner berühmtesten Zeichnung Maler und Käufer , einem der Hauptwerke der Albertina, macht Bruegel die Kunstproduktion selbst zum Thema: Er konfrontiert Betrachtende mit der ernsten, intellektuellen Arbeit des Malers, der ein vorgeblicher Kunstkenner nichts als ratloses Staunen und den Griff nach seinem Geldbeutel entgegenzuhal ten hat. Kunst trifft in diesem Werk auf das Unverständnis des Käufers und der Gesellschaft im Allgemeinen.

Zahlreiche kostbare Werke neu entdeckt
Pieter Bruegel der Ältere ist einer der bedeutendsten Zeichner des 16. Jahrhunderts. Schon zu Lebzeiten des Künstlers erfreuen sich seine Werke höchster Beliebtheit und sind begehrte Sammlerstücke – viele finden als Vorlagen für Kupferstiche weite Verbreitung . Sein Publ ikum sind nicht die Bauern, die so häufig seine Bilder bevölkern, sondern gehört vielmehr zur gebildeten Elite.

Neben Maler und Käufer bewahrt die Albertina fünf weitere eigenhändige Zeichnungen Bruegels und besitzt damit neben dem Berliner Kupferstichkabi nett und dem Museum Boijmans van Beuningen einen der weltweit größten Bestände seiner seltenen Zeichnungen, von denen nur rund 60 Stück überliefert sind . Als eine der wenigen Sammlungen weltweit verfügt die Albertina über das gesamte druckgra f ische Werk de s Künstlers – viele Blätter sind in gleich mehreren Exemplaren vorhanden, darunter zahlreiche Rarissima und sogar einige singuläre Zustandsdrucke.

Die reichen Bestände niederländischer Kunst in der Albertina sind vielfach in den zahlreichen Klebebänden (h istorischen Folianten) des Albertina

Gründers Herzog Alberts sowie aus der ehemaligen kaiserlichen Hofbibliothek zusammengefasst . Sie wurden in mehrjähriger Forschungsarbeit ausfindig gemacht und analysiert . Z ahlreiche kostbare Werke wurden dabei neu entdeckt , wie beispielsweise eine großformatige Ansicht von Antwerpen eines Zeitgenossen von Bruegel , von der lediglich ein weiteres Exemplar bekannt ist. Viele Werke waren noch nie ausgestellt und wurden nun erstmals konservatorisch bearbeitet.

Angesicht s der unzähligen Publikationen und Ausstellungen zu Bruegel mag es verwundern, dass bei einem so berühmten Meister noch Neufunde möglich sind – umso erfreulicher sind die mehr als 100 zusätzlichen neu entdeckten Abzüge von Bruegel , welche der Forschung bis lang unbekannt waren und für die Ausstellung aufwendig restauriert wurden .

Zwei Meister – zwei Weltbilder

Doch nicht nur Bruegel steht diesen Herbst in der Albertina im Fokus, auch einem der größten italienischen Meister des 16. Jahrhunderts ist parallel eine umfangreiche Ausstellung gewidmet: Raffael . Mit diesen zwei großen Meistern der Kunstgeschichte stehen sich zwei völlig versch iedene Weltbilder gegenüber: Die Albertina bietet 2017 die einzigartige Gelegenheit, den ä sthetischen Idealismus Raffaels mit dem schonungslosen Realismus des Moralisten zu erleben.