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Eröffnung: Freitag, 29. August 2008, 19 Uhr und Samstag, 30. August 11-18 Uhr

Gibt es eine klare Linie zwischen Ernst und Spaß? Mülltonnen, Menschen in Geschenkkartons, Kaufhausdurchsagen und seltsame Stilleben im billig effektreichen Licht einer Schülerparty... - Es gibt eine Perspektive auf diese Ausstellung, welche kaum mehr zulässt als die Assoziation eines großen Spaßes, ein Spiel mit Konventionen, vielleicht oder eine Intervention im Galerieraum. In kleinen Lettern in Blei steht unter drei Werken "Barockerie" - ein haltlos veralteter Begriff für ein sonderbares, seltsames, ja lächerliches Wesen.

Ein Spaß mit Ansage? Oder einfach ein Raum für Irgendetwas, etwas, das zu erfahren wäre? Man kann den Werken nicht eine Freude am Detail absprechen. Richters simulierte Mülltonnen würden auch in einem Disney-Wunderland eine hinreichende Kulisse für herum huschende Eichhörnchen bieten und Tepels Durchsagen, welche alle paar Minuten erklingen, erinnern an tatsächlich Gehörtes in Supermärkten, Kaufhäusern und öffentlichen Institutionen. Komprimiert auf ein paar überschaubare Quadratmeter entsteht ein durchaus mit „schiefrund“ oder „merkwürdig“ zu beschreibender Eindruck - also tatsächlich: Barock?

Es wäre die Idee eines Simulakrums, einer Version des Barocken, welche die Ähnlichkeit statt der Eindeutigkeit meint, eine Überschneidung statt der deckungsgleichen Passform. So wie die Amerikaner den umfangreich ausgestatteten Horrorfilm-Stil, welchen die Universal-Studios in den frühen 30ern kreierten, "Gothic" nannten, im doppelten Bezug auf die "Gothic Novel" und jene aufsehen erregende Architektur der geheimnisvollen, aber im kunsthistorischen Sinne nicht wirklich gotischen Schlösser, Burgen, Türme.

Das Simulakrum ist zentral in Pierre Klossowskis Denken - unter anderem über die Kunst: "Das Simulakrum im Sinn der Imitation aktualisiert etwas an sich Unkommunizierbares oder Unvorstellbares: eigentlich das Phantasma in seiner Zwanghaftigkeit." (Pierre Klossowski - Die Ähnlichkeit (La Resemblance))

Und weiter:

"Das Simulakrum simuliert den Zwang des Phantasmas wirksam nur, indem es die stereotypen Szenen übertreibt: den Stereotyp überbieten und überspitzen heißt die Besessenheit, dessen Replik er darstellt, auf die Anklagebank zu setzen." (Pierre Klossowski - Die Ähnlichkeit (La Resemblance))

Sich herein bewegen und gleichzeitig, in einer durchaus pathetischen Geste nach dem Ausgang zu verlangen, der Verführung nachgeben, im Sinne, der steten Wiederholung, bezeichnet hier nun einen Habitus des Schaffens von Dingen, die "Kunst" genannt werden könnte oder jenen Prozess, der ihnen Bedeutung zuschreibt. Das zwanghafte Phantasma der Moderne ist jene Bedeutung oder genauer: eine neue Bedeutung, die es zu finden gäbe. Etwas lapidar erscheint da der Verweis auf die "Zärtlichkeit der Nacht" oder die Aufforderung, einfach mehr Bücher zu lesen (des Nachts?). Doch sind das die Sätze von der Anklagebank des Stereotyps - die kanonischen Banalitäten, welche den Zwang desavouieren.

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Claus Richter & Oliver Tepel
Tendre est la nuit / Read more books