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Das Medium Malerei muss weit über die Kategorien Farbe, Struktur, Faktur, Materialität, Oberfläche etc. hinausgehend vermutet werden. Dort nämlich, wo von einer übergeordneten "visuellen Kultur" die Rede ist, als Teil derer die Malerei einer bestimmten Zeit aus einer bewusst historischen Perspektive in Augenschein genommen werden kann. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Malerei mitsamt ihren vielfältigen Selbst- und Fremdreferenzen innerhalb dieser visuellen Kultur verorten. Dies schließt die Einflussnahme seitens fotografischer und filmischer Bilder genauso ein wie Werbung, Comics, Internet, Computergames und –animationen. Der historischen Annahme einer solchen visuellen Kultur korrespondiert auf Seiten der Künstlerinnen und Künstler sowie Betrachterinnen und Betrachter die Disposition, dieses Konvolut an kulturellen Bildern – je nach Erfahrungshorizont – bewusst oder unbewusst wahrzunehmen, zu speichern und zu aktualisieren.

In der Ausstellung ‚Colors and Trips’ geht es um Malerei. Doch wird die Vielfalt der medialen Ausdrucksmöglichkeiten nicht vernachlässigt. Von fast allen Künstlern, die hier versammelt sind, lässt sich sagen, dass sie Metapher, Metonymie ("Namensvertauschung") und Ironie - im Kontext der Malerei - vermischen, wobei sie natürlich unterschiedliche Absichten verfolgen.

Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung nun der Malerei als Teil der oben angesprochenen visuellen Kultur zukommt? Es scheint zuzutreffen, was Peter Weibel formulierte. Grundlegend für die Malerei der 90er Jahre ist für ihn die "grausame Entdeckung", dass "am Grunde des Bildes bereits ein Bild ist. Das heißt, wir bewegen uns in einem aufgefächerten, aber geschlossenen Universum des Visuellen," das als "mediatisierte Visualität" in jedem einzelnen Bild immer schon mitgeführt wird. In dieser Entdeckung offenbart sich eine kulturelle Variable, die sich historisch und je medienspezifisch artikuliert bzw. modifiziert. Dabei umfassen die visuellen Kontexte heute ohne Zweifel ein wesentlich breiteres Spektrum als noch vor fünfzig, hundert oder zweihundert Jahren. Im Zuge dessen muss man davon ausgehen, dass die kognitiven Bilder, die wir als Betrachterinnen und Betrachter ständig speichern und abrufen, sich ebenfalls verändern und somit auch unsere Disposition für weitere Wahrnehmungserfahrungen entscheidend beeinflussen. Das Visuelle wird täglich vermittelt nicht nur durch die Massenmedien wie Plakate, Zeitungen, Fernsehen, Kino, sondern auch durch die Abbildungen der Kunstgeschichte in Büchern und Magazinen, als kultureller Code. Die Kunst fließt – als Werk oder selbst in mediatisierter Form – in diesen Erfahrungsschatz ein. Dabei ist bedeutsam: Der visuelle Kontext kann sowohl eine Bildschirmoberfläche sein, als auch eine bemalte Leinwand, die Tradition des einen Bildmediums oder die eines anderen.

In diesem Spannungsfeld argumentieren die für die Ausstellung vorgesehenen Künstlerinnen und Künstler. Sie schöpfen aus der Aktualität der ihnen vertrauten Bildwelt und überführen sie in den Kanon einer grundlegend abstrakt angelegten Malereitradition. Gleiches gilt in umgekehrter Richtung. Möglicherweise haben wir es hier mit einer "neuen Form der Abstraktion" zu tun, mit einer Malerei, die sich in einer signifikanten Parallele zur Vervielfachung und Beschleunigung der Bildproduktion und –distribution, zur zunehmenden Durchdringung der meisten Lebensbereiche durch alle Arten des Visuellen entwickelte. Die Vielsprachigkeit der in der Ausstellung ‚Colors and Trips’ vorgestellten Werke verdankt sich einer bewussten doppelten Codierung durch die Transformierung oder Integration alltäglicher populärer und nichtkünstlerischer optischer Angebote wie Signets, Fotografien und Benutzeroberflächen und dem gleichzeitigen Bezug auf das große Repertoire der Malerei. Die Tradition der Malerei wird also hinterfragt und gleichzeitig inhaltlich wie formal der Gegenwart gemäß erweitert. Die ausgewählten Künstler stehen in engen Wechselwirkungen, die vielfältigen Formen treten uns als Ensemble gegenüber – nicht viel anders als Schauspieler auf einer Bühne. Daraus entstehen anonyme, doch faszinierende Dramen, Posen treten in Verbindung, Beziehungen entstehen.

Oliver Zybok (Pressetext)