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Cerith Wyn Evans (geb. 1958 in Llanelli, Wales, lebt und arbeitet bei London) begann seine künstlerische Karriere in den 1980er Jahren mit Musikvideos und experimentellen Kurzfilmen. Mittlerweile ist er nicht nur als Filmemacher, sondern auch als Konzeptkünstler bekannt. In seinen formal reduzierten Installationen kommen oftmals Texte, Spiegel, Pflanzen, Filmprojektionen, Fotografien, Neonobjekte und -schriftzüge sowie diverse andere Lichtquellen zum Einsatz. Licht, Sprache, Zeit und deren Wahrnehmung durch die Rezipienten bilden Kernthemen in Evans’ Schaffen, das eine Vielzahl von Referenzen zur Literatur, Philosophie und Musik, zum Film, Theater und zu Werken anderer bildender Künstler aufweist.

Nach seinem Studium am Central Saint Martins College of Art and Design (1977–1980) und am Royal College of Art (1981–1984), beide in London, arbeitete Cerith Wyn Evans zunächst als Assistent des britischen Regisseurs Derek Jarman an Filmen wie «The Angelic Conversation» (1985), «Caravaggio» (1986) und «The Last of England» (1987). Eingebunden in die Avantgardefilmszene, experimentierte er selber mit 8mm- und 16mm-Filmen. In den 1990er Jahren wandte er sich der Bildhauerei und Konzeptkunst zu und trat erstmals mit installativen Arbeiten an die Öffentlichkeit.

Für die Eingangshalle des Museum Haus Konstruktiv hat Evans eine von der Decke herabhängende Leuchtstoffröhren-Installation konzipiert, deren filigrane Form auf die präzise formalisierten Bewegungen des traditionellen japanischen Nō-Theaters zurückzuführen ist. Sie zeigt eine Verdichtung komplexer Linien, die die Übergänge der verschiedenen theatralischen Bewegungsabläufe und Gangarten wiedergibt. Auch die vom Schweizer Chemiker Albert Hofmann entdeckte Strukturformel von LSD fand Eingang in die Installation. Daneben ist eine grossformatige Klangskulptur zu erleben, bestehend aus 19 gläsernen, radial angeordneten Flöten, in die über durchsichtige Schläuche Luft geblasen wird. Der durch verschiedene Intervalle gekennzeichnete Sound wird von unterschiedlichen Lautstärken, Höhen, Tiefen und Verdichtungen getragen, welcher das Erlebnis im Raum jedes Mal unterschiedlich gestaltet.

Im ersten Stock wird die neu produzierte, ortsspezifische Arbeit «Still life (In course of arrangement …) 0» gezeigt: Zwei Kentia-Palmen drehen sich langsam auf Plattentellern, ein von der Decke hängendes Ensemble aus Farn, Ingwer- und Bananengewächsen erinnert an das Schweben der Werke im unteren Stockwerk. Sound durchdringt den Raum und zwei Scheinwerfer setzen das konstruierte Setting stimmungsvoll in Szene. Mit den Palmen rekurriert Wyn Evans auf den Künstler Marcel Broodthaers (1924–1976), der die exotische Pflanze als Verweis auf die Kolonialgeschichte seiner Heimat Belgien einsetzte. Die Soundkomposition umfasst sowohl aufgezeichnete Geräusche wie zum Beispiel Vogelgezwitscher als auch ein selbst gespieltes Klavierstück und Zitate anderer Musiker. Das Arrangement spielt mit unseren Idealvorstellungen von Sonne, Strand und Palmen. Innerhalb der über dreistündigen Komposition werden völlig unterschiedliche Stimmungen und Stimmungsbilder wachgerufen: Hörend erlebt das Publikum – ähnlich wie im Kino – harmonische, bewegte aber auch apokalyptische Momente. Die Wichtigkeit des zeitlichen Aspekts und die Rolle des Betrachters unterstreicht der Künstler in einem Interview mit Hans Ulrich Obrist folgendermassen: «The temporal aspect is central to the work: that interrogation of the phenomenological, theatrical role of the viewer in the space addressing the problem of repetition, metaphor and the space as ‹proper noun› – the conceit of the white cube as an appropriation from the ironies that underline all of that.»

Cerith Wyn Evans war 2002 auf der documenta 11 vertreten und bespielte 2003 den ersten nationalen Pavillon von Wales an der 50. Biennale di Venezia. Es folgten zahlreiche internationale Einzel- und Gruppenausstellungen. Auswahl: MIT List Visual Arts Center und Museum of Fine Arts Boston (2004); Frankfurter Kunstverein (2004); 9. Internationale Istanbul Biennale (2005); Kunsthaus Graz (2005); BAWAG P.S.K. Contemporary, Wien (2005); Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris (2006); Lenbachhaus, München (2006); MUSAC, León (2008); Yokohama Triennale (2008); Tramway, Glasgow (2009); Aichi Triennale (2010), Bergen Kunsthall (2011); Moskau Biennale (2011); Serpentine Sackler Gallery, London (2014); Museion Bozen (2015)