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„Mann/Frau geht in den Supermarkt, sucht all die benötigten Zutaten für ein Dinner und schon startet wieder einmal eine Reise rund um die Welt. Jeder Einkauf wird dabei zu einer neuen Episode im Netzwerk der Dinge. Zwischen diesen Verortungen findet der multimodale Transport statt, der den Luxushaufen zu komplimentieren scheint. Und auch wenn sich so manche von der Bückzone einen Rückenschaden zuziehen, können wir froh sein in diesem Club Willkommen geheißen zu werden. Die Frage stellt sich bloß: wie kann man aus diesem Verein wieder austreten?“, so beschreibt die Künstlerin selbst die Basisintention für ihre Ausstellung in der Stadtturmgalerie.

Die globale Marktwirtschaft mit all ihren Absurditäten beschäftigt Nina Dick sehr und obwohl sie die künstlerische Auseinandersetzug damit witzig, ironisch und manchmal auch mit einer Portion Zynismus versehen anlegt, wird schnell klar, wie ernst es ihr mit dem Thema ist. Die Wandinstallation „Neun Episoden in der Sichtzone“, die auf Augenhöhe wie der prominenteste Regalbereich in Supermärkten montiert ist, erzählt mittels neun Artefakten eine Geschichte der Globalisierung. Die einzelnen Themen sind mit gelben, so genannten Warentrennern, die üblicherweise am Förderband der Supermarktkassen dazu dienen die Einkäufe der einzelnen Kunden voneinander zu trennen, unterteilt. Die weißen Handschuhe, Episode 1, trug Nina Dick bei einem Einkauf in einem Diskontsupermarkt. An ihnen haftet nun der „Staub aller Länder“. Für Episode 2 hat die Künstlerin ein Schild ausgewählt, das sie während eines Aufenthalts als Artist in Residence in Frankfurt am Main entworfen hat. In Anlehnung an die gängigen Hotel- und Restaurantklassifizierungen werden von Nina Dick „Luxushaufen“, also Berge von Waren, die z.B. in Häfen häufig anzutreffen sind, ausgezeichnet. Nr. 3 ist eine multilinguale Serviette und in Episode 4 gibt es - nachdem sie ohnehin „wie Schwammerln aus dem Boden schießen“ - für jeden seinen eigenen Hypermarkt zum selbst zusammenbauen: eine Postkarte mit Bastelanleitung. Die meisten Übersetzungen auf einer Produktinformation hat Nina Dick bei kinder-Überraschungseiern entdeckt. Dass Kinder unter drei Jahren enthaltene Kleinteile verschlucken könnten, steht hier in 33 Sprachen: Nr. 5. Die beiden Fläschchen in Episode 6 enthalten nicht Essig und Öl, sondern Wasser und Erdöl und weisen so auf drohende Ressourcenknappheit hin. Die „Helden“ der Künstlerin kommen als 7. auf die Bühne: in harmlosen, kleinen Goldrähmchen befinden sich in schwarz/weiß die Portraits der Vorsitzenden diverser russischer Ölfirmen wie beispielsweise Gasprom. Episode 8 zeigt einen „Vermessungsturm“ aus einem Maßband und steht für die Wegstrecken, die Konsumgüter zurücklegen. Ein roter Chip, ähnlich einem Casinojeton, beendet vorläufig als 9. Episode die Reihe. Er erinnert aber auch nicht zufällig an die roten Punkte, die in Galerien und auf Kunstmessen den Verkauf eines Werks signalisieren.

Im Kühlschrank im selben Raum der Galerie befindet sich das „Chicken international“. Das der Ausstellung den Namen gebende Objekt, ein mit Gemüse aus aller Welt gefülltes Huhn, thematisiert, dass jeder, der sich eines herkömmlichen Supermarktes bedient, moralische, ökologische und geopolitische Grenzen überschreitet. Nina Dick lässt so eine gedankliche, ausufernde Kartografie entstehen: das Huhn kommt aus Italien, die Rosinen aus Südafrika, der Paprika aus Italien, die Pilze aus Polen, das Salz aus Österreich, der Knoblauch aus China, die Limette aus Brasilien, die Polenta aus Italien, der Pfeffer aus Vietnam, der Ingwer aus Brasilien Denkt man den Kühlschrank, ein deutsches Fabrikat, das in Ungarn hergestellt wurde (Das Werk in Ungarn hat der Künstlerin auf ihre Anfrage woher die einzelnen Bauteile des Kühlschranks stammen leider nicht geantwortet.), auch noch mit, dann wird klar, dass sich rund um dieses „Chicken international“ ein globales Netzwerk von ungeahntem Ausmaß erstreckt, in dem die Supermärkte und Shopping Malls Knotenpunkte darstellen.

Das Objekt „COTWO – Multimodal Transport Association & Container Club“ ist ein Schild für den Eingang zu einem fiktiven Containerclub. Vom Design her mit Understatement angelegt wie für einen exklusiven Yachtclub, verweist die Arbeit auf die Transportwege der Waren. Als multimodaler Verkehr werden Transporte bezeichnet, die von A nach B mit verschiedenen Verkehrsmitteln, also beispielsweise LKW – Güterzug – Frachtschiff – LKW, getätigt werden. 1968 wurden die wichtigsten Übersee-Liniendienste auf Containerverkehr umgestellt. Der Name des von Nina Dick scheinbar gegründeten Vereins zur Förderung des multimodalen Transports ist „COTWO“ und bedeutet CO2, also Kohlenstoffdioxyd, das bekanntlich u. a. durch den Straßenverkehr ausgestoßen wird und zur globalen Erwärmung beiträgt.

Die Serie reduzierter Zeichnungen mit Text macht die künstlerische Herangehensweise an dieses geopolitisch und ökologisch brisante Thema von Nina Dick besonders deutlich. Sie kombiniert ironisch Reales, wissenschaftliche Erkenntnisse und tatsächliche Vorkommnisse mit Erfundenem, manipuliert und fabuliert stellenweise. Aber dadurch, dass sie diese Dialektik ausgewogen hält und die BetrachterInnen über den Wahrheitsgehalt mancher Inhalte durch die Medien informiert sind, kommt die Botschaft klar an. Zwei Beispiele seien hier genannt. Eine riesige Menge Plastikmüll kreist im Meer zwischen Amerika und Alaska. Nina Dick macht daraus eine beliebte österreichische Speise, einen Strudel: „Der Plastikstrudel im Pazifik“. Rein fiktiv hingegen ist die Vorstellung, dass sich die Erdformation durch den einseitigen Import von Gütern verändern könnte.

Eine akustische Installation rundet die Ausstellung „Chicken international“ inhaltlich ab. Was wäre, wenn gar nichts mehr geht und ein Totalstau alles lahm legt? Aus einem Radio ertönen Staumeldungen rund um die Welt in insgesamt 25 Sprachen. Ingeborg Erhart

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Chicken International, Nina Dick
Tiroler Kuenstlerschaft - Stadtturmgalerie