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„In chinesischen Legenden steht geschrieben, dass große Meister in ihre Bilder hineingingen und verschwunden sind. Die Frau ist kein großer Meister. Deshalb wird ihr Verschwinden nie vollkommen sein. Sie taucht wieder auf, beschäftigt wie sie ist, mit dem Verschwinden“ Eva Meyer

Chiffren, das sind jene Zahlen- und Zeichenkombinationen, aus denen die verdeckten Botschaften gemacht sind, deren Sinn sich nur einem erlauchten Kreis an „Mitwissern“ erschließen soll. Oder Kennzeichen, die den Absender einer Botschaft tarnen, zum Beispiel um in anonymen Anzeigen heimlich ein Anliegen zu verkünden. Abgeleitet aus dem indischen Begriff „sunya“ und dessen arabischer Übersetzung „as-sifre“ geht das Wort Chiffre auf den Begriff der Leere zurück.

Innerhalb der symbolischen Ordnung markiert die Frau/das „Weibliche“ die entscheidende Null- bzw. Leerstelle, über die sich das (männliche) Subjekt erst konstituiert. Sie markiert einen wunden Punkt (die „kastrierte Natur“), den es zugleich zu verleugnen, zu kaschieren gilt. Sie hat zwar keinen, aber genau deshalb ist sie immer schon „phallsch“, Maskerade, (Bild)Schirm, Leinwand, Projektionsfläche, Objekt des (männlichen) Begehrens, das bekanntlich immer nur nach dem Einen trachtet – und das wäre innerhalb der Erzählung der symbolischen Ordnung das „ursprüngliche Objekt“, das Ursymbol schlechthin: der Phallus. Der Eintritt in die symbolische Ordnung sichert, dass Subjekte sich nicht (nur) gegenseitig umbringen, sondern im „Namen des Vaters“ (nom/n du père) Botschaften, und das heißt hier „Frauen“ untereinander austauschen. Die Frau wäre Botschaft und Tarnung zugleich: eine Chiffre?

Legenden, das sind zunächst einmal die apokryphen, die verleugneten und zugleich archivierten Erzählungen der Heiligen Schrift, Verschlussakten, wenn man so möchte. Legenden, das sind auch die Erzählungen, die sich um tote und lebende Personen ranken, die selbst ein Art Verschlussakte darstellen, unerreichbar und außergewöhnlich wie sie sind: Jesus Christus, Jeanne d’Arc, die Dietrich, Boris Becker...Heimlich spiegelt sich in den Legenden das Begehren derjenigen wider, die sie sich erzählen, so ist die Legende Projektionsfläche, Leinwand, (Bild)Schirm, entspricht in gewisser Weise dem Status des „Weiblichen“.

Ist die Chiffre zunächst einmal die Verschlüsselung einer Botschaft, so scheint die Legende das Überangebot des „Ausplauderns“ darzustellen. Dient die Chiffrierung der Tarnung von Identität, verliert sich die Legende in einer Vielzahl von Zuweisungen. Ist die Chiffre scheinbar neutral, so ist die Legende immer schon Lüge. Dazwischen verweisen Chiffren und Legenden beide auf ein Leerfeld, dass den Ökonomien des Begehrens inhärent ist. An ihren Enden lockt jeweils das Weib: beschäftigt wie es ist, mit dem Verschwinden.

Ein Projekt in Kooperation mit dem Kulturbüro Stadt Dortmund und im Rahmen des Internationalen Filmfestivals femme totale

KuratorInnen Hans D. Christ, Iris Dressler

Pressetext

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Chiffren + Legenden
Kuratoren: Hans D. Christ, Iris Dressler

mit Mira Bernabeu, Anne Bregeaut, Magali Claude, Anna Jermolaewa,
Ilona Johanna Plattner, Ana Torfs