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»Collage ist Sehen und Denken und Sein. Gesammelt ist sie: Meer und Wein« (Auszug aus Sara Focke-Levin, Collage). Vor zwei Jahren stiftete der emeritierte Mainzer Professor für »Farbe im Raum«, Architekt und Innenarchitekt Gerhard Meerwein dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck seine umfangreiche Sammlung von rund 400 Collagen, die er in vier Jahrzehnten zusammengetragen hatte. Mit einem »Zweiten Ausschnitt« eröffnet das Arp Museum Bahnhof Rolandseck erneut einen Einblick in diese einzigartige Sammlung.

Die Sammlung umfasst »Papierarbeiten« im weiteren Sinne, von deutschen Künstlerinnen und Künstlern oder jenen, die einen dauerhaften Bezug zu Deutschland haben. Der Schwerpunkt liegt auf Arbeiten, die in der Zeit von 1920 bis 2012 entstanden sind und generiert sich aus einer persönlichen Auswahl Gerhard Meerweins. Die facetteneiche Sammlung umfasst neben Papier- und Materialcollagen auch Decollagen, Assemblagen, Montagen und Reliefs bis hin zu freien Gruppierungen. Sie veranschaulicht das weite Feld verschiedenster Collage-Techniken, die mit Picassos und Braques Integration von Wirklichkeitsfragmenten in Gemälde zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihren Anfang nahm.

Gerhard Meerweins Wunsch war es, für die Zukunft seine Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und sie als »Arbeitsmittel« einer bestehenden Sammlung zu überlassen, die in Verbindung mit ihrem Bestand Konzepte zur Nutzung dieses Materials entwickeln kann.
»Gerade im Jubiläumsjahr des Arp Museums Bahnhof Rolandseck, das 2017 seinen zehnten Geburtstag feiert, erfüllt es uns mit Stolz, dass Gerhard Meerwein vertrauensvoll unserem Museum sein Lebenswerk übereignet hat«, erfreut sich Museumsdirektor Dr. Oliver Kornhoff über das generöse Vermächtnis, das sich zugleich als perfekte Ergänzung der eigenen Sammlung erwies. Waren es doch die Hauspatrone Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, die gemeinsam mit ihren Zeitgenossen die Collage maßgeblich als innovative Kunstform der Moderne prägten.

Mit einem »Ersten Ausschnitt« präsentierte Gastkurator Arne Reimann 2015 erstmals die Schwerpunkte der Sammlung. Ihre Einzigartigkeit, aufgrund der technischen Vielfältigkeit der Gattung, entfaltete sich in den historischen Räumen des Bahnhofs Rolandseck. Die Sammlung wurde zuvor nur drei Mal der Öffentlichkeit gezeigt: Im Kunstverein Augsburg (2009), im Kunsttempel in Kassel (2011) und im Essenheimer Kunstverein (2012), mit dem Fokus auf der Wirkung der Werke in unterschiedlichen Raumzusammenhängen. Daran knüpfte Arne Reimann an und kategorisierte die Exponate schwerpunktmäßig in Gruppen und empfand in den Ausstellungsräumen des Bahnhofes nach, wie der Sammler seine Werke in seiner Mainzer Wohnung arrangiert hatte. Die Besucherinnen und Besucher erhielten somit bereits schon zwei Jahre zuvor eine Vorstellung und einen Einblick in Meerweins persönliches Sammlungsverständnis, das kein kunsthistorisches Sammelziel verfolgte, sondern »vor allem auch eine Reihe guter freundschaftlicher Künstlerbekanntschaften präsentiert«, so Gerhard Meerwein, der sich eher als »Genusssammler« versteht.

In der Vorbereitung für den »Ersten Ausschnitt« aus der Sammlung Meerwein bildete sich die Erkenntnis heraus, dass aus Gerhard Meerweins Sammlertätigkeiten verschiedentlich Freundschaften und intensive Bekanntschaften zu den Künstlerinnen und Künstlern entstanden sind – ein Schlüsselmoment für den Kurator. Mit seinem »Zweiten Ausschnitt« ergründet er nun diese Beziehungen zwischen Sammler und Künstlern, im Kontext einer selektiven monografischen Präsentation ihrer Werke. Die Biografien und Arbeiten von Gloria Brand, Sara Focke-Levin, Jürgen Möbius, Gerhard Olbrich und Paul Stein erzählen beispielhaft von der jahrelangen Verbundenheit zu Gerhard Meerwein und zum Land Rheinland-Pfalz. Den Künstlerinnen und Künstlern sind ausgewählte Bereiche in den Ausstellungsräumen des historischen Bahnhofs zugeordnet, ohne sie voneinander abzugrenzen. Arne Reimann ist es wichtig, dass die Werke auch räumlich nah beieinander sind, entsprechend ihrer einstigen Präsentation in Meerweins Wohnung. So finden sich beispielsweise zwei »Ausreißer«, Arbeiten von Sara Focke-Levin, im Ausstellungsbereich von Jürgen O. Olbrich. Die Besucherinnen und Besucher entdecken beim Gang durch die Ausstellung weitere Collagen der Künstlerin im Nordraum.

Insgesamt 70 Collagen sind in der Ausstellung präsent und zeugen von den unterschiedlichen Collagetechniken der jeweiligen Künstlerinnen und Künstler. Ergänzt werden die Collagen von einer Vielzahl dokumentarischer Exponate und Korrespondenzen, zum Beispiel dem Schriftverkehr zwischen Künstlern und Sammler, der aus dem Fluxus hervorgegangenen Mail-Art, aber auch privaten Fotos und ausgewählten Katalogen aus der Bibliothek Meerweins. Diese vermachte der Sammler dem Museum begleitend zu seinen gesammelten Werken. Die in den Vitrinen ausgestellten Objekte verraten darüber hinaus noch mehr über die Beziehung zwischen Sammler und Künstler, indem sie seine Collage-Sammlung um eine persönliche Ebene erweitern. Ergänzt werden sie von gewidmeten Textbeiträgen der Künstlerinnen und Künstler, die sie für den Ausstellungskatalog schufen. Ihre individuellen Beziehungen zu Gerhard Meerwein sind in Gedichten, Statements wie auch einem dadaistischen anmutenden Gedicht festgehalten und werden in der Ausstellung auszugsweise an den Wänden zitiert.

Die persönlichen Beziehungen zu den Künstlerinnen und Künstlern zeigt auch die Auswahl der präsentierten Collagen. Beispielsweise die Arbeit »Barock« (1983) von Gloria Brand markierte den Beginn einer engen Verbundenheit mit Gerhard Meerwein. Jürgen O. Olbrich wählte eigens für die Ausstellung 15 Werke aus seiner »Postcards-Correction« aus, die den Namen Gerhard Meerwein ergeben und die sich nun an den Pilastern im Flur aufgereiht befinden. Die persönliche Beziehung zum Künstler scheint grenzenlos, wenn der Sammler Meerwein selbst zum Künstler wird, als er gemeinsam mit Jürgen O. Olbrich und Achim Schnyders die Arbeit »3 x 3 Copy« schuf. »Die Ausstellung bildet insgesamt eine große (und großartige) Collage«, so der Anspruch Reimanns. Die Verbindung von gesammelten Werken im Zusammenspiel mit persönlichen Korrespondenzen der Künstlerinnen und Künstler, ihren Textbeiträgen und den collagierten Interviews für den Katalog sind der Klebstoff (Collage stammt von dem französischen coller ab, welches »kleben« bedeutet) für den »Zweiten Ausschnitt« der Sammlung Meerwein.