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Das Kunsthaus Zürich zeigt das um 1730 entstandene Meisterwerk Giovanni Antonio Canalettos "Empfang eines Botschafters vor dem Dogenpalast". Die Ausstellung gibt einen Überblick über die Tradition der Vedute - vom Goldenen Jahrhundert der holländischen Malerei bis zur Fotografie.

Canalettos um 1730 entstandener "Empfang eines Botschafters vor dem Dogen-palast" wurde Anfang 2003 von den Mitgliedern der Zürcher Kunstgesellschaft im Rahmen der "Bilderwahl!" aus einer Gruppe von Gemälden des 18. Jahrhunderts erkoren. Seine Venedig-Bilder zählen zu den Spitzenleistungen der Vedutenmalerei; das Zürcher Gemälde gehört zu den schönsten und grössten. In Werken wie diesem ist es ihm gelungen, in einem Abbild von Kraft und Klarheit die Stadt neu zu erfassen, sie in den Rang eines geistigen Ortes zu heben. In Wirklichkeit ist und war Venedig natürlich gänzlich anders. Die Accro-chage im Kabinettraum zeigt das Werk in einem erweiterten Kontext.

Canaletto, Belloto, Guardi Canaletto, Bellotto, Guardi: das Dreigestirn der venezianischen Vedutenmalerei leuchtet mit einigen sorgfältig ausgewählten, hinreissenden Beispielen vergleichbarer und doch grundverschiedener Kunst. In sensiblem Duktus ausgeführte Radierungen von Canaletto sowie grafische Werke seines Vorbildes Luca Carlevarijs und des Zeitgenossen Antonio Visentini führen die Zeichen- und Druckkunst der farbenreichen Adria-Metropole vor Augen. Mit wenigen Gemälden des holländischen Goldenen Jahrhunderts wird den Wurzeln der Vedute und deren Ästhetik in der niederländischen Malerei nachgespürt: Ruisdaels grandiose Ansicht von Haarlem (um 1670) im Kunsthaus zeigt - in spannungsvollem Kontrast -, dass die venezianische Vedute auch Landschaftskunst ist und Canaletto zugleich Maler grosser, klarer Himmel war. Das Phänomen von Fern- und Nahsicht wird die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Stadtbilder sind zuweilen nach verblüffend ähnlichen Kriterien organisiert. Die räumliche Inszenierung hängt demnach weit mehr mit stilistischen Intentionen der Maler zusammen, mit dem Bedürfnis, die Vedute zum Bild zu gestalten, als mit dem portraitierten Ort.

Perspektive und Repräsentation In seiner rationalen Ordnung atmet das im Sinne Newtons hell aufgelichtete Bild von Canaletto den Geist der Aufklärung: Kühle Vernunft überwindet schattenfrohe barocke Tradition. Zur Schärfung von Wahrnehmung und verdich-teter Steigerung des Eindrucks von Wirklichkeit hat der Venezianer über ein reiches Arsenal an Methoden und Mitteln verfügt: Souveräne Wahl des Ausschnitts, bildparallele Staffelung, Linear- und Zentralperspektive, szenogra-fischer Blick, die camera obscura; Architektur- und malereitheoretische Überle-gungen sind mitreflektiert. Virtuos gemeistert ist die Schwierigkeit, eine natürlich-gebaute, reale Perspektive in ein fiktives Bild einzufangen, eine räumliche Welt auf eine zweidimensionale Fläche zu bannen. Und so erweist sich das Bild, in feiner Balance zwischen Kunst und Natur, auch als ein mentaler Spiegel, Projektionsfläche für seelische Momente. Canalettos durch Staffage belebtes Gemälde ist weit mehr als eine Bestandes-aufnahme der prunkvollsten Schauseite Venedigs. Es kann als sinnbildliche Darstellung des wohlgeordneten Staatswesens interpretiert werden, als Entwurf und heitere Vision einer in Frieden und Freiheit ruhenden florierenden Stadtrepublik. Gleichermassen geprägt von Kultur und Karneval, war die Sere-nissima im 18. Jh. zum Magnet für Bildungsreisende und Abenteurer geworden. In ihren Festen hat sie den Mythos eigener Magnifizenz anschaulich zelebriert und ein Bewusstsein für Geschichte geschaffen. Obgleich aussenpolitisch immer weniger einflussreich, galten Staatswesen und Diplomatie der Markus-Republik nach wie vor als beispielhaft. Canalettos Venedig ist reich an Historie und strahlt dennoch so etwas wie makellose Zeitlosigkeit aus. Einen Kontrapunkt erhält sein wirklichkeitsnahes Festzeremoniell in Gemälden Tiepolos, in denen von Gesten und Posen belebte Vorgänge eine feierliche, mythische Überhöhung erfahren. Die Attraktivität des Venedig-Bildes reicht bis in die Gegenwart. Claude Monets impressionistische Vision des Dogenpalastes (1908) und Thomas Struths grossformatiger C-print von San Zaccaria (1995), zeigen eine eindrückliche Reflexion über das Wesen von Bild und Repräsentation, von Fotografie und Malerei. So ergeben sich überraschende Korrespondenzen zwischen Canalettos camera obscura und Struths fotografischer Kamera.

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Canaletto 
Vedute und Zeremonie - in der Reihe Bilderwahl!
Kurator: Gian Casper Bott