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Caroline McCarthy, 1971 in Irland geboren, studierte 1989–1994 am National College of Art & Design, Dublin, und 1997–1998 am Goldsmiths College, London. Seit 1997 lebt und arbeitet sie in London. In ihrer ersten Einzelausstellung jenseits des anglo-amerikanischen Sprachraums zeigt die Galerie Bugdahn und Kaimer die 2006 entstandene Arbeit Grand Detour: Vedute and Other Curious Observations Off the Grand Route.

In den bisher existierenden vier Hauptwerken Escape (2002), From the Testors Military Range (2002), Still Life (2003) und Promise (2003) kombiniert die Künstlerin Materialien bzw. Gegenstände der Realwelt zu Installationen und Assemblagen. Der Ready-made Gedanke taucht hier ebenso auf wie Pop Art- und Appropriation Art-Einflüsse, vielmehr noch aber gehört Caroline McCarthy zu einer Generation, die durch subversive Eingriffe und kontextuelle Verschiebungen gewohnte Sehweisen und tradierte Bedeutungen verändert. Auffallend ist dabei, dass der Fokus sich vom Erhabenen, Heroischen und Grandiosen abwendet und betont dem Marginalen und scheinbar Bedeutungslosen gilt, wie es sich bei McCarthy etwa in Form von ausrangiertem Verpackungsmaterial zeigt. Für From the Testors Military Range hat sie weggeworfene Behälter von Reinigungsmitteln, Motorölen etc. von ihren Etiketten – also der Markenidentität – befreit und ihnen mit der Skala militärischer Tarnfarben, wie sie Modellbauer benutzen, eine neue „Haut“ verliehen. In ihrem minutiösen und kostbar wirkenden Arrangement auf Glasregalen ähneln die früheren leeren Gefäße nun Videokameras und anderen technischen Geräten. Bei Promise hat McCarthy Convenience Food-Verpackungen zu einem reliefartigen, ansteigenden Feld zusammengefügt, eine Kartonagenlandschaft, die über Nacht scheinbar zu blühen begonnen hat: die zur Dekoration der Mahlzeiten verwendeten Kräuter wurden aus den Photos bis auf einen kleinen Steg herausgeschnitten und senkrecht hochgebogen, tauchen aus den integrierten Plastikblumentöpfen wie wachsende Keimlinge auf.

Die in der Galerie ausgestellte Installation Grand Detour besteht aus einer venezianischrot grundierten, 6 x 3,20 m großen Galeriewand, auf der in freier Hängung 55 gerahmte Zeichnungen und Aquarelle (10 x 15 bis 20 x 30 cm) angebracht wurden sowie einem simulierten Souvenirshop mit bedruckten T-Shirts und passenden Kappen, Karten, CDs, Katalogen etc. „Reisen“ und „Tourismus“ als angesprochene Themenkreise kulminieren in der spitzfindigen Titelgebung, bei der die „Grand Tour“ der jungen Aristokraten im 18. Jahrhundert sich zur detour (Umweg, Wendung) „off the grand route“ verwandelt, also jenseits der vorgegebenen Pfade verläuft. War seinerzeit das Reisen eine luxuriöse und aufwendige Angelegenheit, die sich nur eine privilegierte Schicht leisten konnte, so impliziert der heutige, vergleichsweise demokratische Tourismus, den gesamten Globus im Rahmen von Kurztrips konsumieren zu können. Als Erinnerungsstücke und Prestigeobjekte zugleich galten seinerzeit die Veduten, fast dokumentarische Stadt- und Landschaftsansichten, die man mit nach Hause brachte. Dieses Genre bringt McCarthy mit filigranen und sehr gekonnten Zeichnungen bzw. Aquarellen ins Spiel, allerdings lässt sie auch hier unseren Blick „stolpern“: auf den großteils intimen Formaten hat sie nebensächliche Details zum Sujet gemacht – Unkraut, Schutt, Verpackungsmüll wie Getränkedosen, Plastikflaschen, Kartons usw. Dazu hat sie sich in der Umgebung ihrer New Yorker Galerie Parker’s Box auf Streifzug durch Brooklyn begeben und an verschiedenen Orten photographisch festgehalten, was später zeichnerisch umgesetzt werden sollte. Insofern gibt das Gesamttableau auch eine Art bildnerischer Landkarte der Umgebung wieder. Für eine ganze Zeit lang gelingt es den Arbeiten, den Betrachter im Glauben zu lassen, er habe ein ausgewähltes Ensemble verschiedener Sehenswürdigkeiten vor sich. Das liegt unter anderem an der Horizontlinie, die so tief angelegt ist, dass die nahezu winzigen Bildgegenstände wie etwa eine leere Burgerverpackung aufgrund der Frontal- oder Froschperspektive vor unseren Augen fast wie antike Monumente auftreten. Außerdem erreicht die Künstlerin auf raffinierte und unnachahmliche Weise, dass ihre „Miniaturlandschaften“ die vertrauten Züge von gängigen Landschaftsdarstellungen imitieren bzw. unsere Lesart ihrer Gestalt „einrasten“ lassen. An die Stelle der spektakulären touristischen „Highlights“, die man gesehen haben muss, treten die Mikroansichten von zufällig vorgefundenen, unauffälligen Nebenschauplätzen, welche einige Tage später bereits verändert oder völlig verschwunden sein können.

Gabriele Wurzel

Vernissage Freitag, 20. April 2007, von 18 – 21 Uhr.