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Als Einleitung zu seinem Werk Cantos schrieb Barnett Newman, dass die Lithographie „wie ein Musikinstrument ist auf dem man spielt. Etwa wie auf einem Klavier ... und wie ein Instrument interpretiert sie... Kreation und Spiel sind eng miteinander verbunden.“Die Künstler (genau wie die Pianisten) wenden Energie auf, wenn sie spielen, also ihre eigene Kreation interpretieren. Und diese Energie (und ihre unterschiedlichen Ausprägungen), in Verbindung mit einem ganz bestimmten Arbeitsobjekt, war der Hauptgrundfür die Auswahl der Künstler und ihrer Werke. Und dann ist da das Objekt, das Ergebnis dieser Energieaufwendung. Etwas Unbegreifliches, das uns erstaunen lässt vor der unfassbaren Kraft dessen, was keiner Rechtfertigung bedarf. Ein Zwang, derseinen Zweck nur im Werk selbst hat. Ein Zwang dem Werk gegenüber.

Von Nobuyoshi Araki wird es eine Wand aus Blumen geben, die einigen Aktfotos gegenübersteht. Doch es herrscht keinerleiFeindseligkeit zwischen ihnen. Eine Katze streckt die Zunge heraus, und Araki selbst lacht sie aus. Olivier Foulon stehen zwei Räume zur Verfügung: der Raum der Modelle und der Raum der Kopien. In diesen zwei Räumenstehen die Geschichte der Kunst, die Geschichte des Hutes und auch die Geschichte des Wolfes Seite an Seite. Die Modelle können weiblich sein oder Kunstwerke. Die Kopien zeigen großes Interesse an den Modellen. Es gibt Zeichnungen, Dias, Bücherund Geschichten.

Cantos zeigt, und das ist eher unrgewöhnlich, vier große Zeichnungen von Pierre Klossowski. Un- oder kaum vorstellbare Szenen,die Fragen aufwerfen, die beunruhigen, in denen das Bild zur fixen Idee wurde, mit anderen Worten, in einer Pose erstarrt ist. Die Tatsache, dass Pierre Klossowski außerdem ein bedeutender und berühmter Schriftsteller ist, zeigt, dass die Ausstellung ihrenUrsprung teilweise in der Literatur, bzw. der Belletristik hat. Von John Murphy werden drei große Gemälde präsentiert, die einen Hund in Szene setzen (und zwar dieselbe Rasse wie beiVélasquez, Watteau und Courbet). Doch der Hund ist nur Bruchteil eines weitaus umfangreicheren Ganzen: das Gemälde selbst. Die vierte Arbeit zeigt zwei Postkarten mit Arbeiten von Yves Klein. Körper und Tod sind die thematischen Bezugspunkte zwischenden Postkarten und dem Gemälde.

In ihrer Installation im größten Ausstellungsraum des Casino Luxembourg, verweist Joëlle Tuerlinckx insbesondere auf dieAbwesenheit der Ausstellungswände und erinnert gleichzeitig daran, dass Bilder Schatten haben. Wenngleich Bilder üblicherweise an Wänden hängen, so sollte dennoch nicht vergessen werden, dass einer der Ursprünge des Bildes der Schatten ist, derSchatten eines geliebten Körpers, der in den Krieg zieht. Dass ein Bild auch eine Art Fenster sein kann wird zusätzlich von der Tatsache unterstützt, dass Joëlle Tuerlinckx Ausstellungsraum der einzige mit Fenstern ist, der einzige Raum mit Blick auf dieStadt. Deshalb wird auch der ehemalige Zeitungskiosk am Pont Adolphe mit in ihre Arbeit einbezogen: Seine Fenster werden zu Rastern, die wieder einmal unseren Blick auf die Dinge in Frage stellen. Diese Installation wird gemeinsam mit Willem Oorebeekverwirklicht.

Schließlich bringt uns Eric Van Hove neunzehn Kalligraphie-beschriebene Rollen aus Japan mit. Nicht viele Menschen ausunseren Breitengraden versuchen sich an diesem orientalischen Schreibstil, der uns noch weitgehend fremd ist. Die Pinselstriche selbst der chinesischen oder japanischen Schrift erstellen das Bild an sich.

Ein 40-seitiger Katalog, der in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern entstanden ist, ist teilweise ein Rundgang durch die Ausstellung. Auch ich habe einen Text dafür verfasst, der die Ausstellung metaphorisch umreißt. Was ist nun eigentlich dasThema der Ausstellung?, fragt man sich. Cantos heißt Gesang, Gesang heißt Stimme, Stimme heißt Vielklang. Der Gesang ist aber kein Lied. Der Gesang ist Dichtung. In der Dichtung gibt es Bilder und Abstraktionen. Die Dichtung ist der Ausdruck diesesWiderspruchs. Auch das strebt Cantos an. Aber das französische Wort für Cantos, „chant“, bedeutet auch „Kante“. Insofern könnte Cantos als Ausstellung von Objekten gesehen werden, die „auf der Kippe“ stehen, was wiederum die prekäre Situation derheutigen Kunst widerspiegelt.”

Michel Assenmaker, 17. Dezember 2004 Pressetext

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CANTOS
Kurator: Michel Assenmaker

mit Nobuyoshi Araki, Olivier Foulon, Pierre Klossowski, John Murphy, Willem Oorebeek, Joëlle Tuerlinckx, Eric Van Hove