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Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen vom 6. September bis zum 8. November 2015 anlässlich des 50. Geburtstages von Carsten Nicolai die monumentale audiovisuelle Installation unitape, die der Künstler eigens für das Museum seiner Geburtsstadt entwarf. Carsten Nicolai untersucht darin Bildcodierungen und Notationssysteme auf der Grundlage des Prinzips von binär codierten Informationen in Lochkarten und setzt diese mittels Projektionen und akustischer Elemente künstlerisch um.

Die Arbeit unitape nimmt den westlichen Oberlichtsaal der Kunstsammlungen Chemnitz ein. Eine vier Meter hohe Projektion, deren grafische Strukturen das Erscheinungsbild von Lochkarten aufnehmen, zieht sich über die gesamte Länge des Raumes (25 m). Die Bilder interagieren mit Klängen, die über Lautsprecher in den Raum abgegeben werden. Die Projektion zeigt beispielhaft das Prinzip des Codierens von komplexen visuellen Informationen in digitale Sprache – wie bei Lochkarten. Die akustischen Signale setzen dieses Prinzip fort, indem auch sie als codierte Information zunächst im Computer erzeugt werden. Die unendliche Anzahl an Möglichkeiten, visuelle oder akustische Informationen zu codieren und auf ein anderes Medium zu übertragen, wird erfahrbar durch die Spiegelflächen, welche die Projektion seitlich abschließen und sie optisch ins Unendliche erweitern.

Hintergrund und Impuls zur Entstehung dieser Arbeit liegen in der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Stadt Chemnitz, die ehemals einer der bedeutendsten Standorte der Textilindustrie in Deutschland war. Als eine Voraussetzung dafür gilt die Erfindung des Musterwebstuhls von Joseph-Marie Jacquard (1752–1834), der mit dem Endlosprinzip der Lochkartensteuerung die schnelle Herstellung aufwendig gemusterter Stoffe möglich machte. Der Webstuhl wurde ab 1830 in Sachsen auch im Raum Chemnitz eingeführt und revolutionierte dort, wie in ganz Europa, die Textilproduktion. Durch die Beschäftigung mit Lochkarten, die als eine erste Form von digitalen Speichermedien verstanden werden können, reflektiert Carsten Nicolai Kommunikationsprozesse im Industriezeitalter und stellt Fragen nach den sozial-psychologischen Aspekten der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Die Arbeit ist zugleich eine Referenz an die europäische Industriegeschichte im Allgemeinen und im Speziellen an die Geschichte der Stadt Chemnitz.

Carsten Nicolai zählt zu den erfolgreichsten Künstlern und Musikern der Gegenwart. Das interdisziplinäre Arbeiten definiert bis heute sein künstlerisches Werk. Er versucht die Grenzen zwischen den verschiedenen künstlerischen Genres zu überwinden. Nicolai kooperiert mit Musikern, Wissenschaftlern und Technikern und kombiniert unterschiedlichste Metiers wie visuelle Kunst, elektronische Musik und wissenschaftliche Untersuchung. Inspiriert von naturwissenschaftlichen Prozessen, Systemen und Strukturen setzt er sich mit Fehler- und Zufallsstrukturen und dem Phänomen der Selbstorganisation auseinander. Sein bildnerisches Werk bewegt sich zwischen Objektinstallation und multimedialer Installation.

Die Installation unitape ist nach ihren Vorgängern unidisplay (2012) und unicolor (2014) die dritte Arbeit einer Werkreihe, die auditive und visuelle Elemente miteinander kombiniert, und bereits die vierte Präsentation von Werken Carsten Nicolais in den Kunstsammlungen Chemnitz. 1993 waren in der Ausstellung Carsten Nicolai. corpus monumentale Ölbilder und Handzeichnungen zu sehen. 2001 wurde die Installation frozen water gezeigt. Im Jahr 2005 beteiligte sich der Künstler mit perfect rectangle, static tape 03 und static tape 04 an der Ausstellung Schrift. Zeichen. Geste. Carlfriedrich Claus im Kontext von Klee bis Pollock.

Es erscheint ein umfangreicher Katalog mit einem Verzeichnis der Werke der letzten zehn Jahre. Wir danken herzlich Carsten Nicolai, seinem Team und der Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin für die Zusammenarbeit. Ebenso danken wir der Kulturstiftung des Bundes und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen für die großzügige Förderung der Ausstellung.