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Christophe Ndabananiye - 11° 40′ S 27° 29′ O
#UNFINISHED-TRACES

22.08.2020 – 13.09.2020

Der Kunstverein in Hamburg freut sich, in der Sommersaison in der Ausstellungsserie #UNFINISHEDTRACES die Preisträgerinnen der Villa Romana einem größeren Publikum vorstellen zu dürfen. Der Villa Romana-Preis ist der älteste Kunstpreis in Deutschland und wird seit 1905 jedes Jahr an vier Künstlerinnen verliehen. Zu den Preisträgerinnen zählten u.a. Max Beckmann, Käthe Kollwitz, Georg Baselitz, Anna Oppermann, Michael Buthe und viele weitere Künstlerinnen, die die Kunstgeschichte bis heute geprägt haben. Die Künstlerinnen Jeewi Lee, Christophe Ndabananiye, Lerato Shadi und Viron Erol Vert sind die Villa Romana-Preisträgerinnen 2018.

Mit #UNFINISHEDTRACES haben die Künstlerinnen die Ausstellungsserie selbst betitelt. Er bezieht sich auf Gemeinsamkeiten in ihren Arbeiten, die auf unterschiedliche Weise eine Spurensuche verfolgen; Erinnerungen, nicht erzählte Geschichte(n), die eigene Biografie und der Versuch Abwesendes erfahrbar zu machen, sind inhaltliche Ankerpunkte der einzelnen Projekte. Mit dem Hinweis auf das Unabgeschlossene im Titel eröffnet sich ein Spannungsfeld zwischen Zukünftigem und Vergangenem. Jede Spur markiert Gewesenes, das sich in den Verlauf der Zeit eingeschrieben hat und so auch Teil einer Zukunft wird. Wie die Gegenwart selbst sind Spuren flüchtig und veränderbar. #UNFINISHEDTRACES erzählt so von einem Moment des Übergangs, in dem noch nichts entschieden ist und alle Optionen offen sind. Jede Ausstellung an sich ist die Verwirklichung einer Möglichkeit – Vieldeutigkeit, Durchlässigkeit und Beweglichkeit spielen hierbei eine große Rolle, sowohl auf der Seite der Institution wie auch auf Seiten der Künstlerinnen. Was entsteht ist ein Experiment, das über die spezifischen Projekte hinweg folgende Fragen aufscheinen lässt: Welche Formen des Handelns werden bei bestimmten Arbeiten, Formaten und Ausstellungssituationen von Künstlerinnen, Kuratorinnen und Rezipientinnen eingefordert und hervorgebracht? Welchen Austausch gibt es heute und welcher Austausch ist überhaupt möglich? Was sind aktuelle künstlerische Praxen und wie kann sich ein lebendiger Diskurs über unsere Zeit entspinnen?

Christophe Ndabananiye - 11° 40′ S 27° 29′ O

Im Deutschen unterscheidet man zwischen Erinnerung und Gedächtnis. Während Ersteres im Hinblick auf Kultur und Geschichte das Nachdenken und den Austausch persönlicher Erfahrungen meint, die man durchaus mit anderen teilen kann, versteht man unter Letzterem ein Programm zur Selbstbindung größerer „Wir“-Gruppen, etwa die diversen Rituale, mit denen Nationen ihre Vergangenheit lebendig halten. Wenn wir in der Ausstellung von Christophe Ndabananiye stehen, müssen wir diese Deutungsmuster neu fassen, und dies ist auch gut so.

Christophe Ndabananiye gräbt, wie Bonaventure Soh Bejeng Ndikung treffend beschreibt, nicht nur tief in die Geschichte, sondern auch in die eigene Seele. Er beschreibt, wie Ndabananiye zurückschaut, um über die Vergangenheit nachzudenken und um seinen Platz zu finden in etwas, was man wahrscheinlich als Gegenwart beschreiben würde. Er verarbeitet in seinen formal diversen künstlerischen Arbeiten Themen traumatischer Erfahrungen im Zusammenhang mit Flucht, Familie, Heimat und Muttersprache und verbindet sie mit seinem jetzigen Leben in Europa. Die Situation ist komplex und die künstlerische Form, die er dafür findet, ist konsequent. Der Titel dieser Einzelausstellung im Kunstverein, 11° 40′ S 27° 29′ O, zeigt die Koordinaten seines Heimatortes Lubumbashi im Kongo. Dies ist der Ausgangspunkt, an dem die physische und psychische Reflektion beginnt, von dem die einzelnen Erzählungen ausgehen und die den räumlichen Prozess des Lebens metaphorisch aufnimmt.