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Die Ästhetik der Verwundeten

Nicht wenige Medienskandale, die fiftyfifty im Laufe der Jahre provoziert hat, sind mit dem Namen Claudia Rogge verbunden. Die 1965 geborene Künstlerin hat schon früh mit öffentlichen Projektionen einer Geburt schockiert. Später setzte sie Obdachlose unter eine Glaskuppel, auf dass Ignoranten sie besser wahrnähmen. Obdachlose waren es auch, die in einem Abfallcontainer vor schicker Kaufhauskulisse dagegen protestierten, dass sie wie Müll behandelt werden. "Restposten" nannte Claudia Rogge diese Installation aus zwei Szenen, bei der letztere von der Polizei abgeräumt wurde: Statt der Menschen aus dem Abseits zeigte die gern mit Massen und Fleisch arbeitende Künstlerin etwa 100 in einer Schlachterei gerade frisch abgehackte und halbierte Schweineköpfe. Was das mit Obdachlosen zu tun habe, wollte die Boulevardpresse wissen? Ein Betroffener kam Claudia Rogge bei der Antwort zuvor: "Wir werden doch behandelt wie Schweine", empörte der Drogenkranke sich. Und die verstorbene Publizistin Gerda Kaltwasser brachte es auf den Punkt: "Es ist bezeichnend, dass lebende Menschen weniger Aufsehen erregen als tote Schweine." Ein weiterer Skandal waren die in ausrangierten Warenkörben drapierten fünftausend Puppenköpfe, wahlweise auch in Einmachgläser mit Wachs-Aspik gestopft. Die Installation im Schaufenster unserer Galerie, die später in einem Glas-LKW auf Europatournee ging, erinnerte an die Killing Fields von Kambodscha, die Untaten der Nazis, an Gentech-Wahn oder andere Greuel. Doch Claudia Rogge will keine Zeigefingerkunst. An erster Stelle geht es ihr um die Ästhetik der Masse. So auch in ihren neuen Bildern, von Dantes Göttlicher Komödie inspiriert. Nackte Menschen, barock inszeniert in Himmel, Hölle, Fegefeuer. Und wieder, speziell für fiftyfifty, mit Obdachlosen, Junkies, Säufern, Bettlern und Randständigen – hat es jemals eine so brutal offene Fotografie dieser Menschen gegeben? Dabei ist ihre Darstellung keineswegs entwürdigend – im Gegenteil. Gerade die Einzelportraits zeigen die Ästhetik der Verwundeten, ohne ihre Male zu retouchieren. Den Obdachlosen selbst kam es darauf an, sich so zu präsentieren, wie sie sind; eine Frau hat sogar vor der Kamera die Injektion von Heroin simuliert. Wenn das nicht wieder mal ein Aufreger ist. Der nächste Skandal dürfte also vorprogrammiert sein.

Hubert Ostendorf

Freitag, 16. September, 19 Uhr, fiftyfifty-Galerie, Jägerstr. 15, 40231 Düsseldorf. Die Künstlerin und einige "Models" werden anwesend sein. Herzlich willkommen. www.fiftyfifty-galerie.de www.claudia-rogge.de

3 Großformate (Auflage 3) 165 x 215 cm, je 13.000 Euro. 30 Einzelportraits (Auflage 3, hier nicht abgebildet) 40 x 30 cm, je 980 Euro, alle zusammen 20.000 Euro. Trypticon ca. 40 x 150 cm, Aufl. 5, je 2.200 Euro. Infos & Bestellung: 0211/9216284.

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Claudia Rogge
Himmel, Hölle, Fegefeuer
Ausstellung zugunsten der Obdachlosenhilfe.